Motorik
7
0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
101
2024
474
Rezension: Hammer, R./Schröder, J./Wendler, M. (2024): Bewegung als Lernprinzip für Förderung und Unterricht
101
2024
Fiona Martzy
Peter Keßel
Konzepte bewegungsorientierten Lernens sind nicht neu und die Bedeutung von Körper und Bewegung für das Lernen seit Jahrzehnten Gegenstand im bewegungspädagogischen und auch speziell im psychomotorischen Diskurs.
7_047_2024_004_0209
[ 209 ] Medien & Materialien 4 | 2024 [ Medien & Materialien ] Hammer, R. / Schröder, J. / Wendler, M. (2024): Bewegung als Lernprinzip für Förderung und Unterricht. Kohlhammer, Stuttgart; 978-3-17-042377-0 (Print), 32,00 € Konzepte bewegungsorientierten Lernens sind nicht neu und die Bedeutung von Körper und Bewegung für das Lernen seit Jahrzehnten Gegenstand im bewegungspädagogischen und auch speziell im psychomotorischen Diskurs. Dennoch konstatieren die drei Autoren, dass die Relevanz solcher Zugänge zum Lernen in Unterricht und Förderung offensichtlich immer noch unterschätzt wird und diese mit ihren Vorzügen viel zu selten zur Anwendung kommen. Daher werden im ersten Teil des Buches viele Perspektiven auf Bewegung als Voraussetzung für menschliches Lernen zusammengetragen und verdichtet dargestellt. Sich-Bewegen wird als bedeutsame Grundkategorie für Bildungsprozesse erläutert und der Einfluss von Bewegungserfahrungen auf kognitive Veränderungen aufgezeigt. Ein theoriegeleiteter Praxisteil macht den umfangreichsten Teil des Buches aus. In diesem Teil finden sich keine Spielsammlungen, vielmehr aber insgesamt 16 Tabellen mit exemplarischen Übersichten zu verschiedenen Erfahrungs- und Aufgabenformaten und dazugehörigen Reflexionsanlässen und methodischen Hinweisen. Darin sind verschiedenartige Impulse für Lernsituationen und zum Teil konkrete Spielvorschläge zu finden. Damit bleiben die Autoren ihrer zuvor entfalteten Vorstellung von Lernen treu, nach der sich Lernsituationen durch inhaltserschließendes und sinnhaftes Handeln auszeichnen. Und für diese Art des Lernens bildet der Körper das Fundament, wie ausführlich dargelegt wird. Die Themenbereiche des Praxisteils erstrecken sich vom Schriftspracherwerb mit besonderer Betonung der Grafomotorik, über mathematische und im Speziellen auch numerische Kompetenzen bis hin zur Physik und zum Sachunterricht. Hierbei stellen gesellschaftliche Themen wie ökonomische Dimensionen und auch Demokratie als Erfahrung in der Sporthalle interessante Erweiterungen dar. Mit dem Buch bündeln die Autoren viele einzelne Themen und Ansätze bewegungsorientierten Lernens und stellen wertvolle Zusammenhänge her. Es werden verschiedene Herleitungen und Legitimationsargumente für die Relevanz von mehr Bewegung in unterrichtlichen Settings und anderen Lernsituationen gegeben, die ermutigen, diesen Ansatz stärker zu verfolgen. Die Zusammenführung der theoretischen Hintergründe und deren kompakte Darstellung ist sicher eine Stärke des Buches. Bei den Belegen zum Begründungszusammenhang von Bewegung und Lernen ist auffallend, dass häufig auf ältere Quellen zurückgegriffen wird. Dies kann als Indikator dafür gelesen werden, dass in diesem Bereich noch mehr Forschung nötig ist und das Themengebiet in den entsprechenden Diskursen aktuell kaum bearbeitet wird. Der theoriegeleitete Praxisteil gibt für diese Art des Lernens zahlreiche Impulse, die erfahrene Lehrkräfte und PsychomotorikerInnen sicher gut aufgreifen können, um sie sinnvoll in die eigenen Angebote einfließen zu lassen. Wer sich neu in das Thema einarbeiten möchte, könnte sich mit der sehr dichten Darstellung der Themen etwas schwertun und würde grundlegende Hinweise benötigen oder vielleicht gemeinsam mit erfahrenen KollegInnen die Umsetzung schrittweise aufgreifen. Für Lehrende in Grundschulen und angehende Lehrkräfte dürfte dieses Buch eine wertvolle Basis für bewegungsorientierte Angebote des Lernens Rezension [ 210 ] 4 | 2024 Medien & Materialien Schlesinger, G. (2024): Psychomotorik für Mädchen und Frauen. Bodyawareness statt Bodyshaming. verlag modernes lernen, Dortmund; 978-3-8080-0942-0 (Print), 23,95 € In dem Buch »Psychomotorik für Mädchen und Frauen« zeigt die Sportphilologin Gisela Schlesinger auf, wie Mädchen und Frauen mithilfe der Psychomotorik zu einem gesunden und für sie stimmigen Körperselbstkonzept finden können. Die Autorin ist Expertin auf ihrem Gebiet und hat bereits 25 Jahre Erfahrung in der psychomotorischen Arbeit mit Kindern, Frauen und Müttern. Ein besonderes Anliegen ist ihr dabei, dass Mädchen und Frauen eine Bodyawareness entwickeln sollen, anstatt Bodyshaming zu erfahren. Der Begriff Bodyawareness, die Bewusstheit über den eigenen Körper, geht auf eine physiotherapeutische Methode aus Dänemark zurück, bei der die Einheit von Körper und Psyche besondere Bedeutung hat. Bodyshaming hingegen bezeichnet die negativen Kommentare über den Körper, die Mädchen und Frauen leider häufig vor allem auf Social-Media-Plattformen erfahren. In der Einführung werden kurz die wichtigsten Grundideen des Buches vorgestellt und die Autorin schreibt auch über ihre eigene Bewegungsbiografie. Bewegung hat ihr immer schon Freude gemacht und zu ihrem Wohlbefinden beigetragen. Dennoch hat sie in der Kindheit leider auch negative Bewegungserfahrungen gemacht, die sich aber, wie sie mit ihrer Geschichte zeigen möchte, im Erwachsenenalter nicht manifestieren müssen. Die ersten beiden Kapitel behandeln die anthropologischen und soziologischen Grundlagen, auf denen die psychomotorischen Übungen, die später im Buch vorgestellt werden, basieren. Bei den anthropologischen Grundlagen wird unter anderem der Unterscheidung zwischen Leib und Körper, dem Erfahren weiblicher Leiblichkeit und dem sensomotorischen System besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Autorin geht ebenfalls auf die anatomisch-physiologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern und deren Einfluss auf Bewegung und Sport ein. Auch das Konzept des Embodiment, nach dem alle geistigen Prozesse eng mit dem Körper verbunden sind, wird vorgestellt. Im Kapitel zu den soziologischen Grundlagen bezeichnet die Autorin die Beziehung zwischen Leib, Körper und Gesellschaft als »Never Ending Ping Pong Story«. Damit meint sie, dass seitens der Gesellschaft eine Vielzahl an Erwartungen an Leib und Körper von Mädchen und Frauen gestellt werden. Es gibt strenge gesellschaftliche Vorstellungen, wie der Körper auszusehen hat, und er wird immer mehr, zum Beispiel von FitnesstrainerInnen und ModeberaterInnen, instrumentalisiert. Das Kapitel enthält ebenfalls Informationen zur Soziologie des Körpers (hier wird unter anderem auf Themen wie Feminismus, den »Bodyturn« und die »Sex and Gender«-Problematik eingegangen) und zur Soziologie des Sports, mit kurzen geschichtlichen Betrachtungen zur Entwicklung der Sportvereine und der Entwicklung des Schulsports. Im dritten Kapitel werden nach einer kurzen Einführung in die Psychomotorik die erforderlichen Inhalte einer psychomotorischen Förderung von Mädchen und Frauen beschrieben. Mädchen und Frauen sollen unter anderem ihre Resilienz stärken, eine gesunde weibliche Identität finden und ein Kohärenzgefühl, das heißt, ein Gefühl der Verbundenheit mit sich und ihrer Umwelt, entwickeln. Abschließend werden einige Verbände im deutschsprachigen Raum vorgestellt, die besein. Auch für Lehrkräfte an Förderschulen und pädagogische Fachkräfte, die im Übergang vom Kindergarten in die Schule arbeiten, finden sich gute Anregungen. Zudem sind im Buch vielfältige Argumente für diesen Zugang zum Lernen zu finden, die helfen dürften, im schulischen System für bewegtes Lernen zu werben. Gerade im Hinblick auf die Einführung des bundesweiten Ganztagsanspruchs ab dem Schuljahr 2026 / 27 benötigen Lehrkräfte aktuelle und hilfreiche Begründungen, um Bewegung als Lernprinzip mehr Raum im Schulalltag zu verschaffen, damit Lernen in Bewegung kommt. Fiona Martzy & Peter Keßel DOI 10.2378/ mot2024.art38d [ 211 ] [ 211 ] Medien & Materialien 4 | 2024 reits psychomotorische Arbeit für Mädchen und Frauen anbieten. Das vierte Kapitel stellt eine Vielzahl an psychomotorischen Übungen für Mädchen und Frauen vor. Die Übungen werden unter dem Titel »Toolbox Getting Stronger« zusammengefasst- - Mädchen und Frauen soll ein »Werkzeugkasten« gefüllt mit praktischen Angeboten und Ressourcen, die ihre Resilienz und ihren Selbstwert stärken, mitgegeben werden. Die Autorin unterscheidet dabei zwischen T-Tools (theoretische Übungen) und P-Tools (praktische Übungen). Die Toolbox enthält Stundenbilder und Übungen aus den Bereichen der Achtsamkeit (Bodyscan, Phantasiereise mit Düften), der Rhythmik und Bewegung mit Musik sowie der Beckenbodenarbeit. KursleiterInnen erhalten so eine Vielzahl an Ideen für die Gestaltung ihrer psychomotorischen Einheiten. Abschließend werden noch einige didaktische Orientierungen in der psychomotorischen Arbeit mit Mädchen und Frauen erklärt. Das Buch enthält ebenfalls Webseiten von Psychomotorik-Vereinen und -Ausbildungsstätten im deutschsprachigen Raum sowie ein Glossar der wichtigsten Begriffe. Gisela Schlesinger gelingt es insgesamt, ein umfangreiches, theoretisch fundiertes psychomotorisches Förderprogramm für Mädchen und Frauen vorzustellen und auf die spezifischen Herausforderungen dieser Zielgruppe einzugehen. Mädchen und Frauen sollen mithilfe der Psychomotorik dabei unterstützt werden, ein positives Körperselbstbild zu entwickeln, ihr Selbstvertrauen zu stärken und mehr Lebensfreude zu erfahren. Das Buch richtet sich vorwiegend an LehrerInnen und ÜbungsleiterInnen, die in der Bewegungsarbeit mit Mädchen und Frauen tätig sind. Es enthält jedoch auch Übungen, die allein durchgeführt werden können und lädt damit alle interessierten Personen zum Mitmachen und Ausprobieren ein. Katharina Tobisch DOI 10.2378/ mot2024.art39d Grundlagenseminar Psychomotorik Ab Oktober 2024, 8 Wochenendseminare in Bonn Spielraum für Bewegung - Psychomotorik in der KiTa Einführung, 25. / 26.10.2024, Biberach / Riß Information und Anmeldung: ZAPPA • Professor-Neu-Allee 6 • 53225 Bonn Fon 0228 - 479 76 13 • info@zappa-bonn.de www.zappa-bonn.de Zentrum für Aus- und Fortbildung in Psychomotorischer Praxis Aucouturier - anzeige -
