eJournals körper tanz bewegung 7/1

körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2019.art07d
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2019
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Medien & Materialien: Jens Tasche / Reinhard Weber-Steinbach (Hrsg.): Bioenergetik als mentalisierende Körperpsychotherapie

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Ulrich Sollmann
Jens Tasche / Reinhard Weber-Steinbach (Hrsg.): Bioenergetik als mentalisierende Körperpsychotherapie. Beiträge zum psycho­dynamischen Verständnis einer leibhaften Affektivität Vandenhoeck & Ruprecht, 2018, Göttingen, 226 Seiten, 30,00 € (D) Das vorliegende Buch bietet einen gelungenen, professionellen Einblick in die Verbindung von Körperpsychotherapie / Bioenergetik und mentalisierender Psychotherapie. In den Beiträgen zum psychodynamischen Verständnis einer leibhaftigen Affektivität machen die Autoren die Bedeutung des Körpers nicht nur für Psychotherapie im Allgemeinen deutlich, sondern ganz speziell im Bezug auf Mentalisierungskonzepte der Gruppe um Peter Fonagy. [...]
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Medien & Materialien 42 körper-- tanz-- bewegung 7. Jg., S. 42-43 (2019) © Ernst Reinhardt Verlag Jens Tasche / Reinhard Weber-Steinbach (Hrsg.): Bioenergetik als mentalisierende Körperpsychotherapie. Beiträge zum psychodynamischen Verständnis einer leibhaften Affektivität Vandenhoeck & Ruprecht, 2018, Göttingen, 226 Seiten, 30,00 € (D) D as vorliegende Buch bietet einen gelungenen, professionellen Einblick in die Verbindung von Körperpsychotherapie / Bioenergetik und mentalisierender Psychotherapie. In den Beiträgen zum psychodynamischen Verständnis einer leibhaftigen Affektivität machen die Autoren die Bedeutung des Körpers nicht nur für Psychotherapie im Allgemeinen deutlich, sondern ganz speziell im Bezug auf Mentalisierungskonzepte der Gruppe um Peter Fonagy. Wenn Fonagy die Integration von Mentalisierungskonzepten in jedwede psychotherapeutische Schule propagiert, nehmen die Autoren des vorliegenden Buches es zum Anlass, die fehlende Integration des Körpers in jedwede Psychotherapieschule nicht nur zu fordern, sondern auch qua qualifizierter und erfahrungsbasierter Illustration differenziert zu unterstreichen. Die Autoren sind der Auffassung, dass es offenbar nicht nur Informationsdefizite in den unterschiedlichen Therapie- Schulen dem Körper gegenüber gibt, sondern auch Berührungsängste. Die Buchbeiträge widmen sich theoretischen, praktischen und ausbildungsbezogenen Aspekten wie: ∙ Beschreibung der intersubjektiven Wende der Gegenwartspsychoanalyse als Paradigmenwechsel und Erläuterung des Entwicklungsmodells des Mentalisierens in Bezug auf aktuelle klinische Konzepte ∙ Differenzierte und sensible Beschreibung der subjektiv-persönlichen Perspektive in der Auseinandersetzung mit dem Mentalisierungskonzept anhand konkreter Beispiele aus der eigenen therapeutischen Praxis ∙ Erörterung der eigenen Erfahrung beim Erwerb der Mentalisierungskompetenz im Rahmen der Weiterbildung zum bioenergetischen Analytiker ∙ Tour d’Horizon über die derzeitige Embodiment-Forschung und Darstellung des Spannungsfelds zwischen Mentalisierung und Embodiment als Chance und Möglichkeit, aber auch als Grenze für die Arbeit als bioenergetischer Analytiker ∙ Diskursive Erörterung des Themas „Wie prämentalisierende Modi und partnerschaftliche Sexualität oder mentalisierende Haltung zur kindlichen Sexualität stärkere Beachtung finden können“ ∙ Darstellung von Konzept und angewandter Praxis im klinischen Bereich des „therapeutischen“ Raufens um ein das Mentalisierungskonzept vermittelndes Modell in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ∙ Notizenhafte Bezugnahme des Mentalisierungsparadigmas in Bezug auf die Digitalisierung der Welt Mentalisierung als prozessuales Regulationsmodell früher Körper- und Affekterfahrung ist ohne den Körper überhaupt nicht denkbar. Mentalisieren beginnt also, so beschreibt es Schultz-Venrath präzise und überzeugend im Vorwort, mit dem Körper und wird durch den Körper erlebbar (natürlich stets vor dem Hintergrund kultureller Unterschiede). Medien & Materialien 1 | 2019 43 Wenn Bindungstheorie und Entwicklungstheorie die Bedeutung von einer guten Bindung betonen, kann über das Mentalisierungskonzept präziser, differenzierter und kleinteiliger der Vorgang der Bildung von Bindung beschrieben, erklärt und szenisch verstehbar gemacht werden. Menschen mit Bindungsstörungen haben in der Regel das Vertrauen zu ihrem Körper verloren oder nie entwickelt. Insofern gibt es offensichtlich keine psychische Störung ohne körperliche Beteiligung, was KörperpsychotherapeutInnen aller Richtungen zutiefst vertraut ist. Drücken doch die PatientInnen / KlientInnen ihre „Beschädigung“ gleichsam ohne Worte aus. Mentalisieren ist ein unspezifischer Wirkfaktor, daher ist die Behandlung im körperpsychotherapeutisch-strukturierten Setting gerade über den spielerischen Umgang mit Affekten in der Beziehung wirksam und umsetzbar. Kommt es doch hierbei zur Ermöglichung neuer Erfahrungen nicht nur für den Patienten, sondern auch für den Therapeuten. Eine wesentliche Bereicherung von Körperpsychotherapie ist es daher, Körper-Selbst-Erleben auf der präverbalen Ebene (wieder) in Beziehung möglich, erlebbar und erfahrbar zu machen. „Körperpsychotherapeuten begeben sich auf ein komplexes Feld von Empfindungen, von unbewussten Körperbildern und Leiberinnerungen sowie Übertragungsphänomenen. Sie sind hierbei auf die eigene sinnliche Präsenz, die eigenen Körperempfindungen, Phantasien und Erinnerungen angewiesen, die ebenfalls vorsprachlich im prozeduralen Gedächtnis lokalisiert und somit zunächst weitgehend unbewusst sind und manchmal auch nicht bewusst werden können.“ Das Buch stellt eine gelungene Einführung in diese Themenaspekte dar und ist nicht nur für KörperpsychotherapeutInnen, sondern gerade auch für nicht-körperpsychotherapietätige KollegInnen empfehlenswert. Dipl. rer. soc. Ulrich Sollmann DOI 10.2378/ ktb2019.art07d