eJournals körper tanz bewegung 7/2

körper tanz bewegung
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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DGPPN-Kongress 2018

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Krisztina Berger
Mit rund 9000 Teilnehmern aus 50 Nationen wurde der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), das Spitzentreffen der Psychiatrie und Psychotherapie, vom 28. November bis zum 1. Dezember 2018 als Europas größter Fachkongress auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit veranstaltet. „Die Psychiatrie und Psychotherapie der Zukunft“ stand im Mittelpunkt aller vier Kongresstage. Psychische Erkrankungen werden in Deutschland inzwischen als Volkskrankheiten anerkannt. Jeder Vierte ist mindestens einmal im Jahr betroffen. Psychische Leiden gehören heute zu den häufigsten Gründen für Krankschreibungen und frühzeitige Berentungen. Gleichzeitig steigt der ökonomische Druck auf das Gesundheitswesen: Effizienz, Rentabilität und Messbarkeit bestimmen zunehmend die Praxis der modernen Medizin. „Was bedeuten diese Entwicklungen für die Psychiatrie und Psychotherapie? Was können wir besser machen? Was können wir tun, um die Psychiatrie für die Zukunft zu stärken? Wie können wir sicherstellen, dass wir genügend Zeit und Raum für unsere Patienten haben? Wie können wir die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Hilfe- und Versorgungssystems abbilden?“ Diese Fragen stellte Arno Deister, Präsident der DGPPN, in der Eröffnungsrede.
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Kongresse & Tagungen 82 körper-- tanz-- bewegung 7. Jg., S. 82-90 (2019) © Ernst Reinhardt Verlag DGPPN-Kongress 2018 Die psychische Gesundheit der Zukunft M it rund 9000 Teilnehmern aus 50 Nationen wurde der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), das Spitzentreffen der Psychiatrie und Psychotherapie, vom 28. November bis zum 1. Dezember 2018 als Europas größter Fachkongress auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit veranstaltet. „Die Psychiatrie und Psychotherapie der Zukunft“ stand im Mittelpunkt aller vier Kongresstage. Psychische Erkrankungen werden in Deutschland inzwischen als Volkskrankheiten anerkannt. Jeder Vierte ist mindestens einmal im Jahr betroffen. Psychische Leiden gehören heute zu den häufigsten Gründen für Krankschreibungen und frühzeitige Berentungen. Gleichzeitig steigt der ökonomische Druck auf das Gesundheitswesen: Effizienz, Rentabilität und Messbarkeit bestimmen zunehmend die Praxis der modernen Medizin. „Was bedeuten diese Entwicklungen für die Psychiatrie und Psychotherapie? Was können wir besser machen? Was können wir tun, um die Psychiatrie für die Zukunft zu stärken? Wie können wir sicherstellen, dass wir genügend Zeit und Raum für unsere Patienten haben? Wie können wir die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Hilfe- und Versorgungssystems abbilden? “ Diese Fragen stellte Arno Deister, Präsident der DGPPN, in der Eröffnungsrede. Nur vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen können diese Fragen beantwortet werden, daher wurden zum diesjährigen DGPPN-Kongress renommierte Sozialwissenschaftler eingeladen, um die Auswirkung der Veränderungen der Arbeits- und Freizeitwelten auf die psychische Gesundheit zu beleuchten. Zu meiner Überraschung zeigt die umfassende „Vermächtnisstudie“ (Probanden: 3000 repräsentativ ausgewählte Menschen in Deutschland) von Jutta Allmendinger, Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, dass die Deutschen für die Zukunft die Erwerbstätigkeit als erste Priorität setzen, dahinter kommt erst die eigene Gesundheit und Familiengründung. So können wir für die Zukunft noch mehr Leistungsdruck, Vereinsamung und zerbröselnde Beziehungen erwarten, was wiederum destabilisierend auf die psychische Gesundheit wirkt. Lösungsansätze zu dem breitgefassten Themenspektrum wurden in der Eröffnungspressekonferenz u. a. von Arno Deister aufgezeigt: 1. Wir brauchen dringend schweregradgestufte regionale Versorgungsnetze zur Koordination der Hilfsangebote und Steuerung der Patientenwege. 2. Die Qualität psychiatrischer Versorgung hängt maßgeblich von ausreichend Personal und Zeit für Patientengespräche ab. So ist der Gemeinsame Bundesausschuss aufgerufen, eine verbindliche Mindestpersonalanforderung für psychiatrische Kliniken vorzulegen, ihre vollständige Refinanzierung muss ebenfalls gewährleistet werden. 3. Damit das Fach Psychiatrie und Psychotherapie für den Nachwuchs attraktiv bleibt, müssen psychische Erkrankungen als zentrales Thema in das Medizinstudium aufgenommen werden. 4. In der Forschung sind nachhaltig geförderte, vernetzte Strukturen (z. B. Datenbanken und Forschungsnetzwerke) notwendig, die eine dynamische Zusammenarbeit interdisziplinärer Forscher ermöglichen. Das geplante Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit könnte diese Lücke in der deutschen Forschungslandschaft schließen. Darüber hinaus kann die Betroffenen-Perspektive auch bei der Entwicklung von Klinik- Kongresse & Tagungen 2 | 2019 83 konzepten zielführende Ergebnisse für eine bedarfsgerechte Versorgung beisteuern, ergänzte Andreas Heinz, gewählter Präsident der DGPPN. 5. Durch die Ausweitung von vertragsärztlichen Leistungen sollen die Wartezeiten reduziert werden, fordert Sabine Köhler, Vorstand der DGPPN. 6. Hometreatment, d. h. eine Krankenhausbehandlung im häuslichen Umfeld des Patienten, soll die Versorgung noch weiter stärken. So können auch Genesungsbegleiter (Angehörige, Freunde) ihrerseits einen wertvollen Beitrag leisten. Für die Zukunft ist es wünschenswert, dass Betroffene, Angehörige und Profis im Sinne des Trialogs weiter miteinander wachsen, erklärte Cornelia Brummer, Mitglied im Trialogischen Forum der DGPPN. Mit diesen Impulsen für die Zukunft kann die Grundlage einer wirksamen, evidenzbasierten und personenzentrierten Versorgung gesichert werden-- ist die Hoffnung. In all den klugen und weitblickenden Auseinandersetzungen fehlte mir die Übernahme der Verantwortung im Hier und Jetzt für die gesellschaftlichen Entwicklungen. Unsere Unternehmen sind ein Ort des unaufhörlichen Wettbewerbs. Es ist ein Umfeld, wo Schwäche nicht zugelassen bzw. für die Karriere schädlich ist. Vor diesem Hintergrund wirken Lebensbrüche und psychische Probleme stigmatisierend. Wenn die von uns unter der Digitalisierung noch weiter geforderte rasante Entwicklungsgeschwindigkeit weiter steigt, können wir mit noch mehr somatischen und psychischen Krankheiten rechnen. So habe ich auf der Eröffnungspressekonferenz die Idee eines „Positionspapiers der Verlangsamung“ eingebracht, was vom Vorstand der DGPPN freundlich begrüßt wurde. Die Umsetzung der Verlangsamung in den Unternehmen ist zwar idealistisch, gerade deshalb sollte aber jede/ r in Eigenverantwortung verstärkt auf das angemessene individuelle Tempo achten und die eigenen Belastbarkeitsgrenzen nicht übertreten. Es fiel zwar auf der Pressekonferenz die Floskel von Sabine Köhler, Vorstand der DGPPN, dass „der Mensch nur im Ganzen betrachtet werden kann“, die Bedeutung des körperlichen Ausdrucks ist jedoch noch längst nicht im Horizont der Mediziner verankert. Es geschah das erste Mal, dass vom wissenschaftlichen Komitee der DGPPN ein tanz- und bewegungstherapeutischer Workshop für den Kongress ausgewählt wurde: „Das Finden der „inneren Stille“ mit den Methoden der Tanz- und Bewegungstherapie“. An meinem Workshop nahmen hauptsächlich FachtherapeutInnen (ErgotherapeutInnen, KunsttherapeutInnen, …) und Pflegekräfte teil. Die Herausforderung besteht hier also darin, unsere körperpsychotherapeutische Herangehensweise Medizinern und Psychologen nahezubringen und im Versorgungssystem als feste Größe zu verankern. Dr. Krisztina Berger Abb. 1: DGPPN-Eröffnungspressekonferenz: Arno Deister, Präsident der DGPPN, mit Krisztina Berger, Tanz- und Bewegungstherapeutin, Unternehmensberaterin