eJournals körper tanz bewegung 3/1

körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2015
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Editorial

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2015
Ulfried Geuter
Liebe Leserinnen und Leser, in meiner körperpsychotherapeutischen ­Ausbildung hieß es oft, das Wort Aggression komme vom lateinischen aggredi, und das bedeute herangehen. Aggression sei daher die Fähigkeit, etwas von der Welt zu verlangen. Ethymologisch ist das die halbe Wahrheit.
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1 körper-- tanz-- bewegung 3. Jg., S. 1 (2015) DOI 10.2378 / ktb2015.art01d © Ernst Reinhardt Verlag Editorial in meiner körperpsychotherapeutischen Ausbildung hieß es oft, das Wort Aggression komme vom lateinischen aggredi, und das bedeute herangehen. Aggression sei daher die Fähigkeit, etwas von der Welt zu verlangen. Ethymologisch ist das die halbe Wahrheit. Mein Lateinlexikon weist als weitere Bedeutung von aggredi „angreifen“ aus, und zwar „hostes“ oder „navem“, Feinde oder ein Schiff. Beide Bedeutungen beziehen sich auf ein Verhalten. In ihrem Beitrag über die Arbeit mit Aggressionsnarrativen bezeichnen Annette Höhmann-Kost und Frank Siegele Aggression als eine „destruktive Kraft“ und beziehen diese Kraft auf ein „aggressives Verhalten“, das einen anderen beschädigen möchte. Anschaulich zeigen sie, wie man mit körperpsychotherapeutischen Mitteln die Kompetenz fördern kann, aggressive Impulse zu regulieren, und so die Aggressionsbereitschaft verändert. Die Autoren sprechen aber auch vom „Ausdrücken der Aggression“ und benutzen so den Begriff der Aggression für eine Emotion. Die Emotion Wut ist wohl gemeint, wenn sich Körperpsychotherapeuten dafür aussprechen, Wut auszudrücken, um sie zu erleben und im Erleben zu transformieren, zum Beispiel in ein Bedürfnis, das hinter einer Wut steckt. Wenn die Wut beispielsweise einem geliebten Menschen sagt: Ich will von dir nicht so behandelt werden! Die Tänzerin Marian Chace wiederum versuchte, Aggressivität und Unruhe psychotischer Patienten mit den Mitteln des Tanzes zu beruhigen, wie wir aus dem Beitrag von Liebe Leserinnen und Leser, Cigdem Groll in diesem Heft lernen. Hier dient der Tanz der Regulation eines inneren Zustands im Kreis einer Gruppe anderer Menschen. Aggression ist also kein einfaches Thema. Wir können Aggressivität als Verhalten, Gefühl oder Zustand betrachten. Sicher ist sie kein Trieb. Borderline-Patienten sind vielleicht mit einer zu hohen Impulsivität ausgestattet. Aber ihre Wut ist eher eine Reaktion auf schmerzliche Erfahrungen als Kind. Hier hat die Triebtheorie Unklarheiten gestiftet. Die Triebtheorie hat auch lange Zeit zu einem Verständnis psychotherapeutischer Abstinenz verleitet, zeigt Marianne Eberhard- Kaechele in ihrem Beitrag, das sinnvolle therapeutische Berührungen und Interaktionen verhindert hat, statt das Wachstum und die Selbstbestimmung der Patienten zu fördern. Sie können sich in diesem Heft also von verschiedenen Beiträgen anregen lassen nachzudenken. Denn begriffliche Klärung hilft, für unsere PatientInnen das Beste zu tun. Prof. Dr. Ulfried Geuter Mitherausgeber „körper-- tanz-- bewegung“