körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2015.art26d
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Medien & Materialien: Susanne Bender: Systemische Tanztherapie Ernst Reinhardt Verlag, 2014, München, 366 Seiten, 39,90 € (D)
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Andrea Goll-Kopka
Susanne Bender, seit über drei Jahrzenten in der tanztherapeutischen Aus- und Weiterbildung, Therapie und Supervision tätig, langjährige ehemalige Vorsitzende des Berufsverbandes der TanztherapeutInnen Deutschlands, legte 2014 ihr neues Buch Systemische Tanztherapie im Ernst Reinhardt Verlag vor. Sie ist von der Grundausbildung Sonderpädagogin und hat neben ihrer Ausbildung in Tanztherapie auch eine Weiterbildung in Familien- und Paartherapie. Einen Schwerpunkt ihrer bisherigen Bücher auch als Herausgeberin bildete die Bewegungsanalyse nach Laban und Lamb und das Kestenberg Movement Profile. Susanne Bender hat sich ein ambitioniertes Ziel in ihrem Buch gesetzt: die Integration der systemischen Therapie mit der Tanztherapie im Hinblick auf verschiedene Aspekte dieser beiden therapeutischen Verfahren mit der Konzeptualisierung einer eigenen systemischen Tanztherapie.
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163 Medien & Materialien körper-- tanz-- bewegung 3. Jg., S. 163-164 (2015) © Ernst Reinhardt Verlag Susanne Bender: Systemische Tanztherapie Ernst Reinhardt Verlag, 2014, München, 366 Seiten, 39,90 € (D) Susanne Bender, seit über drei Jahrzenten in der tanztherapeutischen Aus- und Weiterbildung, Therapie und Supervision tätig, langjährige ehemalige Vorsitzende des Berufsverbandes der TanztherapeutInnen Deutschlands, legte 2014 ihr neues Buch „Systemische Tanztherapie“ im Ernst Reinhardt Verlag vor. Sie ist von der Grundausbildung Sonderpädagogin und hat neben ihrer Ausbildung in Tanztherapie auch eine Weiterbildung in Familien- und Paartherapie. Einen Schwerpunkt ihrer bisherigen Bücher-- auch als Herausgeberin-- bildete die Bewegungsanalyse nach Laban und Lamb und das Kestenberg Movement Profile. Susanne Bender hat sich ein ambitioniertes Ziel in ihrem Buch gesetzt: die Integration der systemischen Therapie mit der Tanztherapie im Hinblick auf verschiedene Aspekte dieser beiden therapeutischen Verfahren mit der Konzeptualisierung einer eigenen „systemischen Tanztherapie“. Das Buch untergliedert sich in vier inhaltliche Abschnitte: Im ersten Teil werden Konzepte und Grundlagen der systemischen Arbeit anhand der Geschichte der Familien- und Systemtheorie sowie ausgewählter Methoden und Grundhaltungen der systemischen Therapie vorgestellt. Im zweiten Teil wird die Praxis der Autorin mit der „Bewegten Familienrekonstruktion“ beschrieben. Diese „bewegte Familienrekonstruktion“ lehnt sich an die in der Familientherapie entwickelte Familienskulptur nach Virginia Satir (2000) an und baut auf der Weiterführung der Familienskulptur und der systemisch orientierten Familienrekonstruktion und Familienaufstellung, siehe u. a. Tillmetz (2012), auf. Die Skulptur stellt in der systemischen Therapie eine symbolische Repräsentation des Systems dar, die sich die Dimensionen von Raum, Zeit und Energie, wie sie allen Systemen zu eigen sind, zunutze macht. Dadurch werden Beziehungen, die wechselseitige Bedingtheit oder Muster von Interaktionen, Gefühle, Muster und Veränderungen sichtbar und repräsentiert. Jede Familienskulptur kann auch in der systemischen Therapie in Bewegung gesetzt werden, um den systemischen Tanz einer Familie (Familientanz) sowie der inneren Familie des Klienten sichtbar werden zu lassen. Die Klienten können Bewegungsimpulsen nachgeben, Bewegungsabläufe mehrmals wiederholen oder in eine Skulptur, die sich kontinuierlich in Bewegung befindet, übergehen (zitiert nach Wienands 2003). Der wesentliche Unterschied der „bewegten Familienrekonstruktion“ zu den im heutigen variationsreichen systemischen Feld üblichen Familienskulpturen und Familienaufstellungen, die immer den Körper und teilweise auch Bewegungsabläufe oder Bewegungschoreographien integrieren, scheint mir im Einsatz der Musik zu liegen. Bei der „bewegten Familienrekonstruktion“ setzt die Autorin in bestimmten Phasen Musikstücke ein, die aus der Zeit stammen können, in der sich die Familienaufstellung bewegt, oder sie werden entsprechend den Themen der Aufstellung gewählt. Da Musik immer auch ein starkes Momentum und zuweilen prägenden Hintergrund bildet, erscheint es wichtig mit zu reflektieren, dass durch die gewählte Musik die Familienaufstellung oder Familienrekonstruktion einem eigenen, zuweilen nicht zu kontrollierenden starken Einflussfaktor ausgesetzt ist. Hier halte ich es für wesentlich, durch Untersuchungen, wie sie beispielsweise im Aufstellungsforschungsprojekt der Uni Heidelberg durchgeführt wurden (www.aufstellungsforschung.de), den Einfluss von Musik weiter herauszuarbeiten. Im dritten Teil wählt Susanne Bender ein neues Thema-- das Phasenkonzept für Gruppen -, welches sie „Wachstumsmodell“ nennt, da es für die 164 4 | 2015 Medien & Materialien Autorin im Wesentlichen auch viele der Lebensthemen beinhaltet, die für jeden Menschen in seiner Entwicklung relevant sind. Dieses Wachstumsmodell lehnt sich in den ersten Grundzügen laut der Autorin an das psychoanalytische Modell von Schutz (1984) an, wurde dann aber erweitert und umfasst vier große Phasen im Leben eines Menschen, die dieser immer wieder in seinem Lebenszyklus durchläuft: Zugehörigkeit, Verantwortung, Offenheit und Trennung. In diesen Phasen stellen sich spezifische Herausforderungen für jeden Einzelnen. So wird die Entwicklung des Zugehörigkeitsgefühls durch Achtsamkeit der Bedeutung des Einzelnen, der Selbstachtung und der Art der Kontaktaufnahme geprägt, während sich Verantwortung durch Selbstwirksamkeit, Kompetenz, Entscheidungsfindung, Geschlechtlichkeit, Anerkennung und Selbstbestimmung herausbildet. In der Phase der Offenheit können Aspekte der Körperlichkeit, Verletzlichkeit, des Respekts und der Selbsterkenntnis zum Tragen kommen. Nach dieser Analyse und Beschreibung der verschiedenen Themen und Herausforderungen, denen sich Menschen in ihrem Leben in diesen vier Phasen stellen müssen, überträgt Susanne Bender dieses Konzept für das individuelle Leben auf den Gesamtprozess einer Gruppe. Diese Entwicklungsphasen von therapeutischen oder anderen thematisch orientierten Gruppen und die Gruppendynamik zeigen sich nach Susanne Bender (2009) auch in Teams, wie etwa in der Arbeitswelt. Im abschließenden vierten Teil wird die praktische tanztherapeutische Umsetzung der möglichen Themen in den vier formierenden Gruppenphasen-- Zugehörigkeit, Verantwortung, Offenheit und Trennung- - mit einzelnen sehr konkreten, praxisnahen, spezifisch dargestellten Stundenbeispielen veranschaulicht. Es werden die benötigten Medien, Musikvorschläge, die thematischen tanztherapeutischen Angebote sowie das mögliche Verhalten der Tanztherapeutin beschrieben. Von diesem vierten Teil des Buches, der anschaulich und konkret das tanztherapeutische Vorgehen zu den einzelnen Themen von Klienten schildert, können sowohl Praktikerinnen als auch Ausbildungsteilnehmer profitieren und sich kreativ anregen lassen. Eine Stärke des Buches liegt in der gut lesbaren Darstellung von systemischen Konzeptualisierungen, Haltungen und Methoden sowie der Fülle an Fallbeispielen und kreativen, praktischen methodischen Vorgehensweisen. Inwieweit die Integration der beiden Therapieverfahren, wie sie in diesem Buch vorgestellt wird und die sich für mich als praktizierende und lehrende systemische Therapeutin und Tanztherapeutin bei vielen Themen, therapeutischen Konstellationen und Ausbildungs- und Lehrgruppen sinnvoll anbietet, gleich eine eigene „systemische Tanztherapie“ darstellt, bleibt für mich zu diskutieren und offen. Das Buch stellt eine anregende Grundlage dar, um diese wichtige Diskussion um den sinnvollen Integrationsprozess der beiden ressourcenorientierten Therapieverfahren weiterzuführen und voranzutreiben Prof. Dr. Andrea Goll-Kopka DOI 10.2378 / ktb2015.art26d
