motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2024
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Bericht zur Sommertagung der Wissenschaftlichen Vereinigung für Psychomotorik und Motologie e.V. (WVPM)
11
2024
Sina Allkemper
Ulf Henrik Göhle
Auch die AkteurInnen in Psychomotorik und Motologie beschäftigen sich mit der Frage, welchen Einfluss künstliche Intelligenz (KI) auf unser Fach haben kann. Welche Chancen, aber auch welche Risiken bergen die Systeme, die derzeit an vielen Orten die Diskussion beherrschen?
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[ 49 ] Aktuelles / Kurz berichtet 1 | 2024 Berichte Bericht zur Sommertagung der Wissenschaftlichen Vereinigung für Psychomotorik und Motologie e. V. (WVPM) mit dem Thema: »Mensch(enbild)-Technik« Psychomotorik und Motologie im Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen Auch die AkteurInnen in Psychomotorik und Motologie beschäftigen sich mit der Frage, welchen Einfluss künstliche Intelligenz (KI) auf unser Fach haben kann. Welche Chancen, aber auch welche Risiken bergen die Systeme, die derzeit an vielen Orten die Diskussion beherrschen? Im Rahmen der WVPM-Sommertagung am 07. Juli 2023, die sich schwerpunktmäßig mit Leiblichkeit und Bewegung vor dem Hintergrund von Digitalität und neuen technischen Entwicklungen im gesellschaftlichen Kontext befasste, kam auch das vieldiskutierte KI-Tool ChatGPT zum Einsatz. Nicht nur, dass es aus dem Tagungsthema zum Schmunzeln aller einen Begrüßungstext generierte, dem im Anschluss über eine von Sina Allkemper angeleitete Bewegungserfahrung leiblich nachgespürt wurde. Auch im weiteren Tagungsverlauf spielte künstliche Intelligenz eine teils beeindruckende, beängstigende und teils nachdenklich machende Rolle. Am Ende der Tagung hat der fünfköpfige Vorstand rund um Prof. Dr. Ulf Henrik Göhle, Prof. Dr. Martin Vetter, Dr. Thorsten Späker und Motologin M.A. Sina Allkemper (Motologin M.A. Nicole Borsutzky war leider verhindert) Fragen und Interessen der Teilnehmenden im Hinblick auf die Gestaltung zukünftiger motologisch-psychomotorischer Fragestellungen gesammelt. Diese Ergebnissicherung belief sich auf 47 von den Teilnehmenden verschriftlichten Fragen, welche dann erneut der KI ChatGPT zugeführt und verdichtet wurden. Die hier aufgezählten, aus unseren Fragen generierten Visionen und Fragestellungen stammen also aus der Feder der künstlichen Intelligenz! ■ Wie können quantitative Korrelate von Leiblichkeit präzise erfasst und interpretiert werden, um ein tieferes Verständnis der Beziehung zwischen Körper und Bewegung zu ermöglichen? ■ In welcher Weise kann eine verkörperte Gesellschaft tatsächlich umgesetzt werden? Welche konkreten Schritte sind erforderlich, um eine harmonische Verbindung zwischen Mensch, Technologie und Umwelt zu schaffen? ■ Welche Ansätze und Strategien können dazu beitragen, die Motologie noch stärker in den feministischen Diskurs einzubinden und Geschlechterfragen auf innovative Weise zu behandeln? ■ Wo wird sich die Motologie in den kommenden 10 Jahren positionieren? Welche Rolle wird sie in einer sich rapide verändernden Welt spielen und wie kann sie sich auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten? ■ Wie kann die Schnittstelle zwischen Motologie und Künstlicher Intelligenz gestaltet werden, um eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Menschen und Technologie zu fördern? ■ Kann die Mensch-Technik-Grenze in einer Weise (neu) definiert werden? Welche Folgen hat dies für den fachimmanenten Subjekt-Begriff? Kann die Mensch-Technik-Grenze noch lustvoll sein? ■ Welche Schritte sind erforderlich, um den wissenschaftlichen Dialog in der Motologie zu intensivieren und die Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Praktizierenden und der breiteren Gesellschaft zu stärken? ■ Inwieweit kann der Bildungsbegriff der Psychomotorik kritisch hinterfragt und in einer Arbeitsgruppe diskutiert werden, um neue Perspektiven zu eröffnen? ■ Wie kann die Akademisierung in der Motologie so gestaltet werden, dass sie einer breiteren Palette von Menschen zugänglich ist, ohne den Kern der Disziplin zu verwässern? Mit Hilfe von ChatGPT Version 3.5 (August 2023) generiert. Diese »Visionen der KI zu Motologie und Psychomotorik« wurden durch zwei Hauptvorträge und drei anschließende Workshops angeregt, die wichtige Anhaltspunkte für aktuelle motologisch-psychomotorische Perspektiven lieferten: Prof.in Dr. Bettina Wuttig sensibilisierte in ihrem Vortrag »Mensch-Technik-Grenze(n) in Bewegung« für ein gesellschaftliches Unbehagen mit Blick auf die Verschiebung der Mensch-Technik-Grenze. Ihre Analysen lieferten die für den Fachdiskurs wichtige Erkenntnis, dass die Vermehrung von Handlungsmöglichkeiten durch die Verschiebung der Mensch-Technik-Grenze gerade nicht zu mehr, sondern weniger Handlungsfreiheit führt. Anhand [ 50 ] 1 | 2024 Aktuelles / Kurz berichtet qualitativer Interviews vor dem Hintergrund von ihren »critical military studies« beleuchtete sie wesentliche Entwicklungen in den Neurotechnologien (KI-Gehirn-Interfaces) und deren Auswirkungen auf Leib und Körperschema. Sie warf die schwerwiegende Frage auf, ob die Subjekthaftigkeit des Menschen in diesen Zeiten neu gedacht werden müsse und skizzierte für die Motologie ein Szenario des Skeptizismus gegenüber diesen Entwicklungen. Prof. Dr. Ulrich Theobald warf im Anschluss Schlaglichter auf die Wechselwirkungen von Digitalität und Teilhabe in seinem Vortrag »Digitalität und körperlich-motorische Heterogenität«. Er zeigte Chancen auf, um Menschen mit verschiedenen körperlichen Möglichkeiten leibliche Wahrnehmungskompetenz zu eröffnen und welche Gelegenheiten digitale Technologien in der Reflexion von Bewegung bieten können. Anhand verschiedener Beispiele beleuchtete er Praxisbezüge, in denen sich Digitalität und Bewegung begegnen, etwa in den Bereichen des Exergamings und verschiedenen Bewegungsangeboten mit Wearables. In den jeweils anschließenden regen Diskussionen ging es um verschiedene Fragen der An- und Abgrenzung der Motologie und Psychomotorik, der Wahrung unserer Fachspezifik und gleichzeitigen Mitgestaltung der Zukunft, ohne durch übertriebene Technikkritik zu sehr an Altem festzuhalten. Unter anderem wurde angemerkt, wie anschlussfähig die Erkenntnisse aus Prof.in Dr. Bettina Wuttigs Forschung an die neuen Gesundheitsmodelle, wie das »Vier-Zonen-Modell« (Göhle 2019) im Fachdiskurs, sind. Am Nachmittag wurden dann in drei Workshop-Angeboten verschiedene Themen vertieft und bewegt erlebt: Ellen Thuma führte ein in »Identifizierungsprozesse in virtuellen Räumen« und arbeitete methodisch spannend mit den Teilnehmenden, indem sie Körperteile über einen Lichtfokus hervorhob und so eine Reichweite bestimmter Aspekte einer Person erzeugte, was es ermöglichte, die Selbstinszenierung im digitalen Raum auf geschützte Weise reflektieren zu können. Dr.in Andrea Kurth und Dr.in Anne Rischke führten in ihrem Workshop »Psychomotorik und Sportpädagogik: Neben- oder Miteinander! ? « den im Januar online angestoßenen Dialog zwischen den Disziplinen fort, indem sie die historisch inhaltlichen Parallelen analysierten. Julieta Jacobi und Mara Richter (für den Arbeitskreis Feminismus und Motologie des Berufsverbandes der Motologie e. V.) führten in »Pleasurable Movements« ein, die feministische Bewegungsangebote und widerständige Perspektiven für die Motologie nahebrachten und die Bedeutung von Sprache gekonnt in Szene setzten. Abschließend wurden Berichte zu den einzelnen Workshops geteilt und es gab die bereits oben erwähnte Sammlung von Fragen und Anregungen an das Fach und den Diskurs, die auf die zukünftige Gestaltung der Tagungen und des Fachdiskurses gerichtet sind. Insgesamt scheint es nicht vermessen, von einer neuen Energie zu sprechen, die durch das Treffen in Präsenz und das gemütliche Zusammenkommen am Vorabend noch abgerundet wurden. Die nächste Tagung findet dann wieder im üblichen Rhythmus im Januar 2024 statt-- mit Vorstandswahlen! Sina Allkemper, Ulf Henrik Göhle • Psychomotorische Praxis und ICF • Widersprüche und Einsprüche • Partizipation und Teilhabe • ICF in der Motopädieweiterbildung Vorschau auf die nächsten Hefte Das Jahresinhaltsverzeichnis 2023 der motorik finden Sie in unserem Online-Archiv unter https: / / reinhardtjournals.de/ index.php/ mot/ issue/ archive
