eJournals körper tanz bewegung2/3

körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Aktuell aus der Forschung: Tanz- und Bewegungstherapie mit Kindern

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Iris Bräuninger
Dieser Beitrag stellt drei Interventionsstudien und eine bewegungsanalytische Studie zu Tanz- und Bewegungstherapie mit Kindern vor.
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139 körper - tanz - bewegung 2. Jg., S. 139-141 (2014) © Ernst Reinhardt Verlag Aktuelles Aktuell aus der Forschung: Tanz- und Bewegungstherapie mit Kindern Iris Bräuninger D ieser Beitrag stellt drei Interventionsstudien und eine bewegungsanalytische Studie zu Tanz- und Bewegungstherapie mit Kindern vor. Einfluss der Teilnahme von Müttern in Gruppenbewegungstherapie: Eine randomisierte Kontrollstudie Die Studie (Regev et al. 2012) untersuchte den Einfluss der Teilnahme von Müttern in einer Kinderbewegungstherapie-Gruppe. An der Studie nahmen 26 Kinder (17 Jungen) im Alter zwischen sechs und acht Jahren teil, die unter Verhaltens- oder Bindungsproblemen, Trennungsangst, sozialen Kompetenzschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsdefizit oder schlechtem Selbstbild leiden. Die Kinder wurden der Versuchsgruppe (n = 14) mit Müttern oder der Kontroll-Bewegungstherapiegruppe (n = 12) ohne Mütter zufällig zugeordnet. Während eines Schuljahres fanden 2bis 3-stündige Bewegungssitzungen statt. Nach jeder 2. oder 3. Sitzung wurden die Mütter der Versuchsgruppe ohne Kinder in der Gruppe beraten. Die Intervention umfasste im Ganzen 16-20 Sitzungen in beiden Gruppen und folgte einem vergleichbaren Ablauf. Die Vorher / Nachher-Untersuchung mit standardisierten Erhebungsinstrumenten ergab: 1. Das Verhalten der Kinder verbesserte sich in der Versuchsgruppe mehr als in der Kontrollgruppe. 2. Die Wirksamkeit des elterlichen Funktionierens verbesserte sich in beiden Gruppen (tendenziell höher in der Versuchsgruppe). Und 3. das Selbstbild der Kinder verbesserte sich in beiden Gruppen. Die Teilnahme der Mütter in der Bewegungstherapie-Gruppe wirkte sich positiv auf die kindliche emotionale Entwicklung und das Verhalten aus. Einfluss von Tanz-, Bewegungspsychotherapie auf das Körperbild: Eine qualitative Studie Die qualitative Studie (Grogan et al. 2013) untersuchte den Einfluss einer einzelnen Tanz-, Bewegungspsychotherapie-Stunde auf die Wahrnehmung des Körperbildes von Jugendlichen. Die 17-jährigen Schüler (n = 13, darunter sieben junge Frauen) einer weiterführenden Schule meldeten sich freiwillig zur Teilnahme. Die Intervention bestand aus folgenden Teilen: 1. Anschauen eines 10-minütigen Body Image Dance Videos, 2. Warm-up und Malen von 2D Body Maps, 3. Körperwahrnehmungsübungen, 4. Bewegungsübungen zum Antriebfaktor Kraft, und 5. „Whole body micro scan“ als Cool Down (Grogan et al. 2013, 17). Die Erfahrungen der Teilnehmenden wurden in Fokusgruppen und individuellen Interviews nach der Sitzung auf Tonband aufgezeichnet und die Daten transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Drei Themen wurden identifiziert: Die Jugendlichen fühlten sich nach der Stunde mit ihrem Körper verbundener. Durch die Tanzgruppe fühlten sie sich freier, sich auszudrücken, fühlten sich weniger peinlich berührt, akzeptierten ihren Körper mehr und orientierten sich weniger an ihrem Erscheinungsbild. Einfluss der Tanz-, Bewegungspsychotherapie auf das traumatische Erleben nach Erdbeben: Eine Vorstudie Die Vorstudie (Lee et al. 2013) untersuchte den Einfluss eines schulbasierten intensiven Tanz-, Bewegungstherapie-Programms für Kinder, die unter erhöhtem Risiko für PTBS stehen. Am zweitägigen Programm (12 h) nahmen 15 Grundschulkinder aus Taiwan zwischen sieben und elf Jahren teil (davon neun Jungen), die ein schweres Erdbeben erlebt hatten. Das prozessorientierte Pro- 140 3 | 2014 Iris Bräuninger gramm basierte auf dem Chace-Ansatz und bestand aus vier Abschnitten: 1. Tag: Eröffnung (3 h), Teilen (3 h). 2. Tag: Lernen, Helfen und Teilen (3 h), Abschluss (3 h). Aus den Erfahrungen schlussfolgerten die Autorinnen, dass sich die psychophysische Freisetzung von Gefühlen positiv auf die Heilung auswirkt. Die Kinder entwickelten im Prozess Todesrituale, die für sie einen symbolischen Weg darstellten, ihre Trauer auszudrücken und zu bearbeiten. Durch das therapeutische Halten wurden Emotionen der traumatisierten Kinder freigesetzt und ihre Körper befreit. Nach der Befreiung ihrer Körper konnten die Kinder Kreativität und Imagination zeigen. Einfluss von Tanz-, Bewegungstherapie auf die Entwicklungsförderung von Kindern mit psychiatrischen Erkrankungen Emck (2014) beschreibt evidenzbasierte, bewegungsspezifische Charakteristiken bei Kindern mit psychiatrischen Diagnosen. Vorstudien bestätigten die Annahme, dass Kinder mit Entwicklungsstörungen oft Probleme im Bewegungsverhalten zeigen. Die Studien konnten nachweisen, dass motorische Eigenschaften wie Ungeschicklichkeit, ungerade Körperhaltung, Hyperaktivität und Tics signifikant häufiger bei Kindern mit emotionalen Störungen (Angst, Depression, Trauma), Verhaltensstörungen (u. a. ADHS) oder Autismus-Spektrum-Störungen (Autismus, Asperger-Syndrom) auftraten als bei gesunden Kindern. Die Kinder unterschieden sich darüber hinaus auch im Vergleich zwischen den drei Gruppen hinsichtlich ihrer Bewegungscharakteristiken, der grobmotorischen Leistungsfähigkeit und körperlichen Fitness. Der Artikel bietet einen diagnosespezifischen Überblick über diese Bewegungscharakteristiken. Tanz-, Bewegungstherapie, so die Autorin, behandle Wechselwirkungen zwischen psychischen Problemen und Bewegungsverhalten und biete entwicklungsfördernde Bewegungs- und Körpererfahrungen. Deshalb sei sie im besonderen Maße für Kinder mit psychiatrischen Symptomen als Standardbehandlung geeignet. Schlussfolgerung Die erste Studie legt nahe, dass die Teilnahme von Eltern in der Gruppenbewegungstherapie einem Setting ohne Eltern überlegen scheint und dass das Setting mit Müttern Verhaltens- und Bindungsprobleme positiv beeinflusst. Die zweite Studie zeigt, dass sich das Körperbild junger Menschen positiv durch Tanz-, Bewegungspsychotherapie beeinflussen lässt und sich ein Angebot im Rahmen des Schulsettings anbietet. Die dritte Studie macht darauf aufmerksam, dass eine kurze intensive tanz-, bewegungstherapeutische Gruppenintervention PTBS-gefährdeten Kindern einen positiven Wandel von chaotischem Verhalten über körperliche Befreiung und emotionalen Ausdruck hin zu Kreativität und Imagination ermöglicht. Die letzte Studie verweist auf das besondere Potential der Tanz-, Bewegungstherapie als Standardbehandlung für Diagnostik und Entwicklungsförderung bei Kindern mit psychiatrischen Symptomen. Literatur Emck, C. (2014): Double trouble? Movement behaviour and psychiatric conditions in children: an opportunity for treatment and development. The Arts in Psychotherapy 41(2), 214-222, http: / / dx.doi. org/ 10.1016/ j.aip.2014.02.007 Grogan, S., Williams, A., Kilgariff, S., Bunce, J., Heyland, J. S., Padilla, T., Woodhouse, C., Cowap, L., Davies, W. (2013): Dance and body image: young people’s experiences of a dance movement psychotherapy session. Qualitative Research in Sport, Exercise and Health (ahead-of-print), 1-17, http: / / dx.doi.org/ 10.1080/ 2159676X.2013.796492 Lee, T. C., Lin, Y. S., Chiang, C. H., Wu, M. H. (2013): Dance / movement therapy for children suffering from earthquake trauma in Taiwan: A preliminary exploration. The Arts in Psychotherapy 40, 151-157, http: / / dx.doi.org/ 10.1016/ j.aip.2012.12.002 Regev, D., Kedem, D., Guttmann, J. (2012): The effects of mothers’ participation in movement therapy on the emotional functioning of their school-age children in Israel. The Arts in Psychotherapy 39, 479-488, http: / / dx.doi.org/ 10.1016/ j. aip.2012.08.003 141 Aus den Vereinigungen körper - tanz - bewegung 2. Jg., S. 141-143 (2014) © Ernst Reinhardt Verlag Die Autorin Dr. Iris Bräuninger Wissenschaftliche Mitarbeiterin Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Dozentin im Masterstudiengang Tanztherapie, Autonome Universität Barcelona, Supervisorin des deutschen und spanischen Berufsverbandes (BTD, ADMTE), Tanztherapeutin (ADTA), Kestenberg Bewegungsanalytikerin, Psychotherapie (ECP). ✉ Dr. Iris Bräuninger Wissenschaftliche Mitarbeiterin Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Direktion Pflege, Therapien und Soziale Arbeit Forschung und Entwicklung Lenggstr. 31 | CH-8032 Zürich Tel. 0041-(0)44 384 2717 oder 0041-(0)77 44 22 676 dancetherapy@mac.com oder iris.braeuninger@puk.zh.ch Selbstfürsorglichkeit soll langfristig zur Stabilisierung beitragen. Die Methode ist als körperpsychotherapeutisches Verfahren seit vielen Jahren im stationären Setting psychosomatischer Kliniken wie im ambulanten Bereich gut etabliert und ihre Wirksamkeit für Therapie und Prävention wissenschaftlich belegt. Die FE findet auch Anwendung in anderen Berufsfeldern: im Rahmen von Pflege, Logopädie, Physiotherapie sowie in Beratung und Pädagogik. Sie stellt eine körperorientierte Kompetenzerweiterung für das jeweilige berufliche Handlungsfeld dar. Die Weiterbildung erfolgt nach einem gestuften Curriculum im Rahmen von Blockveranstaltungen in Gruppen und Einzelarbeit. Sie wird mit einem Zertifikat als „FE-TherapeutIn“, „FE-PädagogIn“ oder „FE-BeraterIn“ abgeschlossen und ermöglicht eine Anwendung der Methode im jeweiligen Grundberuf. Für Psychotherapeuten ist nach dem Zertifikat eine Weiterbildung „FE-KörperpsychotherapeutIn“ möglich. Die Arbeitsgemeinschaft Funktionelle Entspannung (AFE) wurde 1974 in Erlangen gegründet, kann in diesem Jahr also ihren 40. Geburtstag feiern. Die Methode der Funktionelle Entspannung (FE) existierte zu diesem Zeitpunkt bereits seit vielen Jahren; begründet wurde sie von Marianne Fuchs, einer Gymnastiklehrerin in der Tradition der Leibpädagogik, der Tiefenpsychologie und Anthropologischen Medizin. Die zunehmende Verbreitung der FE als körperorientiertes Psychotherapieverfahren machte die Gründung eines Vereins notwendig, der seitdem die Interessen der Funktionellen Entspannung in Bezug auf Weiterbildung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit vertritt. Darüber hinaus stellt die AFE im Rahmen von Tagungen ein Forum für Austausch und Fortbildung ihrer Mitglieder bereit. Die FE versteht sich als dialogisches Verfahren, das Körperempfindungen mit psychischem Erleben und Beziehungserfahrungen verbindet und bewusst macht. Dadurch wird der Selbstbezug gestärkt, das Körperbild und die Selbstregulation verändert, der Zugang zu Gefühlen und Erinnerungen ermöglicht und Beziehungen verbessert. AFE Arbeitsgemeinschaft Funktionelle Entspannung