körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2019.art24d
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Denn sie wissen nicht, was sie tun?
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Benajir Wolf
Die therapeutische Praxis stellt aus psychoanalytischer Sicht eine Reinszenierung dar, in der PatientInnen agieren und TherapeutInnen als Übertragungsobjekt mitagieren. Die gemeinsame Gestaltung lebt davon, dass therapeutische Interventionen nicht „durchdacht“ sind. Sie sind vielmehr das Ergebnis eines komplexen Prozesses und können häufig erst in der Reflexion begründet und konzeptionell hergeleitet werden. Der vorliegende Beitrag stellt ein Prozessmodell vor, welches das Zusammenwirken spezifischer Komponenten im Un- und Vorbewussten des/r TherapeutIn beschreibt, die zur therapeutischen Handlung führen: Menschen- und Körperbild, persönliche und therapeutische Haltung, Methode und mehr.
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Fachbeitrag 154 körper-- tanz-- bewegung 7. Jg., S. 154-159 (2019) DOI 10.2378 / ktb2019.art24d © Ernst Reinhardt Verlag Denn sie wissen nicht, was sie tun? Das Geschehen im Therapieraum als Produkt des Unbewussten Benajir Wolf Die therapeutische Praxis stellt aus psychoanalytischer Sicht eine Reinszenierung dar, in der PatientInnen agieren und TherapeutInnen als Übertragungsobjekt mitagieren. Die gemeinsame Gestaltung lebt davon, dass therapeutische Interventionen nicht „durchdacht“ sind. Sie sind vielmehr das Ergebnis eines komplexen Prozesses und können häufig erst in der Reflexion begründet und konzeptionell hergeleitet werden. Der vorliegende Beitrag stellt ein Prozessmodell vor, welches das Zusammenwirken spezifischer Komponenten im Un- und Vorbewussten des/ r TherapeutIn beschreibt, die zur therapeutischen Handlung führen: Menschen- und Körperbild, persönliche und therapeutische Haltung, Methode und mehr. Schlüsselbegriffe Prozessmodell, Menschen- und Körperbild, Profession, Haltung, Methode, Körperbedeutung, Unbewusstes For They Do Not Know, What They Are Doing? The Therapeutic Process as a Product of the Unconscious In psychoanalytic understanding, the therapeutic process constitutes a reenactment, in which patients act and therapists co-act as transference objects. In the resulting process therapeutic interventions are not “thought through”, but rather the result of a complex, almost entirely unconscious process. Most interventions can only be substantiated and conceptually deduced in retrospect. The present article introduces a process model, which describes the synergy of specific components-- located in the therapist’s unconscious and preconscious-- in creating the therapeutic intervention: conception of man and body, personal and professional stance, method etc. Key words process model, conception of man and body, profession, stance, method, bodymeaning, unconscious P atientInnen präsentieren uns im Therapieraum unbewusste (Re-)Inszenierungen. In unserer Gegenwart gestalten, erinnern und erleben sie und erkennen oft erst in der gemeinsamen Reflexion, was eigentlich passiert ist und wozu. Wir bemühen uns, bewusst wahrzunehmen, was ihr verkörpertes Unbewusstes erzählt, denn in diesen sogenannten Enactments (Heisterkamp 2004) liegt der Schlüssel zum Sinnverstehen und damit zum Genesungsprozess einer psychischen Erkrankung. Aber haben wir TherapeutInnen wirklich den „Kopf auf den Schultern“, wenn wir im Therapieraum beobachten oder intervenieren? Ist unser Handeln oder Nicht-Handeln das Ergebnis einer bewussten Entscheidung? Wissen wir Geschehen im Therapieraum als Produkt des Unbewussten 4 | 2019 155 wirklich, was wir tun, wenn wir mit PatientInnen arbeiten? Die meisten therapeutischen Interventionen können erst im Nachhinein theoretisch hergeleitet und konzeptionell begründet werden: „In der klinischen Arbeit mit dem Patienten läuft für den geübten Analytiker vieles selbstverständlich ab. Befragt, hat er zunächst Schwierigkeiten, seine Arbeitsweise, seine Fokussierungen der Wahrnehmungen, seine konzeptuellen Überlegungen und Formulierungen von Interventionen zu erklären.“ (Bohleber 2007, 1006) Im jeweiligen Moment, so sagen TherapeutInnen, „fühlte es sich einfach richtig an“. Das klingt unprofessionell, ist es aber gemäß dem hier vorgestellten Prozessmodell nicht. Dieses legt nahe, dass psychotherapeutisches Handeln das Ergebnis eines äußerst komplexen unbewussten Prozesses ist. Prozessmodell der psychotherapeutischen Körperarbeit Die zentralen Komponenten dieses Modells existieren in allen prozessorientierten, körper- und bewegungspsychotherapeutischen Methoden: ● ein Menschen- und Körperbild, welches die persönliche Grundhaltung prägt, ● eine Trias aus therapeutischer Haltung, Methode und Körperbedeutung, die im therapeutischen Handeln ihren Ausdruck findet, ● eine therapeutische Praxis, in der Körper und Wort des Patienten gleichermaßen berücksichtigt werden. Die Unterteilung in unbewusste, vorbewusste und bewusste Bereiche (in der Abbildung links am Rand) und das im Hintergrund angelegte Eisbergprinzip (Freud 1923; Ruch / Zimbardo Abb. 1: Psychodynamisches Prozessmodell der psychotherapeutischen Körperarbeit (Wolf 2019, 38) 156 4 | 2019 Benajir Wolf 1974) illustrieren, dass nur ein kleiner Teil der therapeutischen Arbeit- - der obere Teil des Eisbergs- - dem Bewusstsein des/ r TherapeutIn zugänglich ist. Der gesamte Vorlauf zu einer therapeutischen Handlung gestaltet sich über interne Inhalte und Prozesse und geschieht vor- oder unbewusst. Selbst an der Schnittstelle zur bewussten Reflexion kann nur eine kurze Qualitätskontrolle des nächsten Schrittes (Interventionswahl, Formulierung, Zeitpunkt der Ansage, eigene Position im Raum) erfolgen, bevor die Umsetzung im Therapieraum erfolgt. Was aber ist vorher passiert? Aus welchen Instanzen und Informationen generiert sich therapeutisches Handeln? Die Kerntrias der Körperpsychotherapie (KPT) Im Zentrum des therapeutischen Wirkens stehen therapeutische Haltung und Methode. In körperpsychotherapeutische Methoden fließt auch die Körperbedeutung (Wolf 2019, 2016) des/ r TherapeutIn ein: Sie reflektiert-- analog zum Menschenbild-- das Körperbild des/ r TherapeutIn und determiniert, welche Bedeutung und Aufgabe dem Körper im Therapieprozess zugeschrieben wird: Wird der Körper als Mittel zum Zweck für psychische Prozesse gesehen (Embodimentprinzip), als Dialogpartner mit dem Unbewussten, wie z. B. in der analytischen Tanztherapie oder sinnverstehenden Psychomotoriktherapie, oder als Resonanzinstrument in Systemfeldern, wie z. B. in Familien- oder Navigationsaufstellungen? Den meisten Methoden liegt bereits eine Körperbedeutung zugrunde, in ihre Ausführung fließt jedoch noch das individuelle Körperbild und die therapeutische Haltung des/ r TherapeutIn ein. Konsequenterweise gibt es so viele (z. B.) Bioenergetik-Varianten wie es Bioenergetiker gibt. Von der persönlichen Grundhaltung zur therapeutischen Haltung Die Kerntrias der KPT (therapeutische Haltung, Methode, Körperbedeutung) schöpft inhaltlich aus ihrem holistischen Menschenbild (Geuter 2015, 2), in welchem sich KörperpsychotherapeutInnen mehr oder weniger mit ihrem individuellen Menschen- und Körperbild wiederfinden. Dieses früh verkörperte Bild vom Mensch-Sein und Körper-Haben formt die persönliche Grundhaltung jedes/ r TherapeutIn. Sie trägt individuelle Werte und Normen in die Welt und stellt so die Grundlage allen Handelns dar, sowohl im professionellen wie auch privaten Kontext. KognitionswissenschaftlerInnen nehmen an, dass die Haltung in „allgemeinere kognitive Strukturen eingebettet“ (Preß / Gmelch 2014, 362) sei. Der Begriff Haltung verweist jedoch bereits auf die Verkörperung der persönlichen Philosophie und legt nahe, dass sie tief in unbewusste Strukturen eingebettet ist und von dort aus unser Menschen- und Weltbild in die Welt trägt. Aus der persönlichen Grundhaltung wird eine therapeutische Haltung, wenn „Profession“ (Wolf 2019, 49 f ) einfließt: gelernte Behandlungskonzepte, aktuelle und zurückliegende Erfahrungen aus der Behandlungspraxis und Erfahrungen aus der Eigentherapie. ● Behandlungskonzepte sind als vorrangig kognitive Inhalte nahe am Bewusstsein verortet und sind ihm damit noch am leichtesten zugänglich. Dies ist für ihre Korrektivfunktion vor der Umsetzung einer therapeutischen Handlung wichtig. In den Gestaltungsprozess können sie einfließen, wenn sie über die Komponenten Ausbildung, Eigentherapie und Berufserfahrung persönlich durchdrungen und implizit verankert wurden. ● Die Eigentherapie und selbsterkenntnisfördernde Prozesse sind bis auf wenige prägende Situationen im verkörperten Unbewussten verankert und dem Bewusstsein kaum mehr zugänglich. Dies gilt besonders für Erfahrungen mit Therapiemethoden, welche nicht auf Verhaltensänderung, sondern auf eine Umstrukturierung der Persönlichkeit zielen. Geschehen im Therapieraum als Produkt des Unbewussten 4 | 2019 157 ● Bei den Erfahrungen aus der Behandlungspraxis muss zwischen zurückliegenden Situationen und aktuellem Erleben unterschieden werden. Zurückliegende Erfahrungen dürften-- bis auf erinnerungswürdige Fälle-- im Unbewussten abgespeichert sein. Das Erleben der gegenwärtigen Arbeitspraxis geschieht bewusst. Beide beeinflussen die therapeutische Haltung im jeweiligen Prozess unmittelbar. Die therapeutische Haltung ist damit keine stabile Größe. Zum einen ändert sie sich im Laufe des Berufslebens durch Fortbildung, Berufserfahrung, Supervision und Eigentherapie. Zum anderen ist sie in der aktuellen Therapiesituation eine bewegliche Instanz, die ständigen Änderungsimpulsen ausgesetzt ist. Interaktionen mit dem/ r PatientIn führen zu Haltungsänderungen und Haltungsverlusten. Haltungsänderung und Haltungsverlust Eine Haltungsänderung wird in der Regel als bewusste Entscheidung des/ der TherapeutIn gesehen, um eine Intervention auf den jeweiligen Patienten in der gegebenen Situation abzustimmen. Vielmehr handelt es sich aber um die Wahrnehmung und Reaktion auf eine bereits geänderte Haltung (Fallbeispiel: Wolf 2019, 53). Ebenso wie ein Haltungsverlust (Abwesenheit der Aufmerksamkeit o. ä.) ist sie ein wichtiger Indikator für die aktuellen Beziehungs- und Prozessdynamiken. Der Versuch einer Haltungsänderung, weil die mit der aktuellen Haltung einhergehenden Gefühle (z. B. Wut, Langeweile, Aversion) nicht mit dem professionellen Selbstverständnis vereinbar sind, würde ihre Indikatorenfunktion außer Kraft setzen. Die Reflexion der therapeutischen Haltung ist bedeutsam, da sie dem Willen des/ r TherapeutIn nicht zugängliche Impulse aus dem Unbewussten kanalisiert. Die therapeutische Praxis als unbewusste Inszenierung Die aus dem Gesamtprozess resultierende therapeutische Praxis ist eine gemeinsame Inszenierung von TherapeutIn und PatientIn. In der Körperpsychotherapie entstehen Sequenzen, in denen Körper und Wort des/ r PatientIn abwechselnd in den Vordergrund rücken. Das Regiebuch für diese Szenen wird im Raum des „analytischen Dritten“ (Ogden 1994) geschrieben. Hier begegnen sich das Unbewusste von TherapeutIn und PatientIn und treten in einen Dialog. Der so entstehende Therapieprozess wird zwar bewusst wahrgenommen, unterliegt aber vorrangig unbewussten Dynamiken. Biographische Resonanz Zu diesen unbewussten Dynamiken gehört die biographische Resonanz als Teilaspekt der „leiblichen Resonanz“ (Fuchs 2003, 4). Sie ermöglicht dem therapeutischen Paar, unbewusst das biographische Gewordensein des anderen zu erfassen. Der/ die TherapeutIn kann verkörperte Lebensereignisse (z. B. traumatische Erfahrungen) eines/ r PatientIn wahrnehmen, ohne über sie informiert worden zu sein. Sie tauchen als intuitives (Er)kennen und vorbewusste Ahnungen auf. Für die therapeutische Praxis hat dies weitreichende Konsequenzen: „Für den Patienten bedeutet dies, dass sein Unbewusstes das Skript der Reinszenierung mit der Biographie der Therapeutin abstimmt: Themen, die bei ihr ebenfalls präsent sind oder die im Gegenteil abwesend sind und deshalb im gemeinsamen Prozess potentiell unverstanden bleiben, werden zur Bearbeitung angeboten. Für die Therapeutin bedeutet es zum einen, dass die Themen ihrer Patienten zwangsläufig immer auch ihr Eigenes berühren. Zum anderen macht es ihre Ahnungen über das Gewordensein des Patienten und ihre intuitive Prozessgestaltung zu einem validen Teil der therapeutischen Arbeit.“ (Wolf 2019, 99) 158 4 | 2019 Benajir Wolf Mitagieren oder Ausagieren? Die große Herausforderung für den/ die TherapeutIn besteht darin, Unbewusstes und zutiefst Eigenes einzubringen und zeitgleich bewusst zu differenzieren, ob dieses dem therapeutischen Prozess dienlich ist oder nicht. Der/ die TherapeutIn ist gefordert, sich als Medium zur Verfügung zu stellen und im Skript des/ r PatientIn mitzu(re)agieren, ohne auszuagieren. „Ein Ausagieren der Therapeutin liegt dann vor, wenn sie das Skript des Patienten umschreibt, weil ihre eigene Abwehr aktiviert wurde.“ (Wolf 2019, 74) Diese Prüfung auf Abstinenz kann unmittelbar vor einer Handlung an der Schnittstelle zur bewussten Reflexion geschehen, aber der schmale Grat zwischen Gegenübertragung und eigener Übertragung ist in der aktuellen Situation manchmal trotzdem nicht zu erkennen. Geht man vom Raum des analytischen Dritten als Werkstatt der gemeinsamen Inszenierung aus, dann ist ja gerade das Eigene des/ der TherapeutIn bedeutsamer Teil des Regiebuches. Es darf jedoch nicht so eingebracht werden, dass die therapeutische Abstinenz verletzt wird. Dies passiert beispielsweise, wenn Bewegungsangebote und Interventionen einen eigentlich gut laufenden Prozess unterbrechen, weil dieser von dem/ r TherapeutIn z. B. als unproduktiv oder zu intensiv erlebt wird. Auch ein Verschieben des Fokus von der gemeinsamen Inszenierung auf den Patienten als zu therapierendes Objekt kann darauf hindeuten, dass in TherapeutIn oder Behandlerteam eigene Prozesse angestoßen wurden, die abgewehrt werden sollen. Die Möglichkeiten zum therapeutischen Ausagieren nehmen zu, wenn Körper und Bewegung, Raum, Musik und Materialien die Szene komplexer machen und die Handlungsoptionen des/ r TherapeutIn erweitern. Ebenso wie in Verbaltherapien kann jedoch durch Innehalten, Reflektieren, Spüren und Benennen die Abstinenz gewahrt werden. Das Unbewusste als „Herr im Haus“ Wissen wir also, was wir tun, wenn wir therapeutisch handeln? Das Prozessmodell legt nahe, dass der/ die TherapeutIn bewusst wahrnimmt, was er/ sie im Therapieraum tut, aber dass er/ sie nicht immer sofort weiß, warum. TherapeutInnen scheinen aus ihrer Kerntrias von Haltung, Methode und Körperbedeutung einen „Bereitschaftsraum“ zu schaffen, in dem innere Dialoge („Bewegung wäre jetzt gut- … Ich werde ungeduldig- …- Der spürt sich ja gar nicht-…“) und Handlungsimpulse generiert werden. Die Intervention (z. B. Bewegungsangebot, Spürangebot, verbale Reflexion) wird jedoch nicht „ausgedacht“. Sie entsteht in Resonanz auf einen Therapieprozess, der vorrangig vom Unbewussten geleitet wird. Dies wird dann besonders deutlich, wenn eine Idee für den nächsten Schritt ausbleibt. Angestrengtes Nachdenken kann in solchen Momenten selten etwas ausrichten. Der/ die TherapeutIn steht „auf dem Schlauch“, der Dialog mit dem eigenen Unbewussten scheint unterbrochen. Dies kann z. B. am Eigenen liegen (Themen des/ der PatientIn triggern eigene unbearbeitete Themen) oder an mangelnder Ausbildung oder Berufserfahrung. Es kann jedoch auch Teil der Szene sein und dazu dienen, entsprechend des Patientenskriptes eine frühe Szene voll Ohnmacht, Unfähigkeit, Panik o. ä. zu erleben und so zu verstehen. Auftauchende Handlungsimpulse lassen sich an der Schnittstelle zur Reflexion prüfen, bevor sie im Therapieraum umgesetzt werden. Hier fließen maßgeblich Behandlungskonzepte ein („Wäre diese Intervention adäquat bei diesem Patienten in diesem Moment? “), aber vorrangig geht es um einen nicht-kognitiven Abgleich: Wenn die intuitiv gewählte Intervention sich richtig anfühlt, wird sie umgesetzt; fühlt sie sich falsch an, halten TherapeutInnen inne. Wird also die Rolle des Bewusstseins für die therapeutische Wirksamkeit überschätzt? Nein, aber vielleicht falsch eingeschätzt. Das Bewusstsein ist nicht die Instanz, welche alleine Geschehen im Therapieraum als Produkt des Unbewussten 4 | 2019 159 den Therapieplan schreibt. Das Unbewusste ist das Kreative, das Bewusstsein Korrektiv. Letzteres trägt z. B. dazu bei, die Abstinenz zu wahren und bewertet auftauchende Bilder und Assoziationen. Die Praxis der gleichschwebenden Aufmerksamkeit ermöglicht das bestmögliche Zusammenwirken der verschiedenen Bewusstseinsebenen: in einem Zustand „zwischen träumender, nicht-fokussierter Achtsamkeit (‚reverie‘) und fokussierter und konzentrierter Aufmerksamkeit“ (Zwiebel 2003, 42). Fazit Das Prozessmodell legt nahe, dass psychodynamisch arbeitende TherapeutInnen zwingend darauf angewiesen sind, sich un- und vorbewussten Prozessen zu überlassen. Implizites Wissen und die Fähigkeit zu zwischenleiblichen Resonanzen und Dialogen bilden eine zentrale Grundlage ihres professionellen Handelns. Mit Blick auf professionelles Selbstverständnis und wissenschaftliche Evidenzanforderungen zeigt sich hier ein Kernproblem tiefenpsychologisch fundierter Methoden: Die Behandlungspraxis ist häufig erst in Retrospektive begründbar und nachvollziehbar, und sie ist nicht reproduzierbar. Der Versuch, das therapeutische Handeln in Theorie und Praxis dennoch zu generalisieren, führt zwangsläufig dazu, dass das Phänomen der gemeinsam gestalteten Szenen in den Hintergrund rückt und der/ die PatientIn mit seinen/ ihren messbaren und vergleichbaren Parametern (Störungsbild usw.) in den Vordergrund. Therapeutisches Handeln kann jedoch nicht von der Person des/ r TherapeutIn in Beziehung zur Person des/ r PatientIn getrennt werden. Das Prozessmodell bildet die Erfahrung vieler TherapeutInnen ab, dass sie sich als ganzer Mensch auf den therapeutischen Prozess einlassen müssen, wenn Therapie gelingen soll, und bietet einen Erklärungsansatz, warum die Person des/ r TherapeutIn der wichtigste Wirkfaktor einer Psychotherapie ist. Literatur Bohleber, W. (2007): Der Gebrauch von offiziellen und von privaten impliziten Theorien in der klinischen Situation. Psyche 61 (9 / 10), 995-1016 Freud, S. (1923): Das Ich und das Es. In: Freud, A. (Hrsg.) (1999): Gesammelte Werke. Bd. XIII. Fischer, Frankfurt/ M., 246-255 Fuchs, T. (2003): Non-verbale Kommunikation: Phänomenologische, entwicklungspsychologische und therapeutische Aspekte. In: www. researchgate.net/ publication/ 255656142, 16.8.2018 Geuter, U. (2015): Körperpsychotherapie. Grundriss einer Theorie für die klinische Praxis. Springer, Berlin Heisterkamp, G. (2004): Enactments: Basale Formen des Verstehens. Psychoanalyse & Körper 5, 103-130 Ogden, T. H. (1994): The analytic third: Working with intersubjective clinical facts. The International Journal of Psychoanalysis 75, 3-19 Ruch, F. L., Zimbardo, P. G. (1974): Lehrbuch der Psychologie. Eine Einführung für Studenten der Psychologie, Medizin und Pädagogik. Springer, Berlin Preß, H., Gmelch, M. (2014): Die „therapeutische Haltung“-- Vorschlag eines Arbeitsbegriffs und einer klientenorientierten Variante. Psychotherapeutenjournal 13 (4), 358-365 Wolf, B. (2019): Sinnverstehende Psychomotoriktherapie mit Erwachsenen. Ernst Reinhardt Verlag, München / Basel Wolf, B. (2016): Körperpsychotherapie und Motologie. Arbeitsmodi und -haltungen im Vergleich. motorik 39 (4), 175-180, http: / / dx.doi.org/ 10.2378/ mot2016.art32d Zwiebel, R. (2003): Die Position des Analytikers. In: Gerlach, A., Schlösser, A.-M., Springer, A. (Hrsg.): Psychoanalyse mit und ohne Couch-- Haltung und Methode. Psychosozial, Gießen, 36-59 Dr. Benajir Wolf Dipl.-Sportlehrerin, Dipl.- Motologin, Körperpsychotherapeutin (DGK / EABP). ✉ Dr. Benajir Wolf Philipps-Universität Marburg Institut für Sportwissenschaft und Motologie Barfüßerstraße 1 | D-35037 Marburg
