körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2020.art10d
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Editorial
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Ulfried Geuter
Liebe Leserinnen und Leser, auf dem Internationalen Psychologenkongress in Berlin 2008 traf ich den japanischen Psychologen Genji Sugamura, der seine Forschungen zu Körperhaltung und Depressivität vorstellte. Er erzählte mir, dass es im Japanischen für Körper und Psyche nur ein Wort gebe, das Wort mi. Denn beides sei ja eines. [...]
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49 körper-- tanz-- bewegung 8. Jg., S. 49-50 (2020) DOI 10.2378 / ktb2020.art10d © Ernst Reinhardt Verlag Editorial auf dem Internationalen Psychologenkongress in Berlin 2008 traf ich den japanischen Psychologen Genji Sugamura, der seine Forschungen zu Körperhaltung und Depressivität vorstellte. Er erzählte mir, dass es im Japanischen für Körper und Psyche nur ein Wort gebe, das Wort mi. Denn beides sei ja eines. PsychotherapeutInnen hier denken dagegen eher, der Körper würde auf die Psyche und die Psyche auf den Körper einwirken. In der Idee einer Wechselwirkung wird das Eine getrennt. Noch etwas weckte meine Neugier. Sugamura hatte 2006 in einem Beitrag zu einem auf Englisch erschienenen Buch über buddhistische Psychologie vorgeschlagen, von bodyfulness statt von mindfulness zu sprechen, da sich in der ostasiatischen Tradition Achtsamkeit auf Atmung, Haltung oder Bewegung beziehe. Denselben Begriff schlug 2014 Christine Caldwell in einem Aufsatz vor. Beide regen zum Umdenken an. Es ist schwer, eine Sprache zu finden, die den Dualismus vermeidet. Wie selbstverständlich sagen wir, dass PatientInnen bei somatoformen Störungen etwas in den Körper verschieben, als hätte es vorher nicht dort existiert. Wo aber dann? In einem Geist außerhalb des Körpers? Haftet nicht auch dem Begriff Somatisierungsstörung noch die Vorstellung an, etwas Seelisches werde zu etwas Körperlichem gemacht? Leidet ein Mensch an körperlichen Symptomen, die aus der Psyche kommen, oder umgekehrt? Oder hat er als ganzer Mensch ein Leid, das sich uns mehr in schmerzhaften Empfindungen oder mehr in quälenden Gedanken zeigt? In ihrem Beitrag versuchen Christine Caldwell und Sabine Koch für Begriffe zu sensibilisieren. Sie stellen uns bodyfulness als eine Praktik und Haltung vor: sich aufmerksam, akzeptierend und wertschätzend sich selbst in körperlicher Hinsicht zuzuwenden. Das ist besonders wertvoll, wenn PatientInnen ihr Leid nur in Form körperlicher Beschwerden erleben. Frank Röhricht und Rosemarie Gässler zeigen uns in diesem Heft, dass man dann PatientInnen bei ihren Beschwerden abholen, ihr Leid mit Emotionen und Kognitionen in Verbindung bringen und mit ihnen positive Körpererfahrungen erarbeiten sollte. Sie zeigen zugleich, wie die Körperpsychotherapie durch die Verbindung von Praxis und Forschung vorankommt. In einem Interview von Thomas Haudel mit Mona Lisa Boyesen erfahren wir einiges über die Schule der Biodynamik. Plausibel scheint deren Gedanke, dass Emotionen auch über das Verdauungssystem reguliert werden. Aber hier benötigen die Konzepte noch eine stärkere Verbindung zur Forschung. Liebe Leserinnen und Leser, 50 2 | 2020 Editorial Menschen mit somatoformen Störungen können sich vielfach schlecht abgrenzen. Abgrenzung, erläutert Marianne Eberhard- Kaechele in ihrem Stichwort, hat mit Autonomie zu tun. Wer autonom sein und über sein Leben bestimmen möchte, muss in sich selbst beheimatet sein, in seinem verkörperten Selbst, wie es im Beitrag von Caldwell und Koch heißt. So schließt sich in den verschiedenen Artikeln ein Kreis. Ich wünsche Freude und Inspiration bei deren Lektüre. Prof. Dr. Ulfried Geuter Mitherausgeber „körper-- tanz-- bewegung“
