eJournals körper tanz bewegung 6/3

körper tanz bewegung
9
2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
71
2018
63

Aktuelles aus der Forschung: Aktuelle Studien zu Stressbewältigung durch Tanz-, Bewegungstherapie und Kreativtherapien

71
2018
Iris Bräuninger
Stressbewältigung gewinnt an Bedeutung in den Kreativtherapien, und erfreulicherweise gibt es in jüngerer Zeit eine Zunahme von hochwertigen Studien in diesem Bereich. Nachfolgend werden drei Studien zusammengefasst, welche alle die Wirksamkeit von Kreativinterventionen auf Stressbewältigung untersuchen: Der RCT von Ho und KollegInnen (2018) überprüfte den Effekt tanz-, bewegungstherapeutischer Interventionen auf die endokrinen Funktionen bei Brustkrebs-Patientinnen während der Bestrahlungstherapie. Ein weiterer RCT untersuchte die Wirkung der therapeutischen Tanzintervention Biodanza auf Stress, Depression und die Schlafqualität von UniversitätsstudentInnen (López-Rodríguez et al. 2017). Der Systema­tische Review von Martin und KollegInnen (2018) fasst in einem Überblick den Effekt kreativtherapeutischer Interventionen zur Stressbewältigung zusammen.
9_006_2018_003_0141
141 Aktuelles aus der Forschung körper-- tanz-- bewegung 6. Jg., S. 141-143 (2018) DOI 10.2378 / ktb2018.art20d © Ernst Reinhardt Verlag Aktuelle Studien zu Stressbewältigung durch Tanz-, Bewegungstherapie und Kreativtherapien Iris Bräuninger S tressbewältigung gewinnt an Bedeutung in den Kreativtherapien, und erfreulicherweise gibt es in jüngerer Zeit eine Zunahme von hochwertigen Studien in diesem Bereich. Nachfolgend werden drei Studien zusammengefasst, welche alle die Wirksamkeit von Kreativinterventionen auf Stressbewältigung untersuchen: Der RCT von Ho und KollegInnen (2018) überprüfte den Effekt tanz-, bewegungstherapeutischer Interventionen auf die endokrinen Funktionen bei Brustkrebs-Patientinnen während der Bestrahlungstherapie. Ein weiterer RCT untersuchte die Wirkung der therapeutischen Tanzintervention Biodanza auf Stress, Depression und die Schlafqualität von UniversitätsstudentInnen (López-Rodríguez et al. 2017). Der Systematische Review von Martin und KollegInnen (2018) fasst in einem Überblick den Effekt kreativtherapeutischer Interventionen zur Stressbewältigung zusammen. Tanz-, Bewegungstherapie während der Strahlenbehandlung von Brustkrebs Der RCT von Ho und KollegInnen (2018) untersuchte die physiologischen Auswirkungen von Tanz-, Bewegungstherapie auf die Tagesrhythmen des Cortisols (dem sogenannten Stresshormon) von Brustkrebspatientinnen während ihrer Strahlentherapie und die Rolle des wahrgenommenen Stresses bei der Entstehung solcher Reaktionen. Die 121 weiblichen chinesischen Teilnehmerinnen (Durchschnittsalter 49.4, SD= 8.1, durchschnittliche Länge der Krebsbehandlung 21.6 Monate (SD= 7.3)) wurden auf eine Tanz-, Bewegungstherapie Gruppe (n = 63) und eine Kontrollgruppe (n = 58) randomisiert. Die Gruppen unterschieden sich zu Beginn der Behandlung nicht. Als tanztherapeutische Intervention erhielt die Behandlungsgruppe eine zweimal wöchentlich stattfindende 90-minütige Gruppentherapie über den Zeitraum ihrer Strahlentherapie während drei aufeinanderfolgenden Wochen (im Durchschnitt 9.1 Tage). Als Messinstrumente wurden valide Fragebögen zu Stress (PSS), Müdigkeit, Schmerzen und Schlafstörungen zu Beginn (t1) und am Ende der Intervention (t2) eingesetzt, und die Teilnehmerinnen gaben fünf Speichelproben zur Cortisolbestimmung zu Beginn bei t1 und am Ende bei t2 ab. Als Ergebnis zeigte sich zwar keine Gesamtwirkung der Tanz-, Bewegungstherapie auf das Cortisol. Die Tanz-, Bewegungstherapie konnte jedoch den wahrgenommenen Stress bei t2 reduzieren. Diejenigen Patientinnen, die zu Beginn der Therapie erhöhte Distresswerte aufwiesen, profitierten von der Tanz-, Bewegungstherapie-Intervention signifikant mehr als die Kontrollgruppe. Dies interpretierten die AutorInnen als klinisch relevanten Befund. 142 3 | 2018 Iris Bräuninger Biodanza gegen Stress von StudentInnen Die zweite Studie von López-Rodríguez und KollegInnen (2017) untersuchte bei 121 studentischen TeilnehmerInnen einer spanischen Universität (Alter zwischen 18 und 45 Jahren, M = 22.07; SD = 4.71), ob Biodanza Symptome wahrgenommenen Stresses, Depression und die Schlafqualität verbessern könnte. Eingeschlossen wurden volljährige UniversitätsstudentInnen, welche unter selbstwahrgenommenem Stress litten, ausgeschlossen wurden psychiatrische Erkrankungen und ernsthafte physische Behinderungen oder Einschränkungen. Als standardisierte Verfahren wurde die Perceived Stress Scale (PSS), die Depressionsskala CES-D und der Pittsburgh Sleep Quality Index im Vor- und Nach-Test eingesetzt. Die TeilnehmerInnen (75 % Frauen) wurden der Biodanza-Gruppe oder der Wartelisten-Kontrollgruppe zufällig zugeteilt. Die Gruppen zeigten keinen Unterschied im Vor-Test. Die Behandlungsgruppe nahm einmal wöchentlich 90-Minuten über vier Wochen an einer Biodanza- Intervention teil. In die statistische Analyse gingen die Daten von 95 Personen ein, davon 42 der Biodanza-Gruppe und 53 der Warte-Kontrollgruppe. Als Ergebnis zeigte sich im Prä-, Post-Test-Vergleich eine Verbesserung der Behandlungsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe in Bezug auf wahrgenommenen Stress [t (93) = 2.136; p = 0.035; Cohen’s d = 0.44] und depressiver Verstimmtheit [t (93) = 2.738; p = 0.007; Cohen’s d = 0.56], hingegen kein Unterschied in Bezug auf die Verbesserung der Schlafqualität [t (93) = 0.432; p = 0.666; Cohen’s d = 0.09]. Kreativtherapien und künstlerische Interventionen zur Stressbewältigung Der Systematische Review von Martin und KollegInnen (2018) untersuchte den Effekt von Kreativtherapien (Kunst-, Musik-, Tanz-, Bewegungs- und Dramatherapie) und kunstorientierten Interventionen zur Stressbewältigung. Hierzu wurde eine Systematische Datenbankrecherche in Academic Search Complete, ERIC, Medline, Psyndex, PsycINFO und SocIN- DEX durchgeführt. Eingeschlossen wurden Studien, welche die vier PICOS Elemente erfüllten (Patient, Intervention, Control, Outcome) sowie ein Study Design mit Minimum Standard Quasi-Experimental Design beziehungsweise bei Qualitativen Studien mit klar definierter Inhaltsanalyse vorwiesen. Von den 243 gefundenen Studien wurden 86 nach Titel, davon 53 im Abstract und hiervon 32 plus 5 zusätzliche Referenzen im Volltext gelesen. Insgesamt flossen 37 Referenzen in die Analyse ein: Etwas mehr als die Hälfte (20 Studien) waren zu Musiktherapie oder musikalischen Interventionen, etwas weniger als ein Drittel (11 Studien) waren zu Kunsttherapie oder kunstorientierten Interventionen und 16.2 % (6 Studien) waren zu Tanz-, Bewegungstherapie oder tanzbasierten Interventionen. Zu Dramatherapie oder Drama-orientierten Interventionen wurden keine Studien gefunden. Bei den eingeschlossenen Studien handelte es sich bei 73 % um RCTs (27 Studien), 10 davon zu Kreativtherapien und 17 zu künstlerisch basierten Interventionen. Von den 37 eingeschlossenen Studien berichteten 81.1 % (n=30) eine signifikante Reduktion des Stressniveaus durch die Interventionen Musik-, Kunst- und Tanz-, Bewegungstherapie beziehungsweise durch Musik-, Kunst- und Tanz-, Bewegungsinterventionen. Außerdem reduzierten sie das Angstniveau und verbesserten die Stimmung. Aktuelle Studien zu Stressbewältigung 3 | 2018 143 Dr. Iris Bräuninger Forscherin, Co-Leiterin Studiengang Psychomotorik (Hochschule für Heilpädagogik Zürich), Dozentin im Masterstudiengang Tanztherapie in Barcelona, Supervisorin / Ausbilderin / Lehrtherapeutin (BTD, ADMTE), Kestenberg Bewegungsnotatorin, private Praxis. ✉ Dr. Iris Bräuninger dancetherapy@mac.com und iris.braeuninger@hfh.ch Diskussion und Schlussfolgerung Alle drei vorgestellten Studien zeichnen sich durch hohe Qualität aus. Die Primärstudie von Ho und KollegInnen (2018) bietet Ergebnisse auf höchstem wissenschaftlichen Niveau mit einer großen Stichprobe und gestattet neben psychologischen auch Aussagen zu physiologischen Effekten. Der RCT von López-Rodríguez und KollegInnen (2017) zeigt, dass auch eine niederschwellige, kurze tanzbasierte Intervention Stress bei StudentInnen reduzieren kann. Der Review von Martin und Kolleginnen (2018) definierte Fragestellung, Suchstrategien, Datenbanksuche klar und angemessen und involvierte mehrere Reviewer in den Auswahl- und Evaluationsprozess. Für zukünftige Forschungsvorhaben im Bereich der Krebsbehandlung stellt sich die Frage, ob der physiologische Parameter Cortisol sinnvoll ist, da aufgrund der großen Variabilität der Probenahme im Tagesverlauf wohl kaum verlässliche Befunde zu erwarten sind (Ho et al. 2018). Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass sich die Stressbewältigung durch Tanz, Tanz-, Bewegungstherapie und Kreativtherapien auf eine breite wissenschaftliche Fundierung stützen kann. Literatur Ho, R. T., Fong, T. C., Yip, P. S. (2018): Perceived stress moderates the effects of a randomized trial of dance movement therapy on diurnal cortisol slopes in breast cancer patients. Psychoneuroendocrinology 87, 119-126, https: / / doi. org/ 10.1016/ j.psyneuen.2017.10.012 López-Rodríguez, M. M., Baldrich-Rodríguez, I., Ruiz-Muelle, A., Cortés-Rodríguez, A. E., Lopezosa-Estepa, T., Roman, P. (2017): Effects of Biodanza on stress, depression, and sleep quality in university students. The Journal of Alternative and Complementary Medicine 23 (7), 558-565, https: / / doi.org/ 10.1089/ acm.2016.0365 Martin, L., Oepen, R., Bauer, K., Nottensteiner, A., Mergheim, K., Gruber, H., Koch, S. C. (2018): Creative arts interventions for stress management and prevention. A Systematic Review. Behavioral Sciences 8 (2), 1-18, https: / / doi. org/ 10.3390/ bs8020028