eJournals körper tanz bewegung 8/3

körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2020.art19d
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Forum: Bewegungsanalytische Personalauswahl als Teil des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

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Susanne Bender
Die Mitarbeiter durch zusätzliche Persönlichkeitsanalysen auf Basis der Bewegungsanalyse-Instrumente Laban Bewegungsanalyse, Kestenberg Movement Profile und Movement Pattern Analysis auszuwählen, ermöglicht Unternehmen, bei einer Stellenbesetzung nicht nur die Fachkompetenz, sondern auch die Persönlichkeit zu berücksichtigen. Sowohl eine ausgewogene Teamzusammensetzung als auch der Einsatz von persönlichen Stärken werden berücksichtigt und wirken somit präventiv auf die Gesundheit aller Betroffenen. Daher repräsentiert die bewegungsanalytische Personalauswahl einen Aspekt des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, der sowohl zur Stress- als auch zur Kostenreduzierung Beachtung finden sollte.
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Forum: Aus der Praxis 108 körper-- tanz-- bewegung 8. Jg., S. 108-116 (2020) DOI 10.2378/ ktb2020.art19d © Ernst Reinhardt Verlag Bewegungsanalytische Personalauswahl als Teil des Betrieblichen Gesundheitsmanagements Ein Praxisbeispiel Susanne Bender Die Mitarbeiter durch zusätzliche Persönlichkeitsanalysen auf Basis der Bewegungsanalyse-Instrumente Laban Bewegungsanalyse, Kestenberg Movement Profile und Movement Pattern Analysis auszuwählen, ermöglicht Unternehmen, bei einer Stellenbesetzung nicht nur die Fachkompetenz, sondern auch die Persönlichkeit zu berücksichtigen. Sowohl eine ausgewogene Teamzusammensetzung als auch der Einsatz von persönlichen Stärken werden berücksichtigt und wirken somit präventiv auf die Gesundheit aller Betroffenen. Daher repräsentiert die bewegungsanalytische Personalauswahl einen Aspekt des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, der sowohl zur Stressals auch zur Kostenreduzierung Beachtung finden sollte. Schlüsselbegriffe Personalauswahl, Teamzusammensetzung, Bewegungsanalyse, Persönlichkeitsanalyse Recruiting by Movement Analysis as a Part of Corporate Health Management Recruiting by the additional use of personality assessment based on the movement analysis tools Laban Movement Analysis, Kestenberg Movement Profile and Movement Pattern Analysis enables companies to consider not only professional competence but also personality in the staffing process. Both a balanced team composition and the implementation of personal strengths take effect and thus have a preventive influence on the health of all those involved. Therefore, movement analysis in recruiting represents an aspect of coporate health management, which should be considered both for stress prevention and cost reduction. Key words recruiting, team development, movement analysis, personality assessment B ei der Überlegung, die Gesunderhaltung und -werdung in Betrieben in den Fokus einer Mitarbeiterfürsorge zu stellen, wird meist nur an die MitarbeiterInnen gedacht, die bereits im Betrieb arbeiten. In diesem Artikel wird eine Möglichkeit für ergänzendeInformationenbeiderMitarbeiterauswahl vorgestellt, die eine optimale Teamzusammensetzung und den Einsatz der Persönlichkeitseigenschaften gewährleisten kann und somit Bewegungsanalytische Personalauswahl 3 | 2020 109 Konflikte unter den MitarbeiterInnen und Stress bei dem Mitarbeiter minimiert, was ein wesentlicher Beitrag zu Erhaltung der psychischen Gesundheit darstellt. Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) sind dauerhafte integrierte betriebliche Strukturen und Prozesse, die die gesundheitsförderliche und -erhaltende Gestaltung von Arbeit zum Ziel haben und dadurch sowohl dem Beschäftigten (stabilerer Gesundheitszustand) als auch dem Unternehmen (weniger Krankenstand) gleichermaßen nützen (Badura et al. 1999). Für die Implementierung und Durchführung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements müssen die Ziele, der Auftraggeber (der Zuständige im Unternehmen), der Kontext und die erforderlichen und zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen geklärt werden (Ulich / Wülser 2018). Setzen Konzepte des BGM bereits bei der Personalrekrutierung ein, so kann „bedarfsgerecht, wirksam und wirtschaftlich“ (Badura et al. 1999, 18) gehandelt werden, was sowohl den Beschäftigten, dem Unternehmen und letztlich der Volkswirtschaft dient. Wenn die Ziele des BGM die Senkung von Kosten und die Erhöhung der Motivation sein sollen, dann muss ein Unternehmen bereits sorgfältig auf die Zusammensetzung der MitarbeiterInnen achten. Die personelle Fehlbesetzung eines Managers, der ein sechsstelliges Gehalt bekommt, macht das finanzielle Risiko des Unternehmens bei der Personalauswahl deutlich. Werden MitarbeiterInnen schlecht oder gar nicht geführt, sinkt dazu noch deren Motivation und Leistungsfähigkeit. Die junge Generation Z (die Anfang-20-Jährigen) sucht wieder vermehrt den direkten Kontakt. „Viel spricht dafür, dass es ausgerechnet im Wettbewerb um die neue junge Generation, deren Mitglieder Digital Natives durch und durch sind, auf die analoge Komponente besonders ankommen wird.“ (Frieß 2020, 41) Da die psychosoziale und psychische Gesundheit eines Arbeitnehmers zu den Zielen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge gehört, muss auch die individuelle Handlungsfähigkeit und das subjektive Wohlbefinden mit einbezogen werden (Bamberg et al. 2011). Das Unternehmen hat die Verantwortung, bereits bei der Rekrutierung die MitarbeiterInnen vor Gesundheitsrisiken jeder Art zu schützen, indem sie sowohl konkrete präventive Maßnahmen zur Schadensvermeidung oder -begrenzung etabliert als auch auf das Wohl und auf berechtigte Interessen der ArbeitnehmerInnen Rücksicht nimmt. Von daher sollte bei der Auswahl neuer MitarbeiterInnen nicht nur die fachliche Qualifikation ein Kriterium sein, sondern auch die Zusammensetzung der Persönlichkeiten in den jeweiligen Arbeitsbereichen. Das Zugehörigkeitsgefühl am Arbeitsplatz hat zudem direkten Einfluss auf den Grad der Zufriedenheit am Arbeitsplatz und die Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes. Wer sich als Teil der Gemeinschaft empfindet, ist zufriedener mit der Arbeit insgesamt, mit den Vorgesetzten und freut sich über einen (sehr) guten Gesundheitszustand (Bender 2015; BMAS 2017). Team „Ein Team ist eine Gruppe von Mitarbeitern, die für einen geschlossenen Arbeitsprozess verantwortlich sind und die das Ergebnis ihrer Arbeit als Produkt oder Dienstleistung an einen internen oder externen Empfänger liefern.“ (Bender 2015, 17) Gelingt es einem Unternehmen, ein Team zusammenzustellen, in dem sich die Persönlichkeiten befruchten, so sind die Teammitglieder ● auch unter erschwerten Bedingungen außerordentlich leistungsfähig. ● hochgradig verantwortungsbewusst und zielorientiert. ● kooperativ zur Optimierung des Ablaufs. 110 3 | 2020 Susanne Bender ● an einem zwischenmenschlichen Klima des Vertrauens und der Offenheit interessiert. ● an einem gegenseitigen Verständnis, einer optimalen Verknüpfung von Informationen und einem aufrichtigen Ausdiskutieren verschiedener Ansichten beteiligt. ● mit einem „Wir“ identifiziert. ● an der Aushandlung gemeinsamer Normen für das Verhalten interessiert (Bender 2015). Diese Kriterien machen bereits den gesundheitlichen Nutzen einer guten Teamzusammenstellung deutlich. Bewegungsanalytisches Recruiting Wird in einem Unternehmen eine wichtige Position neu besetzt, so soll nicht nur die fachlich beste Besetzung gesucht werden, sondern auch eine Persönlichkeit, die sowohl die Aufgaben gut erfüllen, als auch mit den entsprechenden Teammitgliedern gut zusammenarbeiten kann. Zur Erweiterung der Entscheidungskriterien für eine BewerberIn bietet sich das bewegungsanalytische Recruiting an. Es ist für Unternehmen auch deswegen interessant, weil es keine zusätzlichen organisatorischen Aufgaben umfasst. Die komplexen Bewegungsanalyse-Systeme der Laban Bewegungsanalyse, des Kestenberg Movement Profiles und der Movement Pattern Analysis (Bender 2014; Lamb 1979; Moore 2005; Kestenberg Amighi et al. 2018) erlauben es einer geschulten BewegungsanalytikerIn, während eines normalen Bewerbergesprächs umfangreiche bewegungsanalytische Informationen zu sammeln, die sich in einer anschließenden Auswertung und Analyse dann zu einer Persönlichkeitsanalyse verdichten lassen. Diese Bewegungsanalyse-Instrumente haben über 60 einzelne Elemente, die in vielfältiger Weise von einer Person kombiniert werden. Hierdurch werden zu den schriftlichen (Bewerbungsunterlagen) und verbalen Informationen (Bewerbungsgespräch) noch die nonverbalen Aussagen hinzugefügt. Der Bewegungsanalytiker ist nicht Teil der Firma, verfolgt also keine Eigeninteressen und kann auch dadurch unabhängiger die Person beobachten und einschätzen. Wenn eine Firma eine / n BewegungsanalytikerIn beauftragt, um die Personalentscheidung um den Aspekt einer umfangreichen Analyse zu erweitern, erwartet sie eine aussagekräftige, verständliche Analyse, die sowohl die Persönlichkeit des Bewerbers als auch die Firmensituation berücksichtigt. Bei der Beauftragung besteht ein Vertrauensverhältnis zur BewegungsanalytikerIn, und die Firma „kauft“ explizit ihr Fachwissen ein. Die Autorin hat viele solcher Persönlichkeitsanalysen aus der Beobachtung von Bewerbungssituationen erstellt. Auch wenn die Analysen nie einer wissenschaftlichen Bearbeitung zugeführt wurden, sondern dem praktischen Nutzen der Unterstützung für die Entscheider dienen sollte, war es immer wieder sowohl für die Autorin als auch für den Auftraggeber aufschlussreich, wie valide die Aussagen einer sorgfältig erstellten Bewegungsanalyse sind, da sich das beschriebene Arbeits- und Kommunikationsverhalten im Berufsalltag gezeigt hat. Ablauf Vorbereitung Beauftragt ein Unternehmen eine / n BewegungsanalytikerIn für einen Bewerbungsprozess, so müssen im Vorfeld einige Vorbereitungen getroffen werden, damit die Datenerhebung so informativ wie möglich ist. Das Unternehmen hat im Vorfeld die BewerberInnen ausgewählt, die fachlich in Frage kommen, sodass bei einem weiteren Gespräch die Persönlichkeit und die Passung im entsprechenden Team im Vordergrund stehen können. Der/ die BewegungsanalytikerIn studiert zunächst die Stel- Bewegungsanalytische Personalauswahl 3 | 2020 111 lenausschreibung und filtriert daraus die zu suchenden Eigenschaften (siehe Beispiel). In Gesprächen mit der Personalabteilung und den Entscheidungsträgern werden diese konkretisiert und besondere Wünsche der Abteilungen abgefragt. Je nach Arbeitsanforderung beobachtet sie auch das Team, für das ein / e BewerberIn gesucht wird, um die Kompatibilität der Persönlichkeiten besser einschätzen zu können (siehe Analyse von Frau K.). Bewegungsbeobachtung An einem der Bewerbergespräche ist die BewegungsanalytikerIn anwesend. Ihre Platzierung und Einführung ist wichtig. Sie setzt sich neben-hinter die Bewerberin, sodass sie den ganzen Körper (also auch die Beine, die unter dem Tisch sind) beobachten kann. Sie wird meist als „Psychologin“ eingeführt, die allerdings keine Fragen stellen wird. Dies ist für manche Bewerber verwirrend, da normalerweise die Anwesenden viele Fragen stellen, auf die sich die BewerberIn hoffentlich gut vorbereitet hat. Die Firmenverantwortlichen (Personalabteilung, Geschäftsführung, Abteilungsleitung und ähnliche) führen nun ein für sie übliches Bewerbergespräch, während die BewegungsanalytikerIn die bewegungsanalytischen Daten mit Hilfe der oben angeführten Bewegungsbeobachtungstools erhebt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass meist nach eineinhalb Stunden die Datenlage ausreichend ist. Es sind in diesem Zeitraum ca. 1000 Elemente und Elementkombinationen notiert worden, die die Bewegungspräferenzen einer Person verdeutlichen. Dauert das Interview länger, werden zwar mehr bewegungsanalytische Elemente notiert, aber das prozentuale Verhältnis der Elemente ändert sich nicht mehr wesentlich. Eine solch profunde Analyse schützt alle Beteiligten, sich von einem subjektiven Eindruck leiten zu lassen, der häufig zu Fehlentscheidungen führt. Abb. 1: Bewerbungsgespräch mit Bewegungsbeobachtung (von links: Bewegungsanalytikerin, Bewerberin, Geschäftsführerin, Personaler) 112 3 | 2020 Susanne Bender Für eine wichtige Position hatte ein Unternehmen im Vorfeld eine Headhunter-Firma beauftragt, um eine Vorauswahl der Bewerber zu treffen. Als sich die Geschäftsleitung, der Headhunter und die Bewegungsanalytikerin kurz vor dem Bewerbergespräch trafen, meinte der Headhunter zur Bewegungsanalytikerin, dass sie nichts zu beobachten haben werde, da dieser Mann wie ein „Fels in der Brandung“ sei. Der Headhunter hatte den Geschäftsführer bereits so beeinflusst, dass er das Bewerbergespräch fast nur noch als Formsache sah. Der Bewerber war ein großer, stattlicher Mann, der aber eine solche Unruhe und Schnelligkeit sowohl in seinen Armals auch Beinbewegungen hatte, dass das Bild des „Felses in der Brandung“ nicht haltbar war und der Bewerber sich aus vielen Gründen als nicht geeignet erwies. Hätte die Geschäftsleitung auf den Headhunter vertraut, wäre dem Unternehmen sowohl ein personeller als auch ein finanzieller Schaden entstanden. Auswertung In der anschließenden Auswertung werden die Daten analysiert, zueinander in ein Verhältnis gesetzt (was häufig vorkommt, hat eine höhere Bedeutung) und für die Persönlichkeitsanalyse in eine Umgangssprache „übersetzt“. Die Entscheider sind nicht an Bewegungselementen interessiert, sondern wollen kompakt die Relevanz der Persönlichkeitsanalyse für die zu besetzende Stelle erkennen. Diese Analyse wird den Verantwortlichen zugeschickt und dient zur Personalentscheidung. Dabei werden die bewegungsanalytischen Fachbegriffe nicht verwendet. Zudem ist es notwendig, eine klare Sprache zu verwenden. Die Analyse soll eine Personalentscheidung unterstützen. Vage oder relativierende Äußerungen sind keine Hilfe. Nicht selten hat die Autorin erlebt, dass Entscheidungsträger sogar nur die Zusammenfassung der Analyse gelesen haben. Im Folgenden wird ein Beispiel vorgestellt, das so an die Entscheider geschickt wurde. Es dient nicht einer wissenschaftlichen Validierung, sondern möchte dem Leser aufzeigen, wie das Ergebnis dieses Auftrags aussehen kann. Zur besseren Nachvollziehbarkeit für Menschen mit Kenntnissen in den Bewegungsanalyse-Instrumenten sind in dem Beispiel sporadisch einige bewegungsanalytische Begriffe eingefügt, die, meist in Kombination mit noch anderen Elementen, zu dieser Aussage geführt haben. Bewegungsanalytische Begriffe sind kursiv gesetzt (mehr hierzu siehe Bender 2014), fehlen aber im Originaldokument. Die Persönlichkeitseigenschaften beziehen sich auf die Stellenausschreibung und das Vorgespräch und beziehen an manchen Stellen Inhalte des Vorstellungsgesprächs mit ein. Beispielanalyse R. K., 39 Jahre Frau K.s primäre Antriebsqualitäten sind schnell und stark. Nach der Laban Bewegungsanalyse sind dies zwei Antriebe, mit denen wir einmal gegen die Zeit kämpfen (schnell) und einmal die Schwerkraft (stark) kämpferisch nutzen (Bender 2014). Dies macht Frau K. zu einer Kämpfernatur. Sie ist damit in der Lage, Schwerpunkte auf die Dinge zu legen, die getan werden müssen. Ihre Bestimmtheit, was getan werden muss, wird durch die Beschleunigung ihrer Aktivitäten noch verstärkt. Dies befähigt sie, angemessene Aktionen nicht nur zu erkennen, sondern sie auch durchzusetzen. Sie kann schnell neue Dinge aufnehmen und darauf reagieren. Sie ist in einer Wachsamkeit, die es ihr ermöglicht, die Dinge auf ihre Dringlichkeit hin zu erkennen. Sie kann auf passende Gelegenheiten reagieren und die Situation nutzen, bevor sie vorbei ist. Dabei kann sie vermehrt Druck ausüben, wenn dies zur Erlangung des Vorhabens notwendig ist. Sie setzt dann all ihre Gefühle und Gedanken für oder gegen eine Sache ein. Sollten Situationen entstehen, wo das Durchführen des Vorhabens erschwert oder gestört Bewegungsanalytische Personalauswahl 3 | 2020 113 wird, setzt sie noch mehr Druck ein, um dies durchzusetzen. Ihre Schnelligkeit erlaubt es ihr dabei, Strategien schnell zu ändern, um das Vorhaben voranzutreiben. Damit hat sie eine starke Basis für angemessene Aktionen. Frau K. besitzt einige antizipatorischen Eigenschaften (vorrücken), sodass sie sich selbst oder ein Vorhaben in der Zukunft vorstellen kann. Sie kann für sich Ziele setzen und das Ergebnis einer bestimmten Aktion voraussehen. Mit diesen Kombinationen ist Frau K. eine Frau der Tat, kann aber auch schon einmal über das Ziel hinausschießen. Es macht sie ungeduldig, wenn andere nicht so schnell mitkommen oder aber nicht klar sagen, was sie wollen. Sie ist aber auf jeden Fall bereit, darüber in eine Auseinandersetzung zu gehen. Diese machen ihr dann am meisten Spaß, wenn sie nicht nur intellektuell, sondern auch mit Emotionen geführt werden. Ist es ihr im Moment nicht möglich, in Aktion zu treten, hält sie dennoch an ihrem Vorhaben fest. Dies kann dann auch schon mal in Sturheit ausarten (Pressrhythmus). Bei all dem ist sie aber kein Mensch, der seine Seele auf einem Tablett trägt (gebunden). Dies wird durch ihre offene, kämpferische Art sicherlich schnell übersehen. Ihre ganz persönlichen Belange versucht sie zu kontrollieren und braucht dafür wahrscheinlich viel Zeit und Vertrauen, bis sie sich öffnen kann (bei Fragen nach persönlichen Aspekten zeigte sie einen hohen gebundenen Fluss mit getragen). Trotz ihrer Schnelligkeit kann es ihr passieren, dass sie das Ziel aus dem Auge verliert und sich in Diskussionen hineinziehen lässt, ohne zu erkennen, dass das Ganze keinen Fokus mehr hat (Fließrhythmus). Hier wird ihr ihre Reaktionsfähigkeit zum Stolperstein. Es ist Frau K. wichtig, die Möglichkeiten, die bereits existieren, zu erforschen (ausbreiten und einschließen). Sie kann verschiedene Problemlösungen erkennen und alternative Optionen finden, sodass sie dann eine breite Grundlage für ihre Aktionen hat. Dadurch ergeben sich häufig Lösungen, die zuerst nicht erkannt wurden. Sie kann die verschiedenen Optionen zusammenbringen und Unterschiedlichkeiten tolerieren. Diese Toleranz nimmt wahrscheinlich mit zunehmender Vertrautheit der Situation zu. In neuen, schwer einschätzbaren Situationen wird Frau K. in ihre kämpferischen Eigenschaften gehen, mit zunehmender Sicherheit kann sie auch mehr aufnehmen und miteinander verbinden. Auch wenn Frau K. zu einer indirekten Aufmerksamkeit in der Lage ist, ist ihre Präferenz die direkte Aufmerksamkeit. Sie ist damit eine präzise Analytikerin, die gern nach Informationen gräbt, unlogische Gedankenstränge aufspürt und ins Detail gehen kann. Ihre Detailversessenheit wird durch die Bereitschaft, auf äußere Einflüsse zu reagieren, aber erheblich abgeschwächt. Beziehungen und Kommunikationsfähigkeit Frau K. geht in Beziehungen hinein (direkt, vorrücken). Sie fühlt sich am wohlsten, wenn diese gleichberechtigt sind. Menschen, die sich klein machen, bereiten ihr Schwierigkeiten, weil ihr das selbst sehr fremd ist (stark mit viel steigen). Aber KollegInnen und MitarbeiterInnen, die fähig sind, sich auseinanderzusetzen, haben mit ihr eine faire Kämpferin (stark, sinken). Mit zunehmender Sicherheit wird sie in Beziehungen auch vorsichtiger (leicht am Ende des Interviews). Ihre Fähigkeit, Dinge genau aufzunehmen, macht sie aber zu einer aufmerksamen Zuhörerin (direkt). Durch ihre Bereitschaft, Entscheidungen auch sofort umzusetzen, fühlen sich MitarbeiterInnen von ihr ernstgenommen (schnell, direkt). Führungseigenschaften Durch ihre kämpferischen Anteile (schnell, stark, direkt) eignet sich Frau K. sehr gut als Führungsperson. Sie gibt Menschen Orientierung, ist „proaktiv“ (schnell) und scheut auch nicht die Auseinandersetzung, wenn dies notwendig sein sollte. Lediglich bei Personen, die 114 3 | 2020 Susanne Bender zu passiv-aggressivem Verhalten neigen, hat sie Schwierigkeiten, weil diese ihre direkte Art nicht unbedingt aushalten. Zuverlässigkeit Wenn nicht allzu viele Außeneinflüsse kommen, ist Frau K. ohne Probleme zuverlässig. Ihre Zuverlässigkeit ist aber auch abhängig davon, ob sie eine Sache für wichtig erachtet oder nicht (sinken). Sollte sie eine Sache für unwichtig oder überflüssig halten und muss sie sie trotzdem ausführen, wird sie sich sicherlich durch andere, für sie wichtigere Dinge leicht ablenken lassen (frei, Fließrhythmus). Sensibilität Sensibilität wird Frau K. mit zunehmender Sicherheit gewinnen, wobei ihre kämpferischen Anteile ihr dabei sicherlich oft im Weg stehen. Sie ist keine Expertin für die leisen Töne (fehlende Leichtigkeit). Anpassungsfähigkeit und Abgrenzung Durch die Schnelligkeit verfügt Frau K. über ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, wobei dies eher auf der intellektuellen Ebene (sowohl direkt als auch indirekt) passiert als auf der emotionalen (wenig Formen). Durch ihre Stärke kann sie sich sehr gut abgrenzen und ist bereit, sich für eine Sache einzusetzen. Verantwortungsbewusstsein Frau K. weiß, wo ihre Verantwortungen liegen, und übernimmt sie mit Überlegung und Planung, die sie dann allerdings auch schnell durchziehen will (direkt und schnell). Daneben hat sie aber auch ein Bestreben, ihren Verantwortungsbereich auszudehnen, und bringt dazu selbst kreative Vorschläge (ausbreiten, frei, indirekt). Verhalten gegenüber Autoritäten Frau K. lässt sich durch Autoritäten nicht einschüchtern. Trotz der etwas sprunghaften Fragestellung des Geschäftsführers konnte sie direkt bei ihren Gedanken bleiben und diese fortsetzen bzw. erläutern. Autoritäten provozieren eher noch ihren Kampfgeist. Von daher wird das Management es mit ihr auch nicht leicht haben. Sie werden sich auf Auseinandersetzungen einstellen müssen. Anweisungen, die unbegründet von oben kommen, wird sie nicht akzeptieren und sich dagegen zur Wehr setzen. Stressbelastung Je größer der Stress, desto mehr kommt Frau K. in ihre kämpferischen Anteile. Deshalb ist Stress für sie immer eine Herausforderung, bei der sich ihre Leistungen steigern. Für sie wäre es eher problematisch, wenn nichts zu tun wäre. Dies würde sie aber wahrscheinlich mit selbst gestellten Aufgaben ausfüllen. Realitätssinn Da Frau K. eine Frau der Tat ist (viele kämpferische Antriebe und sinken), sind ihr die Tatsachen und die Realität auch immer näher als abgehobene Theorien (wenig steigen). Dies wird sicherlich auch dadurch deutlich, dass sie so lange in der Baubranche arbeiten konnte, die ja sehr „erdverbunden“ ist. Teamfähigkeit Frau K. ist durchaus zur Anpassung bereit, wenn die Umstände für sie stimmen. Sie bietet in dem Kraftaspekt einen guten Gegenpol zu Frau S. So kann Frau K. eher das Kämpferische ausleben und Frau S. den vorsichtigen, behutsamen Teil übernehmen (leicht). Da beide sehr schnell sind, wird Frau Sch. hier manchmal ihre liebe Not haben, beide zu bremsen und zur genauen Reflexion anzuhalten. Frau K. ist dann am teamfähigsten, wenn sie mit anderen ein Vorhaben durchziehen will. Wenn Menschen zu indifferent und schwerfällig sind (was ja in diesem Team nicht der Fall ist), wird sie ihre Sachen alleine durchziehen und die anderen hinter sich lassen. Bewegungsanalytische Personalauswahl 3 | 2020 115 Zusammenfassung Frau K. ist eine Kämpfernatur. Sie bietet dadurch dem Management eine gute Gegenposition. Projekte, die nicht gut durchdacht sind, wird sie nicht einfach ausführen, sondern mit den entsprechenden Personen in die Auseinandersetzung gehen. Dabei sind ihr Hierarchiestufen ziemlich egal. Sie wird mit Frau S. und Sch. ein gutes Team bilden, wobei Frau Sch. beide manchmal wird bremsen müssen. Für Herrn K. ist Frau K. ein gutes Gegenüber, weil sie sich nicht alles gefallen lässt und sich zur Wehr setzen kann. Gleichzeitig erlaubt es ihr ihre Schnelligkeit aber, sich auf seine Schnelligkeit einzustellen und ihm zu folgen. Dabei besteht allerdings bei beiden die Gefahr, dass sie sich in Diskussionen, die von einem Thema zum nächsten führen, verlieren und kein Ende finden. Frau K. erfüllt alle erforderlichen Eigenschaften des „Requirement Profiles“ vom Februar. Sie ist strukturiert und organisiert (direkt), wobei ihr dies sicherlich als erstes verlorengehen kann. Sie ist sehr kommunikativ, und das am liebsten in herausfordernden Situationen oder mit Menschen, die ebenfalls ein klares Profil zeigen. Sie ist zuverlässig. Sie mag Dinge schnell erledigen, kann sich dabei allerdings selbst überholen und die Dinge nicht richtig von der Zeit her einschätzen. Sie arbeitet gerne genau (direkt) und kann gut unter Stress agieren. Sofern ihr Realitätssinn und ihre Bodenständigkeit nicht schon sehr ausgeprägt waren (was ja auch durch die Kampfsportart gelehrt wird), so hat sie dies sicherlich in der Baubranche gelernt. Aufgrund dieses Persönlichkeitsprofils wurde Frau K. eingestellt und in einem zeitnahen Teamtraining die neue Teamkonstellation analysiert und für zukünftige Arbeitsabläufe berücksichtigt. Fazit Im Betrieblichen Gesundheitsmanagement findet die Personalauswahl als prophylaktische Maßnahme bisher zu wenig Beachtung. Die bewegungsanalytische Personalauswahl bietet den Unternehmen eine leicht zu organisierende Optimierung des Recruiting, da die Daten in einem üblichen Bewerbungsgespräch erhoben werden können und somit Firmen, die über kein Assessment Center verfügen, eine Entscheidungshilfe geben. Ein übliches Bewerbungsgespräch bietet genug Beobachtungsdaten für die Persönlichkeitsanalyse. Da die Autorin viele MitarbeiterInnen nach ihrer Einstellung im Unternehmen weiter in diversen Trainings begleitet hat, war es sowohl für die Geschäftsleitung und das Management als auch für sie immer wieder verblüffend zu sehen, wie sehr die Analysen mit den anschließenden Erfahrungen im Arbeits- und Teamverhalten übereinstimmten. So sagte ein Manager zur Teamdynamik, kurz nachdem ein Mitarbeiter eingestellt worden war: „Es passiert jetzt schon das, was in der Analyse steht.“ Literatur Badura, B., Ritter, W., Scherf, M. (1999): Betriebliches Gesundheitsmanagement-- ein Leitfaden für die Praxis. Ed. Sigma, Berlin Bamberg, E., Ducki, A., Metz, A. (Hrsg.) (2011): Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement in der Arbeitswelt. Hogrefe, Göttingen Bender, S. (2015): Teamentwicklung. dtv, München Bender, S. (2014): Die psychophysische Bedeutung der Bewegung-- Ein Handbuch der Laban Bewegungsanalyse und des Kestenberg Movement Profiles. Logos, Berlin BMAS-- Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2017): Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Berichtsjahr 2016. In: www.bmas.de/ Shared- Docs/ Downloads/ DE/ PDF-Meldungen/ 2017/ sicherheit-und-gesundheit-bei-der-arbeit-berichtsjahr-2016.pdf? __blob=publicationFile& v=2, 22.1.2020 116 3 | 2020 Susanne Bender Frieß, F. (2020): Personalmarketing mit Blick auf die Gen Z-- Bitte persönlich werden. Manager Seminare 262, 40-47 Kestenberg Amighi, P., Loman, S., Sossin, M. (2018): The meaning of movement-- embodied developmental, clinical and cultural perspectives of the Kestenberg Movement Profile. Routledge, Abingdon, https: / / doi.org/ 10.4324/ 9781351038706 Lamb, W. (1979): Body Code. Routledge & Kegan Paul, London Moore, C.-L. (2005): Movement and making decisions: the body-mind connection in the Workplace. Rosen Publishing Group, New York Ulich, E., Wülser M. (2018): Gesundheitsmanagement in Unternehmen -arbeitspsychologische Perspektiven. Springer Fachmedien, Wiesbaden, https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-658-18435-3 Susanne Bender Tanztherapeutin, M.A., Ausbilderin, Lehrtherapeutin, Supervisorin BTD, ECP, HP Psych., Paar- und Familientherapeutin, leitet seit 34 Jahren das EZETTHERA, Europäisches Zentrum für Tanztherapie, arbeitet in einer neurologischen Abteilung in Bad Tölz. ✉ Susanne Bender Geyerspergerstr. 25 | D-80689 München www.ezetthera.de