eJournals Motorik 48/2

Motorik
7
0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2025.art12d
41
2025
482

Forum Psychomotorik: Raum für Demokratie

41
2025
Nicola Böcker-Giannini
Mit Blick auf aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen ist die Diskussion um Demokratiebildung und -förderung in der frühkindlichen Bildung neu entfacht. Vor diesem Hintergrund diskutiert der vorliegende Artikel die Frage, inwieweit über die Gestaltung von Räumen in der Kita ein Beitrag zur Demokratiebildung geleistet werden kann. Dabei werden Demokratieerfahrungen im institutionellen Kontext auf einer alltagspartizipatorischen, einer formalpartizipatorischen sowie einer Handlungs- und Werteebene in Bezug zur Raumgestaltung beschrieben und mit Prinzipien der psychomotorischen Entwicklungsförderung abgeglichen.
7_048_2025_2_0003
Zusammenfassung / Abstract Mit Blick auf aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen ist die Diskussion um Demokratiebildung und -förderung in der frühkindlichen Bildung neu entfacht. Vor diesem Hintergrund diskutiert der vorliegende Artikel die Frage, inwieweit über die Gestaltung von Räumen in der Kita ein Beitrag zur Demokratiebildung geleistet werden kann. Dabei werden Demokratieerfahrungen im institutionellen Kontext auf einer alltagspartizipatorischen, einer formalpartizipatorischen sowie einer Handlungs- und Werteebene in Bezug zur Raumgestaltung beschrieben und mit Prinzipien der psychomotorischen Entwicklungsförderung abgeglichen. Schlüsselbegriffe: Raumgestaltung, Demokratiebildung, Kita, Kindergarten, Selbstwirksamkeit, emotionale Sicherheit Space for democracy-- Designing kitas under psychomotor aspects as democracy-building settings In view of current socio-political developments, the discussion about democracy education and promotion in early childhood education has been reignited. Against this backdrop, this article discusses the extent to which the design of interior in daycare centers can contribute to democracy education. Experiences of democracy in an institutional context are described on an everyday participatory level, a formal participatory level as well as an action and value level in relation to room design and compared with principles of psychomotor development promotion. Keywords: interior design, democracy education nursery, kindergarten, self-efficacy, emotional security [ 56 ] 2 | 2025 motorik, 48. Jg., 56-61, DOI 10.2378 / mot2025.art12d © Ernst Reinhardt Verlag [ FORUM PSYCHOMOTORIK ] Raum für Demokratie Kitaräume unter psychomotorischen Aspekten als demokratiebildende Settings gestalten Nicola Böcker-Giannini gen ist« (ebd.). Doch was macht eine Demokratie aus? »Die Demokratie ist mehr als eine Regierungsform: sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrungen« (Dewey 1964, 121). Sie ist somit, wie van Rahden schreibt, eine »Lebensform« (2019, 10). Demokratie muss deshalb immer wieder neu von Generation zu Generation erlernt und verhandelt werden (BMFSFJ 2020, 7). Kein Wunder also, dass Demokratiebildung hoch im Kurs bildungspolitischer Debatten steht. »Als Kind erfahren wir das erste Mal, was es bedeutet, regiert zu werden« (Wehling in Otto 2020) Von Beginn unseres Lebens an sammeln wir im Elternhaus, in Kita und Schule erste Erfahrungen damit, wie unser Zusammenleben funktioniert. Im besten Fall erleben wir starke Bindungen zu unseren Bezugspersonen und einen Umgang miteinander, der demokratische Normen und Werte unserer Gesellschaft erlebbar macht und uns als handelnde Subjekte betrachtet. Als »Motor der Entwicklung« bezeichnet Renz-Polster »das Bedürfnis nach emotionaler Sicherheit« die »im Kontext bedeutsamer Beziehungen« entsteht (2020, 108 f ). Fehlt die innere Sicherheit, weil Kinder ihre Entwicklungsbedürfnisse nicht erfüllen können, müssen »Menschen auch als Erwachsene die Flucht in autoritäre Abhängigkeit antreten« (Renz-Polster 2020, 109). Was Unsere Demokratie steht unter Druck- - in Deutschland, in Europa und auch in den USA. Das zeigen nicht nur die aktuellen Wahlergebnisse. Das zeigt auch die Forschung, wenn bspw. Schäfer und Zürn eine »reverse wave« (2021, 36) beschreiben, indem sie feststellen, dass »[…] die Anzahl der Demokratien sogar zurückgegan- [ 57 ] Böcker-Giannini • Raum für Demokratie 2 | 2025 Kinder also verletzlich und am Ende Erwachsene anfällig für autoritäre Systeme machen könnte, »ist die fehlende sichernde Selbsterfahrung« (Renz-Polster 2020, 109 f ). Damit Demokratielernen gelingen kann, müssen Kinder auch in Kita und Schule entsprechende Erfahrungen sammeln. Dabei wird »Demokratiebildung in der Mehrheit verstanden als Bildung ›durch Demokratieerfahrung‹ und nur selten verknüpft mit dem Erlernen von explizitem Wissen zu Demokratie« (Durand 2023, 94). Beides ist jedoch Voraussetzung, um am Ende zur »Herausbildung von aktiven, verantwortungsbewussten und mündigen demokratischen Subjekten beizutragen« (Birnbacher et al. 2023, 274). Demokratieerfahrung läuft im institutionellen Kontext auf drei Ebenen ab. Beschrieben werden eine »alltagspartizipatorische Ebene«, die Interaktionen von Fachkräften und Kindern im Alltagsgeschehen umfasst, eine »formalpartizipatorische Ebene«, in der sich strukturierte Angebote wie Kitakonferenzen finden, sowie eine »Handlungs- und Werteebene« (Durand 2023, 60 f ), die die Einrichtungskultur bilden. Welche ersten Erfahrungen Kinder mit demokratischen Strukturen und damit dem »Regiert werden« machen, hängt also von ihrem Elternhaus und ihren Erfahrungen in Kita und Schule ab. Damit diese Erfahrungen positive sind, braucht es einen Rahmen, in dem Kinder sicher gebunden und selbsttätig Erfahrungen sammeln können. In der Psychomotorik wird dieser Rahmen bspw. in den von Keßel (2014) beschriebenen »Prinzipien psychomotorischer Entwicklungsförderung« dargestellt. »Basierend auf den Prinzipen ›Echtheit und Wertschätzung‹ sowie ›Dialog und Begleitung‹, die die Beziehung zwischen Kind und Fachkraft im Fokus haben, beschreibt er dabei weitere Prinzipien, die auch unter dem Gesichtspunkt einer sinnvollen Raumgestaltung relevant sein können« (Böcker-Giannini 2021, 16). Raumgestaltung-- eine Frage der Haltung Damit Kinder Demokratie lernen können, braucht es auf der ›Handlungs- und Werteebene‹ eine demokratiebildende Einrichtungskultur, die »Orientierung für den generellen Umgang der Beteiligten miteinander« bietet (Durand 2023, 60 f ) und sich bspw. aus Kompetenzen (Council of Europe 2018, 8 ff ) ableitet, die grundlegend für eine demokratische Kultur sind. Eine wichtige Rolle spielt die Haltung der Fachkräfte. Bringen sie eine Grundhaltung mit, die auf Vertrauen, Verbundenheit und Ermächtigung ausgelegt ist und das humanistische Menschenbild sowie ein Bild vom Kind als ein sich selbst organisierender Organismus (Hüther 2016, 78 ff ) als Ausgangsbasis haben, dann werden Kinder als kompetent, eigenaktiv und einzigartige Wesen betrachtet, die selbsttätig und damit selbstwirksam sind. Ein entsprechendes Bild vom Kind findet sich auch in der Psychomotorik wieder und wird von Keßel (2014) im Prinzip »Dialog und Begleitung« (24) beschrieben. So sollen Fachkräfte als achtsame Entwicklungsbegleiter: innen agieren, die Kinder bspw. durch die Gestaltung der Räume einladen, Erfahrungen zu sammeln, an denen sie wachsen und durch die sie lernen können. Das psychomotorische Prinzip der Handlungsorientierung beschreibt dabei, dass sich Kinder als Verursacher ihrer Handlungen und damit als selbstwirksam erleben (Keßel 2014, 25). Beides Grundvoraussetzung demokratischen Handelns, die den Ausgangspunkt dafür bilden, dass sich Menschen später aktiv in die Gestaltung der Gesellschaft einbringen, sich für ihre Interessen einsetzen und Verantwortung übernehmen. Garant dafür, dass Demokratielernen gelingen kann, ist jedoch weder die Fachkraft noch der Inhalt pädagogischer Arbeit allein. Entscheidend ist vielmehr »die Kongruenz von Inhalt (demokratische Teilhabe) und Form (Art und Weise der strukturellen Rahmung und Interaktionsgestaltung)« (Durand 2023, 94) demokratiebildender Settings. So ist auch der Raum, in dem sich Kinder aufhalten und der Ansatz, nach dem in der Kita gearbeitet wird, mitentscheidend dafür, ob und wie Partizipation erlebbar wird. So können sich Kinder ihre Spiel- und Lernanlässe in der ›gruppenbezogenen Arbeit‹ nur in begrenztem Umfang selbst suchen. Sie sind in ihrer Raumnutzung, ihrer Bewegung, ihrer Kreativität und damit auch in ihren Partizipationsmöglichkeiten begrenzt (Böcker-Giannini 2021, 17). Anders sieht es aus, wenn nach einem ›halboffenen‹ Konzept [ 58 ] 2 | 2025 Forum Psychomotorik gearbeitet wird. Hier stehen Kindern bspw. zu vorgegebenen Zeiten mehrere Schwerpunktbereiche (Bauen, Bewegung etc.) in mehreren Räumen zur Verfügung und ermöglichen es ihnen, ihren Bedürfnissen gemäß selbsttätig zu handeln. In der offenen Arbeit (Lill 2015) erhalten Kinder in größtmöglichem Umfang die Chance, selbst zu entscheiden, welchen Raum und welches Material sie mit welchen Spielpartner: innen wann für ihr Spiel nutzen wollen. Die psychomotorischen Prinzipien der »Freiwilligkeit« und der »Handlungsorientierung« (Keßel 2014, 25) spiegeln sich hier wider. »Der Ansatz der Offenen Arbeit unterstützt auch das von Keßel benannte Prinzip der ›Kommunikationsorientierung‹ (2014, 26). Nur dort, wo Kinder in offenen Angeboten selbstbestimmt agieren können, steht ihnen Raum für ›selbstgesteuerte und authentische Kommunikation‹ zur Verfügung (Keßel 2014, 26)« (Böcker- Giannini 2021, 16). In der Frage, wie und durch wen Räume gestaltet werden, wird jedoch ein immanenter Zielkonflikt deutlich. Denn es braucht einerseits gezielt gestaltete Räume, die Kindern demokratiebildende Erfahrungen ermöglichen. Es braucht jedoch andererseits auch Mitbestimmung durch Kinder in der Frage, wie diese Räume gestaltet werden sollen. Räume gestalten-- Mitbestimmung ermöglichen Um den Zielkonflikt aufzulösen, bieten sich Mitbestimmungsmöglichkeiten auf der formalpartizipatorischen Ebene an. Dabei gilt es, getreu dem psychomotorischen Prinzip der »Echtheit und Wertschätzung« (Keßel 2014, 24), Kinder in einem echten Dialog vertrauensvoll zu beteiligen und echte Partizipation statt Scheinpartizipation zu ermöglichen. Dabei muss das Angebot authentisch und ernst gemeint sein. Die Umsetzung in der Praxis kann gelingen, indem Fachkräfte mit Kindern darüber, wie ihre Räume gestaltet sein sollten, diskutieren. Eine Abstimmung kann über formalisierte Gremien wie bspw. einer Kitakonferenz erfolgen. Geben Fachkräfte dabei keinen Lösungsweg vor, so handeln sie nach dem psychomotorischen Prinzip der »Prozessorientierung« (Keßel 2014, 26) und ermöglichen es Kindern eigene, kreative Lösungen für ihre Bedürfnisse zu entwickeln. Werden die Vorschläge der Kinder umgesetzt, so erleben sie, was es heißt, selbst wirksam zu sein. Ihre Handlungen haben Folgen, die sich im Ergebnis ablesen lassen und so Demokratie im Kitaalltag erlebbar machen. Im Verlauf der Diskussion lernen Kinder außerdem, ihre Meinung zu vertreten und andere Meinungen auszuhalten. Sie tauschen Argumente aus und lernen, dass Bezugspersonen anders handeln und argumentieren als gewünscht. Die Fähigkeit, vieldeutige Situationen und widersprüchliche Meinungen sowohl zu erkennen als auch auszuhalten und trotzdem wohlwollend zu bleiben (BMFSFJ 2021), nennt man Ambiguitätstoleranz. Eine grundlegende Kompetenz demokratischer Kultur, die eine sichere Bindung voraussetzt. Auch auf der alltagspartizipatorischen Ebene bietet Raumgestaltung eine Grundlage für frühkindliche Demokratiebildung, indem Räume neben Selbstwirksamkeitserfahrungen auch das Erleben von Werten, Einstellungen und Fähigkeiten wie bspw. Verantwortung, Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit, selbstständige Lernkompetenzen und Konfliktlösungskompetenzen fördern (Council of Europe 2018, 8 ff ). Selbstorganisiertes, intuitives Lernen, wie es die Psychomotorik bietet, ist entscheidend dafür, wie sich Kinder später in der Welt zurechtfinden. Im Spiel können sie schon früh Erkenntnisse über ihre Umwelt sammeln, kooperative Erfahrungen machen, Regeln lernen sowie Konflikte bewältigen. Allesamt Fertigkeiten, die notwendig sind, um Demokratie zu leben. Raumgestaltung-- Ausgangspunkt für selbsttätiges Spiel Damit Kinder in ihren Räumen Erfahrungen selbsttätig sammeln können, sollten diese so Bei der Gestaltung von Kitaräumen braucht es echte Partizipation statt Scheinpartizipation. [ 59 ] [ 59 ] Böcker-Giannini • Raum für Demokratie 2 | 2025 eingerichtet sein, dass sie Bereiche bieten, die für Kinder auch allein und damit ohne direkte Begleitung durch Erwachsene nutzbar sind. Getreu der psychomotorischen Prinzipien der »Entwicklungsorientierung« und »Strukturierung« (Keßel 2014, 25 f ) braucht es klar definierte und reizminimierte Spielbereiche sowie im Raum klar erkennbare Regeln, die Orientierung und Sicherheit geben und ohne Zutun der Fachkräfte funktionieren. So kann bspw. ein Ampelsystem eingeführt werden, das auf den Möbeln aufgeklebt, den Kindern anzeigt, welche darin befindlichen Materialien sie allein (grüner Punkt), nach Rücksprache mit der Fachkraft (gelber Punkt) oder nur in Begleitung (roter Punkt) nutzen dürfen (Böcker-Giannini 2021, 19). Partizipativ erarbeitete Gruppen- und Raumregeln können darüber hinaus über ein durch Kinder gestaltetes und in Kinderhöhe angebrachtes Plakat alle Nutzer: innen an die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen erinnern und helfen, eigenständig Konflikte zu lösen. Die Möblierung des Raumes sollte durch bewegliches Mobiliar wie bspw. Podeste und Tische mit Rollen so flexibel sein, dass Kinder ihren Raum nach ihren Bedürfnissen und Vorstellungen getreu dem psychomotorischen Prinzip der »Handlungsorientierung« selbst (um-) gestalten und ihren Erfahrungs- und Lernraum damit eigenständig erweitern können. Dazu braucht es Möbel und Materialien, die für Kinder, wie im psychomotorischen Prinzip der »Erlebnisorientierung« beschrieben, »erlebnisreiche und spannende Spielhandlungen« (Keßel 2014, 25) und damit unterschiedliche Herausforderungen bieten. So kann eine Leiter im Baubereich, die dazu einlädt, Bauwerke in die Höhe zu bauen, das Vertrauen in sich selbst und die eigene Handlungsfähigkeit fördern. Auch das Angebot einer Bewegungsbaustelle bietet Kindern die Möglichkeit, im Spiel mit großen Holzkisten, Brettern und weiteren flexiblen Materialien, ihre Bewegungsgelegenheiten selbst zu gestalten und dabei Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Damit Räume zu selbstorganisiertem und intuitivem Lernen anregen, sollte das Spielmaterial für Kinder ohne Hilfe von außen erreichbar und attraktiv gestaltet sein, nicht reizüberfordernd wirken und anregend präsentiert werden. Attraktiv ist Material immer dann, wenn es in seiner Funktion nicht vordefiniert ist. Kinder haben so die Möglichkeit, ihre Fantasie zu nutzen und das Material für unterschiedliche Spielsituationen selbstständig einzusetzen. Natur-, Alltags- und Wertlosmaterial wie bspw. Kartons, Kastanien und Wäscheklammern erfüllen diese Eigenschaften. »Sie setzen am Entwicklungsstand sowie an den Stärken der Kinder an und erfüllen u. a. die Kriterien der psychomotorischen Prinzipien der ›Entwicklungs-‹, ›Kind-‹, ›Ressourcen-‹ und ›Handlungsorientierung‹ (Keßel 2014)« (Böcker-Giannini 2021, 18). Auch reale Gegenstände, deren Gebrauch im normalen Leben oftmals nicht gestattet ist, wie eine Säge im Werkbereich oder das Porzellangeschirr im Puppenspielbereich, können für Kinder ein herausforderndes (Spiel-)Material darstellen, welches immer dann ausgewechselt werden sollte, wenn es an Attraktivität verliert. Dabei gilt der Grundsatz »weniger ist mehr, aber davon reichlich«. So benötigen Kinder im Baubereich bspw. eine Fülle identischer Bausteine, um große Bauwerke zu schaffen. Im Lesebereich ist jedoch eine Auswahl weniger Bücher sinnvoll, die die Aufmerksamkeit der Kinder fesseln und Fachkräften die Möglichkeit bieten, gezielte Anreize für das Spiel der Kinder zu setzen. Ein so ausgestatteter Raum ermöglicht Demokratiebildung, indem er die Fantasie anregt, freies Spiel ermöglicht, Kooperation fördert und zur Kommunikation einlädt. Räume gestalten-- Kommunikationsanlässe schaffen Da Demokratie von Dialog, Austausch, Zuhören können, Verständnis füreinander und Kompromissen lebt, benötigen Kinder frühzeitig offene Angebote, die entsprechende Erfahrungen ermöglichen. Dies findet sich in der Psychomo- Räume müssen Fantasie anregen, freies Spiel ermöglichen, Kooperation fördern und zur Kommunikation einladen. [ 60 ] 2 | 2025 Forum Psychomotorik torik auch im Prinzip der »Kommunikationsorientierung« (Keßel 2014, 26) wieder. In der Kita braucht es Räume, die durch ihre Gestaltung zu verbaler und nonverbaler Kommunikation anregen. Dies kann ergänzend zum Material und der Möblierung auch durch eine sinnvolle Wandgestaltung gelingen, bei der bspw. durch gerahmte Bilder im Baubereich, die von Kindern gebaute Werke abbilden, Kinder beim Bauen zeigen oder reale Bauwerke abdrucken, Sprachanlässe geschaffen werden. Auch Bücher, die thematisch zum jeweiligen Bereich passen wie bspw. ein Buch über die größten Bauwerke der Erde und dazu passendes Zusatzmaterial wie Helme, Zollstöcke und eine Wasserwaage regen Kinder zum Dialog an. Idealerweise liegt der Auswahl der Themen, mit denen sich Kinder in den Räumen beschäftigen, ein partizipativer Prozess zu Grunde. Fazit In unserer globalisierten Welt, in der Kindheit immer mehr unter ökonomischen Druck gerät, gehen Kinder schon im Krippenalter sechs bis acht Stunden in die Kita. Ein Fulltimejob, der klarmacht, dass Qualität in den Einrichtungen und damit auch die Gestaltung der Kitaräume Einfluss darauf nehmen, wie Kinder sich entwickeln und wie sie Normen und Werte der Demokratie verinnerlichen können. Bieten Räume einen sicheren Ausgangspunkt für Kinder, so können sie von dort aus ihre Welt selbsttätig und im Dialog mit sich selbst und ihren Spielpartner: innen ganz im Sinne der Psychomotorik entdecken und dabei erste Erfahrungen in einem demokratiebildenden Setting sammeln. Dazu braucht es Material und Möbel, die ihnen die notwendigen Herausforderungen bieten. Und es braucht Fachkräfte, die sichere Bindungspersonen sind und Kinder als eigenaktive und einzigartige Wesen betrachten, die selbsttätig und damit selbstwirksam sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so können Kinder im System Kita ihren Halt verlieren, auch weil sichere Bindungen an Bezugspersonen ebenso wie ein an den Bedürfnissen der Kinder orientierter Alltag nicht möglich sind. Gestresste Kindheiten sind vorprogrammiert. Keine guten Bedingungen, um als Individuen gestärkt ins demokratische Leben hinauszugehen. Literatur Birnbacher, L., Durand, J., Költsch, A., Mielke, P., Spielhaus, R., Stadler, K. (2023): Bildung und Demokratie in Kita und Schule: Institutionelle Besonderheiten-- Potenziale und Herausforderungen-- zentrale Bedarfe. In: Birnbacher, L., Durand, J., Költsch, A., Mielke, P., Spielhaus, R., Stadler, K. (Hrsg.): Bildung und Demokratie. Empirische Perspektiven auf Kita und Schule. Beltz Juventa, Weinheim/ Basel, 263-275 Böcker-Giannini, N. (2021): Räume wirken. Wie Bildungsräume im Kindergarten zum selbstorganisierten Spielen und Lernen einladen. motorik 44 (1), 15-20, https: / / doi.org/ 10.2378/ mot2021.art04d BMFSFJ. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020): 16. Kinder- und Jugendbericht. Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter, Drucksache 19 / 24200, Publikationsversand der Bundesregierung, Rostock, In: https: / / www.bmfsfj.de/ resource/ blob/ 162232/ 27ac76c3f5ca10b0e914700ee54060b2/ 16-kinderund-jugendbericht-bundestagsdrucksache-data. pdf, 20.12.2024 BMFSFJ. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2021): Demokratie braucht Euch! Wie Pädagoginnen und Pädagogen Demokratie aktiv gestalten. Publikationsversand der Bundesregierung, Rostock, In: https: / / www.bmfsfj. de/ resource/ blob/ 189748/ 45a4ba6574fc3e34673 3faf9532e4924/ demokratie-braucht-euch-wie-paedagoginnen-und-paedagogen-demokratie-aktivgestalten-data.pdf, 20.12.2024 Council of Europe / Europarat (2018): Kompetenzen für eine demokratische Kultur. Gleichberechtigtes Zusammenleben in kulturell unterschiedlichen demokratischen Gesellschaften. In: https: / / rm.coe. int/ prems-000818-deu-2508-competences-fordemocratic-culture-8556-couv-tex/ 168078e34e, 20.12.2024 Durand, J. (2023): Demokratiebildung in der Kita. In: Birnbacher, L., Durand, J., Költsch, A., Mielke, P., Spielhaus, R., Stadler, K. (Hrsg.): Bildung und Demokratie. Empirische Perspektiven auf Kita und Schule. Beltz Juventa, Weinheim / Basel, 36-136 Dewey, J. (1964): Demokratie und Erziehung. Westermann, Braunschweig Hüther, G. (2016): Mit Freude lernen ein Leben lang. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, https: / / doi. org/ 10.13109/ 9783666701825 Keßel, P. (2014): Prinzipien psychomotorischer Entwicklungsforderung. Überlegungen für die fachschulische Erzieherausbildung. motorik 37 (1), 23- 27, https: / / doi.org/ 10.2378/ mot2014.art05d Lill, G. (2015): Offene Arbeit-- ein inklusives und partizipatives Konzept. In: https: / / www.erzieherin.de/ offene-arbeit-ein-inklusives-und-partizipativeskonzept.html, 20.12.2024 [ 61 ] [ 61 ] Böcker-Giannini • Raum für Demokratie 2 | 2025 Otto, A. (07.12.2020): Wie Erziehung die politische Einstellung unserer Kinder prägt. Spiegel Wissen 4 / 2020, In: https: / / www.spiegel.de/ familie/ wie-erziehung-die-politische-einstellung-unsererkinder-praegt-a-00000000-0002-0001-0000-000 173732128, 20.12.2024 Renz-Polster, H. (2020): Erziehung prägt Gesinnung. Wie der weltweite Rechtsruck entstehen konnte- - und wie wir ihn aufhalten können. Kösel Verlag, München Schäfer, A., Zürn, M. (2021): Die demokratische Regression. Suhrkamp, Berlin van Rahden, T. (2019): Demokratie-- Eine gefährdete Lebensform. Campus Verlag, Frankfurt/ New York Die Schriftleitung und der Verlag freuen sich über Ihr Feedback zu diesem Artikel unter journals@reinhardt-verlag.de Die Autorin Dr. Nicola Böcker-Giannini Führungskräftecoach, Strategieberaterin für Projekte mit Schwerpunkt Bildung / Bewegung / Sport, Moderatorin, Staatssekretärin a. D. Kontakt Luisenweg 12 13407 Berlin www.boecker-giannini.de nicola@boecker-giannini.de Mit Online-Zusatzmaterial. 2021. 117 Seiten. 2 Abb. 3 Tab. (978-3-497-03020-0) kt Keine Meilensteine mehr verpassen Um motorische Fähigkeiten altersgerecht entwickeln zu können, brauchen Kinder Bewegungsgelegenheiten, räumliche Gegebenheiten, um sich sicher auszuprobieren und Anregungen durch pädagogische Fachkräfte. Dieses Praxishandbuch der „Überall“-Reihe vermittelt die theoretischen Grundlagen der alltagsintegrierten Bewegungsförderung praxisnah und illustriert die konkrete Umsetzung anhand von zahlreichen Spielen und Ideen zur bewegungsförderlichen Gestaltung von Alltagssituationen. a w