körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2017
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Editorial
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2017
Frank Röhricht
Liebe Leserinnen und Leser, die Druckfahnen der neuen Ausgabe der ktb in den Händen zu halten, ist im 5. Jahr seit Erstausgabe aus Herausgeber-Sicht ein großes Vergnügen, zeigt es doch, dass sich die Zeitschrift mittlerweile gut etabliert hat. Ausgabe 3 / 2017 ist wieder ein Beleg für die Vielfalt des Feldes körperbezogener Arbeit in Theorie und Praxis.
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109 körper-- tanz-- bewegung 5. Jg., S. 109-110 (2017) DOI 10.2378 / ktb2017.art13d © Ernst Reinhardt Verlag Editorial die Druckfahnen der neuen Ausgabe der ktb in den Händen zu halten, ist im 5. Jahr seit Erstausgabe aus Herausgeber-Sicht ein großes Vergnügen, zeigt es doch, dass sich die Zeitschrift mittlerweile gut etabliert hat. Ausgabe 3 / 2017 ist wieder ein Beleg für die Vielfalt des Feldes körperbezogener Arbeit in Theorie und Praxis. Christel Büche und Antja Kennedy führen uns in eine spezifische Form der systematischen Bewegungsanalyse ein. Sie zeigen auf, wie sich Laban / Bartenieff-Bewegungsstudien zur Planung von individuell abgestimmten Interventionen in der theraputischen Praxis körperorientierter Therapien einsetzen lassen. Sowohl formale Kriterien der systematischen Beschreibung von Bewegungskategorien als auch die inhaltliche Aufarbeitung der in Bewegung anklingenden biographischen Themen sind berücksichtigt. Wir erfahren, wie sich auf diese Weise individuelle Muster des Bewegungsverhaltens identifizieren lassen, die sowohl situativ-interaktiver Natur sind als auch-- ähnlich wie Charaktereigenschaften-- als überdauernde Merkmale der jeweiligen Person erkannt werden können. Ganz im Sinne aktueller Diskurse zum Wesen der Selbsterfahrung wird deutlich, dass die Bewegungshandlungen immer auch die Umwelt, d. h. die „Anderen“, das „Gegenüber“, als immanenten Bestandteil beinhalten. Gesten sind ursprünglich unserer Sprache unterlegt, die non-verbale Kommunikation ist mittlerweile ein eigenständiger und interdisziplinär bedeutsamer Forschungszweig. Bewegungsanalysen sind zunehmend aufgrund ihrer systematisch quantifizierbaren Kategorien auch als Prozess- oder „Outcome“- Merkmale bei der Evaluation von Therapieverläufen eingesetzt. Es gibt Bemühungen, Bewegungsmuster als objektivierbares diagnostisches Kriterium zu nutzen. Angela Nicotra konkretisiert in ihrem Fallbeispiel einer Wochenbettdepression die theoretischen Ausführungen zur (Laban- und Kestenberg-)Bewegungsanalyse. Die Autorin arbeitet typische Muster des Bewegungsverhaltens bei den depressiv erkrankten Müttern heraus und bezieht dann konkrete Interventionen auf diese Merkmale. Das Miteinander der aufeinander abgestimmten Bewegungsabläufe im Tanz (hier am Beispiel Tango) ermöglicht eine spezifische therapeutische Arbeit mit Themen wie Autonomie / Abhängigkeit oder Gewicht und (Schwer-)Kraft. Der dritte Hauptbeitrag dieser Ausgabe setzt die „Europaserie“ fort. Peter Geißler fokussiert auf die Entwicklungslinien der von ihm vertretenen analytischen Körperpsychotherapie. Die Darstellung der historischen Zusammenhänge zeigt auf, wie gesellschaftlicher Zeitgeist und individuelle Persönlichkeiten lange Zeit auschlaggebend waren, bis dann nationale Leitlinien und die Psychotherapie- Gesetzgebung mit einem Fokus auf die Evidenz der Verfahren dazu führten, dass die Liebe Leserinnen und Leser, 110 3 | 2017 Editorial hauptsächlich neo-reichianischen körperpsychotherapeutischen Verfahren keinen Zugang zu den kassenärztlichen Versorgungssystemen fanden. Diese Entwicklung ist in vieler Hinsicht repräsentativ für die historisch gewachsene Situation in Europa. Erst in den letzten zehn Jahren gab es ernsthafte Bemühungen, mit wissenschaftlich anerkannten Methoden die Wirksamkeit der körperpsychotherapeutischen Verfahren zu evaluieren. Der Beitrag von Peter Geißler endet mit einer interessanten Beobachtung, die auch von anderen schulenübergreifend arbeitenden KollegInnen zunehmend ins Spiel gebracht wird: Er stellt die Frage, ob ein methodenorientiertes Denken als „Auslaufmodell“ zu sehen ist. An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass der Begriff der „Allgemeinen Psychotherapie“ bei Grawe schon hingewiesen hat auf die Möglichkeit, dass die verschiedenen großen Therapieschulen eher im Sinne eines Modulsystems Beiträge zu einer solchen schulenübergreifenden Theorie und Praxis leisten könnten. Abschließend wünsche ich Ihnen ein anregendes Lesen-- für Rückmeldungen und Leserbriefe sind wir immer dankbar. Prof. Dr. med. Frank Röhricht Mitherausgeber „körper - tanz - bewegung“
