eJournals körper tanz bewegung 5/2

körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2017.art11d
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Forum: Ein deutsch-indisches Projekt zur Weiterentwicklung von Tanztherapie in Mumbai und Kolkata

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Martina Piff
Marianne Eberhard-Kaechele
In diesem Artikel teilen die Autorinnen ihre Erfahrungen in der Planung, Zusammenarbeit und Weiterentwicklung eines Tanztherapie-Projekts in Indien. Mit dem Projekt unterstützten die Autorinnen die indischen KollegInnen bei der Weiterentwicklung des Curriculums für Tanztherapie am Tata Institute for Social Science (TISS) in Verbindung mit dem Goethe Institut und der Max Mueller Bhavan Foundation Mumbai.
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85 Forum Die Rahmenbedingungen des Projektes I n Indien sind verschiedene Aktivitäten in Bezug auf Tanztherapie zu verzeichnen. Tanztherapeutische Institute sind in mehreren Städten Indiens wie Delhi, Pune oder Bangalore vorhanden, und es gibt einen mit dem ADTA affiliierten Verband der Creative Movement Therapy Association of India (CMTAI). Dieser Bericht will nicht die Gesamtsituation in Indien darstellen, sondern lediglich über ein konkretes Kooperationsprojekt berichten. Das Goethe Institut mit der Max Mueller Bhavan Foundation Mumbai (Goethe Institut 2016) fördern im Rahmen ihres Schwerpunktes „künstlerische Bildung“ den Aufbau eines Studienganges für Tanztherapie am Tata Institute for Social Science (TISS, 2016) Mumbai sowie die Etablierung der Tanztherapie als Methode in Indien. Dies gilt besonders für den Einsatz von Tanztherapie beim Thema „sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen“, welches in der Region Südasien ein Schwerpunktthema beider Organisationen ist und aktuell speziell in Indien massiv an Brisanz zugenommen hat. Ein deutsch-indisches Projekt zur Weiterentwicklung von Tanztherapie in Mumbai und Kolkata Martina Piff, Marianne Eberhard-Kaechele In diesem Artikel teilen die Autorinnen ihre Erfahrungen in der Planung, Zusammenarbeit und Weiterentwicklung eines Tanztherapie-Projekts in Indien. Mit dem Projekt unterstützten die Autorinnen die indischen KollegInnen bei der Weiterentwicklung des Curriculums für Tanztherapie am Tata Institute for Social Science (TISS) in Verbindung mit dem Goethe Institut und der Max Mueller Bhavan Foundation Mumbai. Schlüsselbegriffe Tanztherapie, Indien, Ausbildung, Wandel, sexuelle Gewalt, Kooperation A German-Indian Project for the Further Development of Dance Movement Therapy in Mumbai and Kolkata In this article, the authors share their experiences in the planning, collaboration and further development of a dance therapy project in India. The project includes the partnership with and further development of the curriculum for dance therapy at the Tata Institute for Social Science (TISS) in conjunction with the Goethe Institute and the Max Mueller Bhavan Mumbai Foundation. Key words dance therapy, India, education, change, sex and human trafficking, cooperation körper-- tanz-- bewegung 5. Jg., S. 85-92 (2017) DOI 10.2378 / ktb2017.art11d © Ernst Reinhardt Verlag 86 2 | 2017 Piff, Eberhard-Kaechele Das Tata Institute for Social Science (TISS) wurde bereits 1936 etabliert und gehört laut einer Studie der Stanford-Universität (Hasan 2011) zu Indiens Top-Ten-Universitäten im Bereich der Erziehung, Sozialwissenschaft, Gesundheitsfürsorge und gesellschaftlicher Entwicklung und Ökonomie. Das Institut wurde 1964 als Deemed-to-be-University staatlich anerkannt, d. h. es wird nicht vom Staat finanziert, genießt jedoch den akademischen Status und die Privilegien einer staatlichen Universität. Das Tata Institut bietet Bachelor-, Master- und Doktoratsstudiengänge in 45 verschiedenen Schwerpunkten an. Im dortigen Center for Lifelong Learning gibt es bereits einen Aufbaustudiengang mit Diplom zur Anwendung künstlerischer Therapien, zu dem ein Zertifikatprogramm für Tanztherapie gehört. Dieser ist offen für Personen, die ein einschlägiges Grundstudium haben, und dauert acht Monate: 26 Wochen Unterricht und sechs Wochen Praktikum. Nun soll auch ein Master-Studiengang für Tanztherapie als eigenständige Therapie am Tata Institut aufgebaut werden. Hierfür wären die üblichen Zugangsvoraussetzungen (BA im einschlägigen Bereich) erforderlich. Bei der Entwicklung des Studienganges ist es sowohl dem TISS als auch dem Goethe-Institut, das die Finanzierung des Tanztherapie-Fachkräfteaustausches mit Deutschland übernimmt, wichtig, dass es eine starke Verbindung zwischen Praxis, Theorie und Forschung gibt. Praxis bezieht sich in diesem Fall zum Beispiel auf die Vernetzung mit NGOs (Non-Governmental Organisations), die die Ausbildung und die konkrete Anwendung der Tanztherapie an den „Grass roots“, also z. B. auf Bahnsteigen, in den Slums oder in Heimen für Mädchen, finanziell unterstützen. Auch die Vernetzung mit dem Kolkata Sanved Institut, einem Ausbildungsinstitut, das schon 2004 angefangen hat, Kurse im Bereich Tanztherapie zu geben und jetzt einen Teil der praktischen Grundausbildung für Tanztherapie anbietet, ist Teil des Projektes. Das Kolkata Sanved Institut ist ein affiliiertes Institut des TISS und bringt durch seine langjährige Tätigkeit im Bereich der Tanztherapie sehr viel praktische Erfahrung ein. Dadurch ist gewährleistet, dass die Ausbildung zur TanztherapeutIn in Indien an den indischen Gegebenheiten orientiert bleibt. Der Austausch mit denjenigen, die Tanztherapie vor Ort anwenden, ist somit ein weiterer Teil des Projektes, damit die Ausbildung und der Studiengang nicht nur theoretisch bleibt, sondern sich an den speziellen Rahmenbedingungen der verschiedenen Orte und Bereiche, in denen die Tanztherapie eingesetzt werden soll, orientiert. Die Arbeit der TanztherapeutInnen in Indien ist als Pionierarbeit zu bezeichnen. Das Gesundheitswesen kennt kaum eine Behandlung für psychische Störungen, die traditionell eher als religiöse oder soziale statt medizinische Probleme betrachtet und stark stigmatisiert werden. Finanziert werden die bisherigen Tätigkeiten eher über Spenden oder soziale Einrichtungen und werden als „Unterricht“ bezeichnet. Nur langsam können die verantwortlichen Behörden davon überzeugt werden, dass die Arbeit auch einen medizinischen Nutzen hat. Wie die Zusammenarbeit begonnen hat Sohini Chakraborty ist die Gründerin und Direktorin des Kolkata Sanved Instituts für Tanztherapie und inhaltlich verantwortlich für das Programm am TISS in Mumbai. Sie arbeitet seit Jahren als Tanztherapeutin in Kolkata mit Frauen, die Opfer sexueller Gewalt und erzwungener Prostitution sind. Sie verfügt über enorme praktische und kulturspezifische Erfahrung sowie therapeutische und politische Netzwerke im Bereich sexueller Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Neben ihrer administrativen, therapeutischen und Lehrtätigkeit arbeitet Sohini Chakraborty auch sozialpädagogisch, indem sie für Betroffene berufliche Perspektiven vermittelt, unter anderem auch Ein deutsch-indisches Tanztherapie-Projekt 2 | 2017 87 als Tanztherapeuten in ihren Heimatdörfern. Sohini Chakraborty entwickelte eine eigene Methode der Tanztherapie: „Sampoornata“ (Erfüllung, Kolkata Sanved 2016) verbindet klassischen indischen Tanz und traditionelle Volkstänze mit Elementen aus der Tanztherapie, die sie in Fortbildungen im Ausland kennengelernt hat. Die tanztherapeutische Behandlung mit ihrer Methode findet gemäß den Bedingungen im bevölkerungsreichen Land Indien in großen Gruppen von 30 bis 250 Menschen statt. Eine Sitzung wird ähnlich der Chace-Methode in eine Grundstruktur aufgeteilt, welche die folgenden Phasen beinhaltet: Begrüßung, Aufwärmen, Selbstbeziehung, Fremdbeziehung, Körperschulung, Improvisation zu aktuellen Themen, Abschluss mit Entspannung und „Healing Touch“, eine sanfte, streichende Berührung am Kopf durch die TherapeutInnen. Diese Sequenz kann durch eine oder mehrere TherapeutInnen gleichzeitig angeleitet werden. Durch die klare Struktur können große Gruppen in kleinere Subgruppen aufgeteilt werden, die sich mit der nächsten Phase gegenseitig „anstecken“, aber nicht völlig in Chaos verfallen. Einzeltherapien sind bisher kaum bekannt und angesichts der verbreiteten Armut unter den betroffenen Populationen kaum realisierbar. Da sich das Vorhaben derzeit sehr auf lokalem und kulturspezifischem Terrain bewegt, suchten die Veranstalter zunächst nach Input aus anderen Ländern, in denen Tanztherapie als Methode gut etabliert ist. Gastdozenten aus Amerika wurden kontaktiert. Allerdings hatten diese die Tendenz, ihre Vorstellung von Tanztherapie durchsetzen zu wollen, statt die vorhandene Situation in Indien zu würdigen. Der sehr am Tanz interessierte Leiter des Goethe-Instituts Dr. Martin Wälde, dem das Projekt von Sohini Chakraborty bekannt war, regte an, einen deutschen Tanztherapie-Experten, der sich institutionell-akademisch mit dem Thema beschäftigt und der Erfahrung mit „Tanztherapie und sexueller Gewalt“ hat, als Gastdozenten einzuladen, um Sohini Chakraborty beim Aufbau des Tanztherapie-Studienganges am TISS zu unterstützen. Dabei sollte es in erster Linie um den Austausch von Erfahrungen und Methoden sowie eine berufspolitische Unterstützung gehen. Ohne die finanzielle Hilfe des Goethe-Institutes wäre dieser Austausch nicht möglich gewesen, da die indischen Tanztherapie-Trainingsprogramme über keine eigenen Mittel zur Zahlung von Gastdozenten verfügen. Wie sich die Zusammenarbeit bisher gestaltete Gast-Lehrauftrag am Tata Institute for Social Science (TISS) und Kolkata Sanved Institut Im Januar 2016 reiste Marianne Eberhard-Kaechele nach Mumbai und Kolkata, um für jeweils vier Tage à acht Stunden die aktuellen Ausbildungsgruppen aus dem Zertifikatprogramm für Tanztherapie am TISS und am Sanved Institut zu unterrichten. Damit die deutsche Dozentin die indische Methode kennen lernen konnte, stellten die Ausbildungsteilnehmerinnen und Mitarbeiterinnen des Instituts eine prototypische Tanztherapiesitzung mit der Sampoornata-Methode nach. Eine stellte die Therapeutin dar, die anderen spielten die Patientinnen. Zudem hospitierte Eberhard-Kaechele bei der tanztherapeutischen Arbeit in der Lumbini Park Mental Hospital and Clinic in Kolkata, um ein für Indien typisches Setting im direkten Kontakt mit PatientInnen kennen zu lernen. Hier wurde eine Gruppe von etwa 35 Personen mit Psychosen von zwei Therapeutinnen geleitet. Prof. Dr. Lata Narayan, Programmkoordinatorin des Centre for Lifelong Learning (CLL) am TISS, und Sohini Chakraborty organisierten Besuche bei Aufführungen mit klassischem indischen Tanz in Stadttheatern von Mubai und Kolkata im Rahmen von Tanz- und Theaterfes- 88 2 | 2017 Piff, Eberhard-Kaechele tivals, um der Dozentin ein Verständnis für die Tanzformen der Kultur zu vermitteln. Außerdem fanden intensive Gespräche mit Sohini Chakraborty über den Stand der Gesellschaft und des Gesundheitswesens in Bezug auf psychische Erkrankung und häusliche Gewalt, kulturspezifische Arten von Trauma, tanztherapeutische Theorien und Methoden, Ausbildungsstrukturen und Curricula statt. Während in Deutschland dem Tanz weniger Bedeutung beigemessen wird als Musik oder bildende Kunst, ist es in Teilen Indiens eine sehr hoch geschätzte Kunstform und wird teilweise für religiöse Riten genutzt. In der religiösen Vielfalt Indiens gibt es aber auch andere Richtungen, in denen Tanz eher als Sünde betrachtet wird (Kolkata Sanved 2014). Menschen in Deutschland haben oft Widerstände, sich zu bewegen, weil sie dies als kindisch empfinden. Dagegen scheuen sich Inder, weil sie sich nicht zutrauen, der hohen Kunst gerecht zu werden, oder weil sie Sorge haben, sich blasphemisch oder sündig zu verhalten. Die Nutzung von spezifischen Bewegungen, um symbolische Botschaften zu vermitteln, wird dem traditionellen Bühnentanz entliehen. In ländlichen Gebieten ist die Volkstanzkultur noch sehr lebendig, und in Städten ist Bollywood-Tanz allgegenwärtig und wird von beiden Geschlechtern praktiziert. Beide Tanzformen fließen in das Repertoire der Tanztherapie in Indien ein. Die indischen Gastgeber schätzten es sehr, dass die deutsche Dozentin sich dafür interessierte, welches Wissen und welche Erfahrungen die Gastgeber in ihrem eigenen tanztherapeutischen Kontext bisher gewonnen hatten. Marianne Eberhard-Kaechele geht davon aus, dass diese Erfahrungen zur Gesamttheorie und dem Methodenrepertoire der Tanztherapie beitragen können. Diese Wertschätzung wurde bei den amerikanischen Gästen oft vermisst. Tanztherapie-Konferenz Die von Kolkata Sanved organisierte Konferenz „Annual Summit on DMT for Change: An Alternate Healing Process“ brachte Praktiker aus Abb. 1: Lumbini Park Psychiatrische Klinik in Kolkata. Im Vordergrund: Ziegengehege Ein deutsch-indisches Tanztherapie-Projekt 2 | 2017 89 den verschiedensten Bereichen zum Thema „sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen“, wie Lehrer, Ausbilder, Leiter von Institutionen und NGOs, Politiker aus dem Ministerium für Frauen und Kinder und die NDRF (National Disaster Response Force), zusammen. All diese Menschen setzen sich aktiv für die Tanztherapie und andere kreative und künstlerische Therapien zur Verbesserung der Lebensumstände von Mädchen und Frauen in Indien ein. Keynote- Sprecher bei dieser Veranstaltung war P. M. Nair (Secretary to the President of India), einer der weltweit bekanntesten Menschen im Kampf gegen sexuelle Gewalt. pie-Ausbildungen zu sprechen und das Curriculum zu überarbeiten und zu erweitern. Dabei waren alle Beteiligten sehr an einem gegenseitigen Erfahrungsaustausch über die Curricula in Indien und Deutschland interessiert. Die Ausbildungsinhalte wurden verglichen und diskutiert. Ein Resultat dieser Diskussionen ist die Anhebung der Unterrichtsstundenanzahl in Indien, um die Bewegungsanalyse vertiefend zu unterrichten und die Tanztherapie als Zertifikatskurs in Indien anbieten zu können. Durch die Unterstützung des Goethe-Institutes ist es möglich, dass Martina Piff im Frühjahr 2017 wieder nach Indien reist, um dort sowohl am TISS als auch in Kolkata am Sanved Institute Bewegungsanalyse zu unterrichten. Ein weiteres Thema, über das bei diesem Treffen viel diskutiert wurde, war der tanztherapeutische Umgang mit traumatisierten Menschen aufgrund des kulturspezifischen Unterschiedes und die daraus hervorgehenden Traumata, mit denen wir in Deutschland nicht in diesem Maße konfrontiert werden. Einige Beispiele von den speziell in Indien auftretenden Traumatisierungen sind die Verschleppung und Massenvergewaltigungen von Frauen, die Verschleppung in die Prostitution oder Zwangsarbeit, das Aussetzen, Abschieben oder Verkauf von Mädchen, wenn die Familien in Notlagen geraten, sowie die Missachtung von Mädchen und Frauen im Allgemeinen. Neben der Implementierung der Bewegungsanalyse in das indische Tanztherapie-Curriculum soll beim nächsten Lehrauftrag auch der tanztherapeutische Umgang mit traumatisierten Menschen Beachtung finden. Das stellt durch die sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Indien und Deutschland eine Herausforderung dar. Aufgrund der Therapiegruppengröße in Indien gibt es sehr große Unterschiede in der tanztherapeutischen Herangehensweise im Vergleich zu den in Deutschland üblichen Therapiesettings. In Deutschland arbeiten wir im Gegensatz zu Indien mit eher kleinen Gruppen Abb. 2: Martina Piff und Lata Narayan bei der Konferenz von Kolkata Sanved Da es bei dieser Konferenz auch darum ging, über den soziokulturellen und kulturspezifischen Tellerrand Südasiens hinaus zu blicken, war Martina Piff, Vorsitzende des BTD (Berufsverband der TanztherapeutInnen Deutschlands), als weiterer Keynote-Sprecher zum Thema „Der Einsatz von Tanztherapie und die berufspolitische Vernetzungen der Tanztherapie in Deutschland“ eingeladen. Weiterentwicklung des Tanztherapie- Curriculums Am Tag nach der Konferenz traf sich das gesamte Tanztherapie-Ausbilder-Team, um über die bisherigen Erfahrungen mit den Tanzthera- 90 2 | 2017 Piff, Eberhard-Kaechele oder sogar mit einzeltherapeutischen Sitzungen und haben im Anschluss an die einzelnen tanztherapeutischen Übungen die Möglichkeit der ausführlichen Reflexion des Erlebten mit den jeweiligen KlientInnen. Die Gruppengröße in Indien hat zur Folge, dass nur sehr wenig bis gar kein Raum zur verbalen Reflexion dessen, was die TeilnehmerInnen in der Tanztherapie erlebt haben, da ist. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung in den Städten oft aus diversen ländlichen Gebieten zugereist ist, in denen ganz andere Dialekte gesprochen werden. Eine sprachliche Verständigung ist auch aus diesem Grund nur begrenzt möglich. So wurde vereinbart, dass beim nächsten Lehrauftrag im Frühjahr 2017 tanztherapeutische Übungen vorgestellt werden, die sowohl für Kleinals auch für Großgruppen kompatibel sind und die die Möglichkeit der Reflexion des Erlebten implementieren. Damit soll das vermehrte Einsetzen verschiedener Formen der Reflexion in der Tanztherapie fester Bestandteil der tanztherapeutischen Ausbildung in Indien werden. Dieses bezieht sich sowohl auf die verbale als auch auf die nonverbale Reflexion durch zum Beispiel eine tänzerische Erwiderung oder Spiegelung als Möglichkeit der Reflexion. Abschließend bleibt zu diesem Treffen zu sagen, dass der Austausch darüber, wie die Tanztherapie-Ausbildungen in Indien und in Deutschland gestaltet sind, für beide Seiten sehr fruchtbar und anregend war. Eine Fortführung der Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung der Tanztherapie-Ausbildungen und der dazugehörigen Curicula ist geplant. Das Goethe-Institut hat die weitere Unterstützung des Projektes auf dieser Ebene signalisiert, was für die indischen Institute von besonderer Wichtigkeit ist, da sie keine eigenen Mittel zur Finanzierung des Austausches zur Verfügung haben. Dieses Fehlen an Mitteln ist ein dauerhaftes Problem für die indischen KollegInnen. Sohini Chakraborty erklärte, dass sie häufig nach Praktikumsplätzen, Hospitationen oder Gastlehraufträgen angefragt wird. Sie sagte, es ist den Anfragenden nicht klar, dass sie alle Kosten selbst tragen und verstehen müssten, dass es keine kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten oder Verpflegung gibt. Besucher müssten eher Geld mitbringen, als dass sie etwas verdienen könnten. Wer sich unter diesen Umständen dennoch für die Arbeit in Indien interessiert, kann sicher spannende Erfahrungen sammeln. Zertifikat in Tanz- und Bewegungstherapie Kolkata Sanved und CLL-TISS (Centre for Lifelong Learning am TISS) bieten seit drei Jahren zusammen Kurse im Bereich Tanz- und Bewegungstherapie an. Im ersten Jahrgang (2013 / 2014) schlossen sechs Studenten den Kurs in Kolkata ab, ein Jahr später insgesamt 28 Studenten, davon 19 bei TISS in Mumbai und neun in Kolkata. Im Jahrgang 2015 / 2016 sind es insgesamt 32 Studenten: 22 bei TISS Mumbai und zehn bei Kolkata Sanved. Im Rahmen einer großen Zeremonie sowie einer anschließenden Feier wurden die Zertifikatsvergabe und die Integration von Tanz- und Bewegungstherapie (DMT) sowie deren Anerkennung innerhalb des Universitätssystems am Tata Institut gefeiert. Tanztherapie-Workshop Zur Feier und Würdigung der ersten Zertifikatsabsolventen gab es ein Workshop-Programm, bei dem Martina Piff einen Tanztherapie-Workshop anleitete. Sie entsprach dabei dem Wunsch von Fakultät und Studenten, Tanztherapie so kennenzulernen, wie sie in Deutschland angewendet wird, also mit eher kleinen Gruppen oder in Partnerarbeit, um auf diese Weise neue Erfahrungen zu machen. Hier ein praktisches Beispiel aus dem Workshop zum Thema „Ich mache mich groß und zeige mich, ich darf sein! “ In Partnerarbeit wurden klassische Handgesten aus dem indischen Tanz in Ganzkörperbewegung umgewandelt und zu einem neuen Tanz mit großen Ein deutsch-indisches Tanztherapie-Projekt 2 | 2017 91 Bewegungen und den kleinen Handgesten, aus denen sie entstanden sind, verbunden. Dieser wurde im Anschluss einem anderen Paar gezeigt. Als nächster Schritt wurden die Tänze beider Paare miteinander zu einem größeren gemeinsamen Tanz der Vierer-Gruppe verbunden. Diese einfache Übung kam bei den TeilnehmerInnen gut an, da sie in ihrer eigenen tanztherapeutischen Arbeit gut umzusetzen ist und auf sehr einfache Weise zeigte, wie östliche und westliche Methoden zusammenarbeiten und Neues entstehen lassen können. Wir haben die Zusammenarbeit mit unseren indischen KollegInen als sehr bereichernd und anregend empfunden. Durch unseren Aufenthalt in Indien und durch die enge Zusammenarbeit mit unseren indischen Kolleginnen in den verschiedenen Bereichen haben wir sehr viele neue Erfahrungen und Eindrücke mitgenommen, die sicher auch unsere Arbeit in Deutschland beeinflussen werden. Besonders erfreulich ist, dass das begonnene Projekt durch die Unterstützung des Goethe-Institutes und der Max Mueller Bhavan Mumbai Foundation auch 2017 und 2018 weitergeführt wird und wir so auch in Zukunft mit unseren indischen KollegInnen im Kontakt und fachlichem Austausch bleiben können. Möglichkeiten der Unterstützung der Tanztherapie in Indien Wie bereits erwähnt, ist es mit finanziellen Schwierigkeiten behaftet, sich vor Ort für die Unterstützung von Tanztherapie in Indien einzubringen. Was jedoch sehr gesucht wird und Abb. 3: CLL-TISS und Kolkata Sanved Absolventen des ersten Zertifikatskurs für DMT in Indien im April 2016. Untere Reihe v. l. n. r.: Martina Piff, Sohini Chakraborty (Kolkata Sanved), Anahita Uberoi (Schauspielerin), Nasreen Rustomfram (Centre for Lifelong Learning) und Lata Narayan (Centre for Lifelong Learning / TISS) Foto: Centre for Lifelong Learning, Tata Institute of Social Sciences. Mumbai 92 2 | 2017 Piff, Eberhard-Kaechele ohne großen Aufwand geleistet werden könnte, ist die Übermittlung von Publikationen in englischer Sprache, die für die Ausbildung genutzt werden könnten. Sohini Chakraborti versucht, eine Datenbank mit Artikeln und Studien anzulegen, die ihre KandidatInnen im Studium nutzen können. Eventuell wird das Goethe-Institut in Zukunft eine Studienreise für Sohini Chakraborti oder eine andere Vertreterin der indischen Tanztherapie finanzieren. Dann wäre es sehr hilfreich, wenn die KollegInnen des BTD einem solchen Gast Gelegenheiten des Austauschs und der Hospitation ermöglichen würden. Literatur Goethe Institut (2016): Goethe Institut Indien. In: www.goethe.de/ ins/ in/ en/ , 8.1.2017 Hasan, S. (2011): Ranking of Indian Universities, Colleges, and Institutes based on Social Science Research. In: web.stanford.edu/ ~sharique/ india_ ranking_social_science.html, 7.1.2017 Kolkata Sanved (2016): Website. In: www.kolkatasanved.org/ , 9.1.2017 Kolkata Sanved (2014): Prospectus 2015-2016. Kolkata Sanved and Centre for Lifelong Learning, TISS, Certificate in Dance Movement Therapy (CDMT) Tata Institute for Social Science (2016): Website. In: www.tiss.edu/ , 8.1.2017 Die AutorInnen Martina Piff Tanztherapeutin, Heilpraktikerin, Ausbilderin und Supervisorin BTD. 1. Vorsitzende des Berufsverbandes der TanztherapeutInnen Deutschlands (BTD). Langjährige freiberufliche Erfahrung als Tanztherapeutin für verschiedene Institutionen im Bereich Trauma- Therapie mit Jugendliche und Erwachsenen. Master of Expressiv Arts, eigene Praxis für Tanz und Ausdruckstherapie. Pädagogische Leiterin des Langen Institutes. ✉ Martina Piff Langen Institut Mitglied der Präha Gruppe Emanuel-Leutze-Straße 8 | 40547 Düsseldorf piff@praeha.de Dr. rer. medic. Marianne Eberhard-Kaechele Ausbilderin, Supervisorin und Lehrtherapeutin BTD. Dozentin an der Deutschen Sporthochschule Köln am Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, Abteilung Neurologie, Psychosomatik, Psychiatrie. Eigene Praxis für Tanz- und Ausdruckstherapie. Wissenschaftliche Leiterin des Langen Instituts für Tanz- und Ausdruckstherapie. ✉ Dr. rer. medic. Marianne Eberhard-Kaechele Abteilung Neurologie, Psychosomatik, Psychiatrie Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation Deutsche Sporthochschule Köln Am Sportpark Müngersdorf 6 | D-50933 Köln m.eberhard-kaechele@dshs-koeln.de