körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2017
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Editorial
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2017
Ulfried Geuter
Liebe Leserinnen und Leser, in Samoa aufzuwachsen, müsste das Paradies sein. So dachten wir, die in der Studentenbewegung das Buch „Kindheit und Jugend in Samoa“ von Margaret Mead lasen, in dem sie eine Jugend frei von Repression, Verklemmtheit und Schuldgefühlen schilderte, wohl ein Bild ihrer Wünsche.
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1 körper-- tanz-- bewegung 5. Jg., S. 1 (2017) DOI 10.2378 / ktb2017.art01d © Ernst Reinhardt Verlag Editorial in Samoa aufzuwachsen, müsste das Paradies sein. So dachten wir, die in der Studentenbewegung das Buch „Kindheit und Jugend in Samoa“ von Margaret Mead lasen, in dem sie eine Jugend frei von Repression, Verklemmtheit und Schuldgefühlen schilderte, wohl ein Bild ihrer Wünsche. Letztes Jahr war ich zum ersten Mal dort. Im Straßenbild fallen einem nicht nur viele Dickleibige auf, von denen die polynesischen Inseln weltweit die meisten haben, und die fa’afine, Männer, die sich als Frauen geben, sondern auch die Tätowierungen. Menschen schmücken ihren Körper mit Ornamenten, ein Schmuck, der unter Schmerzen zustande kommt und auch ein Zeichen stolzer Identität sein mag, zumal christliche Missionare darauf drangen, das Tätowieren aufzugeben. Body-Modification, das Schwerpunktthema des vorliegenden Heftes, kann man nur im Kontext einer Gesellschaft und einer Kultur verstehen. Was die einen als schmerzliche Zurichtung empfinden mögen, mag für die anderen Schönheit verkörpern oder Ausdruck ihrer Empfindungen sein. Das gilt nicht nur zwischen den Kulturen, sondern auch innerhalb unserer Kultur, lernen wir aus dem Aufsatz von Erich Kasten, Sandra Cebula, Katharina von Falkenhayn und Nina Zeiler. Wie die Autoren schreiben, können Tätowierungen oder Piercings sogar helfen, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten. Unsere Kultur stellt einen Raum der Möglichkeiten zur Verfügung. Und sie macht Druck, diese zu nutzen. Davon profitieren nicht nur Tattoo-Studios, sondern auch kosmetische Chirurgen. Sie definieren selbst neue Normen, wie das Partybrötchen als Form für das weibliche Geschlecht, zeigt Angela von Arnim in ihrem Beitrag. Wachsende Operationszahlen lassen die Vulva als eine Schnittzone der Körperoptimierung erkennen, von der eine Gesellschaft beherrscht ist, die den Körper als Reputationskapital behandelt. In der Psychotherapie wollen wir den Körper nicht „modifizieren“, sondern dazu beitragen, sich mit und in ihm lebendig zu fühlen. Krebskranken nutzen weder Tattoos noch Intimchirurgie. Körperpsychotherapie aber, macht Nina Hipp in ihrem Beitrag deutlich, kann ihnen helfen, sich selbst anzunehmen und wieder mehr mit den Sinnen zu spüren. Körper-, Tanz- und Bewegungspsychotherapie richtet den Blick auf die innere Wahrnehmung. Sie will den Körper nicht von außen verändern, damit er anders erscheint, sondern ihn von innen erkunden, um Bedeutung und Sinn zu erschließen. Das eint sie mit der verstehenden Motologie, zeigt Benajir Wolf in ihrem Beitrag, die in einem Masterstudiengang der Universität Marburg vertreten wird, in dem man Körperpsychotherapie studieren kann. Ich wünsche Ihnen Anregungen und Freude beim Lesen. Prof. Dr. Ulfried Geuter Mitherausgeber „körper-- tanz-- bewegung“ Liebe Leserinnen und Leser,
