eJournals körper tanz bewegung 9/1

körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2021.art03d
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2021
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Neurophysiologische Mechanismen der Bewegung-Emotion-Interaktion und ihre Verwendung in der Tanz- und Bewegungstherapie

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Tal Shafir
Dieser Artikel ist die Zusammenfassung einer Studienreihe aus den Jahren 2009–2019 zur neurophysiologischen Basis für die Praxis der Tanz- und Bewegungstherapie. Die Studien zeigten, dass bestimmte Bewegungsqualitäten hirnphysiologisch mit spezifischen Emotionen verknüpft sind: Jede Emotion wird assoziiert mit einer einzigartigen Konstellation von Bewegungskomponenten, die Menschen nutzen, wenn sie diese Emotion ausdrücken. Diese Bewegungskonstellation wird bei der Beobachtung als Ausdruck dieser Emotion erkannt, und Bewegung mit dieser Konstellation intensiviert das Emotionsempfinden. Wir identifizierten die Komponenten für die Grundemotionen Wut, Angst, Trauer und Freude und geben hier Anregungen für die Implementierung dieses Wissens in die Praxis der Tanz- und Bewegungstherapie.
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Fachbeitrag 17 körper-- tanz-- bewegung 9. Jg., S. 17-30 (2021) DOI 10.2378 / ktb2021.art03d © Ernst Reinhardt Verlag Neurophysiologische Mechanismen der Bewegung-Emotion-Interaktion und ihre Verwendung in der Tanz- und Bewegungstherapie Tal Shafir Dieser Artikel ist die Zusammenfassung einer Studienreihe aus den Jahren 2009-2019 zur neurophysiologischen Basis für die Praxis der Tanz- und Bewegungstherapie. Die Studien zeigten, dass bestimmte Bewegungsqualitäten hirnphysiologisch mit spezifischen Emotionen verknüpft sind: Jede Emotion wird assoziiert mit einer einzigartigen Konstellation von Bewegungskomponenten, die Menschen nutzen, wenn sie diese Emotion ausdrücken. Diese Bewegungskonstellation wird bei der Beobachtung als Ausdruck dieser Emotion erkannt, und Bewegung mit dieser Konstellation intensiviert das Emotionsempfinden. Wir identifizierten die Komponenten für die Grundemotionen Wut, Angst, Trauer und Freude und geben hier Anregungen für die Implementierung dieses Wissens in die Praxis der Tanz- und Bewegungstherapie. Schlüsselbegriffe Neurophysiologie, Tanztherapie, Emotion, bidirektional, Laban- Bewegungsanalyse, Bewegung-Emotion- Interaktion Neurophysiological Mechanisms Underlying Movement Emotion-Interaction and Their Application in Dance Movement Therapy This paper summarizes a line of research which has explored during 2009 to 2019 the neurophysiological base for the practice of dance-movement therapy (DMT). The studies demonstrated that certain movement qualities are associated in our brain with specific emotions: each emotion has its own unique set of movement components that are used by people when they express that emotion, that are recognized as expressing that emotion when observing whole body emotional expressions, and that enhance the feelings of that emotion when moving with them. We identified those components for the basic emotions: anger, fear, sadness, and happiness, and suggest how to apply this knowledge in DMT practice. Key words neurophysiology, dance-movement therapy, emotion, bi-directional, Laban Movement Analysis, movement-emotioninteraction 18 Tal Shafir 1 | 2021 I n der Tanz- und Bewegungstherapie (TBT) nutzen KlientInnen ihre Körperbewegung sowohl als emotionalen Ausdruck als auch zur Untersuchung, Erforschung, Verarbeitung und allmählichen Veränderung ihrer Emotionen. Diese Verwendung der Bewegung basiert auf die Idee einer internen bidirektionalen Verbindung zwischen Bewegung und Emotionen, in der unsere Bewegung den eigenen emotionalen Zustand beeinflusst und umgekehrt unser emotionaler Zustand unsere Bewegung beeinflusst. Die meisten TanztherapeutInnen haben ein natürliches Empfinden für die Beziehung zwischen Bewegung und Emotionen und assoziieren intuitiv bestimmte Bewegungen mit spezifischen Emotionen. Hingegen ist manchen Menschen diese bidirektionale Verbindung zwischen Bewegungen und Emotionen nicht bewusst, insbesondere nicht die Auswirkungen von Bewegung auf Emotionen. Folglich benötigen wir Evidenz, die die Existenz solcher Verbindungen zwischen bestimmen Bewegungen und spezifischen Emotionen beweist, um die Glaubwürdigkeit unseres Fachgebiets zu stärken. Über viele Jahre hinweg wurde das Fachgebiet der TBT auf der Basis kumulativer professioneller Erfahrung und durch die Kombination von Beobachtungen expressiver Bewegung mit psychologischen Konzepten und Theorien weiterentwickelt und präzisiert. Jedoch mangelt es an einer biologischen Grundlage, gestützt durch empirische Forschung. Unter Anwendung meines akademischen Hintergrundes in affektiven Neurowissenschaften setzte ich mir das Ziel, diese Lücke zu schließen, und zwar durch das Bereitstellen einer neurophysiologischen Erklärung für die bidirektionale Verbindung zwischen Bewegung und Emotion sowie eine Reihe wissenschaftlicher Studien, welche die Existenz einer andauernden bidirektionalen Interaktion zwischen bestimmten Bewegungen und spezifischen Emotionen demonstrieren und bestätigen. Diese Grundlagenforschung führte ich ausschließlich mit gesunden ProbandInnen durch. In diesem Artikel gebe ich einen Überblick über meine Studienreihe und schließe mit Anregungen für die Implementierung der Ergebnisse in die Praxis der TBT ab. Neurophysiologische Mechanismen der Bewegung-Emotion-Interaktion Die Idee, dass Bewegung Emotionen beeinflussen kann, basiert auf der James-Lang-Theorie der Emotionen. Dieser postuliert, dass körperliche Erregung in Bezug auf Stimuli notwendig ist für emotionales Erleben, weshalb Emotionen nicht die Ursache, sondern die Folge von der Aktivierung des autonomen Nervensystems und des emotionalen Verhaltens sind (James 1884). James fasst diese Idee zusammen mit den Worten: „Wir fühlen uns traurig, weil wir weinen, wütend, weil wir schlagen, Angst, weil wir zittern, und nicht, dass wir weinen, schlagen oder zittern, weil wir traurig sind, wütend oder ängstlich“ (James 1884, Übersetzung in Myers 2014). In den letzten Jahren wurde diese Perspektive, dass Emotionen im Körper entstehen, vom Neurologen und Neurowissenschaftler Antonio Damasio in neurophysiologischen Begriffen dargelegt. Seine neurobiologische Hypothese der Emotionen (Damasio 1995) ist Teil seiner bekannten Hypothese der Somatischen Marker (Damasio et al. 1996). Laut Damasio wird der aktuelle Zustand des Körpers durch die Propriozeption (Informationen von Muskeln und Gelenken werden über Haltung und Bewegung an das Gehirn geleitet) sowie Interozeption (Informationen von Organen bzw. Organfunktionen werden über den physiologischen Zustand des Körpers, z. B. thermisch, metabolisch, hormonal usw., an das Gehirn geleitet) übermittelt. Jede Veränderung des Körperzustandes und jeder andere Stimulus, ob external, wie ein visueller Eindruck oder Geräusch, oder internal, wie eine Erinnerung oder ein Gedanke, aktiviert im Gehirn ein Neurophysiologie in der Bewegung-Emotion-Interaktion 19 1 | 2021 „Aktivitätsmuster“. Letzteres setzt ein Bündel physiologischer Reaktionen in Gang, die auf den wahrgenommenen Stimulus oder die Körperveränderung auf eine Weise reagieren, die ein homöostatisches Gleichgewicht wiederherstellt (Damasio / Carvalho 2013). Zu diesem Bündel physiologischer Reaktionen gehören die Aktivierung von 1) dem autonomen Nervensystem und innerer Organe, 2) der Gesichts- und Körpermuskulatur, 3) dem Hormon- und Peptidsystem und 4) Neurotransmitter im Gehirn. Diese physiologischen Reaktionen werden automatisch, unwillkürlich und unbewusst auf der Basis von entweder angeborenem oder erworbenem „dispositionellen Wissen“ in kortikalen Hirnregionen höherer Ordnung und in manchen subkortikalen Regionen gespeichert und aktiviert. Mit dem Begriff „dispositionell“ meint Damasio eine implizit und nicht-topographisch organisierte Kodierung (Damasio et al. 1996). Das erworbene dispositionelle Wissen basiert auf vergangenen persönlichen Erfahrungen, in denen bestimmte Situationen mit spezifischen emotionalen Reaktionen gekoppelt waren. Die aktivierten physiologischen Resonanzbewegungen werden anschließend durch Propriozeption und Interozeption zurück an limbische oder somatosensorische Hirnregionen vermittelt und können entweder unbewusst bleiben oder bewusst werden. Das durch den Stimulus ausgelöste Bündel neuronaler und chemischer Reaktionen und die unbewusste Erkennung der daraus resultierenden Veränderungen des Körperzustandes im Gehirn definierte Damasio als Emotionen. Er differenzierte zwischen Emotionen und Gefühlen, wobei Gefühle als die subjektive, bewusste Erfahrung der Repräsentanz dieser Veränderungen des Körperzustandes im Gehirn definiert werden (Damasio 1995; Damasio et al. 1996, 2000). Darüber hinaus hypothetisierte Damasio über die Existenz von „neural devices that allow us to feel „as if“ we were having an emotional state, as if the body were being activated and modified. Such devices permit us to bypass the body and avoid a slow and energy-consuming process. We conjur up some semblance of a feeling within the brain alone. ‘As-if-body’ devices would have been developed as we were growing up and adapting to our environment (…) by repeatedly associating the images of (…) situations with the images of freshly enacted body states.“ (Damasio 1995, 106) Dieser „Als-ob“-Mechanismus erklärt laut Damasio, wie Gedanken und Erinnerungen Gefühle erzeugen können, auch ohne physiologische Reaktionen im Körper auszulösen. Aber damit ein mentaler Inhalt diese „Umgehungsvorrichtung“ antriggern kann, muss die Emotion zuvor während der Ontogenese den Prozess durch den Körper durchlaufen haben. Die Bedeutung dieser neurobiologischen Hypothese ist, dass gewisse interozeptive und propriozeptive Reize aus dem Körperinneren mit spezifischen Emotionen und Gefühlen im Gehirn assoziiert werden. Diese These impliziert, dass wir die interozeptiven und propriozeptiven Reize, die das Gehirn empfängt, beeinflussen, indem wir unser Bewegungsverhalten kontrollieren und verändern. Und folglich verändern und regulieren wir unsere Gefühle (Riskind 1984). Tatsächlich ist diese Annahme durch Forschung belegt worden und kann in der TBT genutzt werden. Zum Beispiel konnte gezeigt werden, dass progressive Muskelentspannung die Selbstbeurteilung von Empfindungen wie Angst, Depression, Schmerz und Stress effektiv reduziert (Carlson / Hoyle 1993). Ebenso wurde belegt, dass die Ausführung von Machtgesten und -haltungen (power poses) das Empfinden von Macht und Risikotoleranz verstärkt (Carney et al. 2010). Solche Zusammenhänge könnten in der Arbeit mit schüchternen, unterwürfigen Menschen genutzt werden, um sie darin zu unterstützen, sich selbst behaupten zu lernen und sich selbstsicherer zu fühlen. Ein weiterer Weg, diese Idee anzuwenden, ist die Erforschung und Erprobung von neuen, günstigeren 20 Tal Shafir 1 | 2021 Reaktionen auf eine bestimmte Situation oder Erinnerung mittels neuer, andersartiger Bewegungen, die mit anderen Emotionen verbunden sind als diejenigen, die gewöhnlich durch einen solchen Stimulus evoziert werden. Solche Erfahrungen können unser inneres dispositionelles Wissen, das mit dieser Erinnerung oder Situation assoziiert ist, transformieren. Im Gegenzug wird das Aktionsmuster, das dieser Stimulus aktiviert hat, verändert und folglich auch die Emotionen und Gefühle, die es hervorbringt. Obwohl sie andere Begriffe und Formulierungen verwendet, beschreibt Bernstein in ihrem Artikel über TBT mit Betroffenen sexualisierter Gewalt einen ähnlichen Prozess der Erprobung alternativen und neuen Bewegungsverhaltens als Antwort auf Stimuli und Situationen (Bernstein 1995). Ein weiteres bemerkenswertes neurowissenschaftliches Phänomen neben dem neurowissenschaftlichen Prinzip, dass Rückmeldungen vom Körper zum Gehirn unsere Emotionen und Gefühle beeinflussen, sind die Spiegelneuronen. Sie werden ähnlich aktiviert während der Ausführung, der Beobachtung oder der Imagination von Bewegungen. Es wird angenommen, dass die Aktivierung der Spiegelneuronen während der Beobachtung und der Imagination einer Bewegung die Bewegungsbefehle des Gehirns für die Ausführung dieser Bewegungen simuliert, und diese Simulation evoziert wiederum die gleichen Gefühle wie solche, die bei der realen Ausführung der Bewegung intensiviert werden (Gallese / Sinigaglia 2011; Heberlein / Atkinson 2009; Niedenthal et al. 2010). Diese Intensivierung spezifischer Gefühle nach der Beobachtung expressiver Bewegung ist die Basis für unsere Fähigkeit, die Emotionen anderer Menschen zu erkennen, uns empathisch in sie einzufühlen und ihre Intentionen zu verstehen, während wir die Bewegung beobachten. Tanz- und BewegungstherapeutInnen nutzen obiges Konzept, um mittels Bewegungsbeobachtung den emotionalen Zustand ihrer KlientInnen zu erfassen und sich empathisch einzufühlen. Studie 1: Die Verbindung von Emotionen und Bewegung, Beobachtung und Imagination In meinem ersten Experiment wollte ich die neurowissenschaftlichen Prinzipien, die ich im ersten Abschnitt beschrieben habe, untersuchen und aufzeigen, dass Bewegungsausführung, Bewegungsbeobachtung und Bewegungsimagination die assoziierten Gefühle intensivieren. Annehmend, dass die internalen Assoziationen zwischen Bewegung und Emotion sich im Aktivierungsmuster im Gehirn widerspiegeln, wollte ich ergänzend darlegen, dass die Beobachtung von Bewegungen, die mit verschiedenen Emotionen verbunden sind und diese ausdrücken, unterschiedliche einzigartige Aktivierungsmuster im Gehirn verursacht. Für die Untersuchung nutzte ich kurze Videofilme von männlichen und weiblichen Schauspielern, die Emotionen durch Bewegung ausdrückten, welche in ihrer Aussagekraft für die einzelnen Emotionen durch Atkinson (Atkinson et al. 2004) validiert wurden. Bei Atkinsons Wahrnehmungsstudie wurden die SchauspielerInnen gebeten, Emotionen in Bewegung auszudrücken. Diese Bewegungen wurden dann seinen ProbandInnen gezeigt, um zu prüfen, ob die intendierten Emotionen tatsächlich von den ProbandInnen mit den gezeigten Bewegungen verbunden und als solche wahrgenommen wurden. Mein Ziel war hingegen zu zeigen, dass die Ausführung, Beobachtung und Imagination dieser Bewegungen, welche von Atkinsons ProbandInnen als Ausdruck für bestimmte Emotionen erkannt wurden, dazu führt, dass die gleiche Emotion in der Person intensiviert wird. In diesem Sinne wurden meinen ProbandInnen wiederholt zehn verschiedene Videofilme Neurophysiologie in der Bewegung-Emotion-Interaktion 21 1 | 2021 Atkinsons mit dem Bewegungsausdruck für die Emotionen Freude, Trauer, Angst und neutral (d. h. keine spezifische Emotion) gezeigt, und zwar über einen Zeitraum von drei Minuten. Zweitens brachte ich den ProbandInnen die Bewegungen für jede Emotion bei und bat sie anschließend, diese Bewegungen über einen Zeitraum von drei Minuten zu wiederholen. Schließlich bat ich sie, sich vorzustellen, dass sie wiederholt diese eben gelernten Bewegungen ausführen, auch drei Minuten lang. Der emotionale Zustand der ProbandInnen wurde vor und nach der Ausführung, Beobachtung und Imagination von jedem Typ emotionaler Bewegungen mit dem PANAS- (Positive and Negative Affective Schedule) Fragebogen gemessen. Zusätzlich gaben sie mit einer visuell analogen Skala (eine Linie der Gefühlsintensität zwischen null am linken Ende der Linie bis zum Maximum am rechten Ende der Linie) ihre Einschätzung der verschiedenen Emotionen an. Die Ergebnisse zeigen, dass die Ausführung von Freudenbewegungen signifikant positive Gefühle (d. h. die Summe der Ratings von allen Gefühlen im PANAS-Fragebogen, die eine positive Valenz haben) steigerte und Angst, Scham und negative Gefühle (d. h. die Summe der Ratings von allen Gefühlen im PANAS-Fragebogen, die eine negative Valenz haben) signifikant reduzierte. Die Ausführung trauriger Bewegungen steigerte Trauer signifikant und reduzierte Freude und positive Gefühle signifikant. Ängstliche Bewegungen steigerten signifikant negative Gefühle, während sie Freude, Stolz und neutrale Gefühle signifikant reduzierten (Abb. 1.) Der Effekt der Beobachtung und Imagination von Freudenbewegungen erreichte keine statische Signifikanz, zeigte aber die vergleichbare Tendenz, positive Gefühle zu steigern und negative Gefühle zu reduzieren. Hingegen bewirkten die Beobachtung und Imagination von traurigen Bewegungen eine signifikante Steigerung von Trauer und eine signifikante Reduktion von positiven Gefühlen, und die Beobachtung und Imagination von ängstlichen Bewegungen steigerte signifikant Angstgefühle. Diese Ergebnisse bestätigten die Hypothese der Studie, dass die Ausführung, Beobachtung und Imagination von verschiedenen Bewegungen das Erleben von spezifischen, assoziierten Emotionen und Gefühlen fördert. Sie stützen die These der motorischen Simulation durch Spiegelneuronen während der Bewegungsbeobachtung und die Bewegungsimagination als Quelle der Generierung von Emotionen und Empathie. Weitere Erläuterungen und eine Diskussion der Ergebnisse sind der Originalpublikation zu entnehmen (Shafir et al. 2013). Zusätzlich zum Verhaltensexperiment zeigte ich ProbandInnen im Magnetresonanztomographie-Scanner die gleichen Videofilme, um festzustellen, ob ihre Gehirnaktivität etwas über die Beziehung zwischen beobachteten Bewegungen und korrespondierenden hervorgerufenen Emotionen zeigt. Es kam heraus, dass die Beobachtung verschiedener emotionaler Bewegungen im Gehirn in Regionen, die für die Verarbeitung von visuell-motorischen Reizen und für die initiale Emotionsverarbeitung zuständig sind (bilateraler Thalamus, bilaterales Kleinhirn, bilateraler Sulcus temporalis superior und bilateraler Gyrus occipitalis), Aktivierungsmuster erzeugt, die teilweise für alle Emotionen gleich sind. Es waren auch Muster zu erkennen, die sich je nach Emotion unterschieden, was die Idee stützt, dass verschiedene Bewegungen unterschiedliche Emotionen hervorrufen. Mehr noch, diese Aktivierungsmuster korrespondierten mit dem, was wir über das Gehirn wissen: Die Beobachtung ausschließlich freudiger Bewegungen erzeugte Aktivierung im ventralen Striatum, ein Areal, das für Belohnung und Motivation zuständig ist, und Freude ist eine lohnende, motivierende Emotion. Die ausschließliche Beobachtung ängstlicher Bewegungen aktivierte signifikant den parietalen Kortex und ein viel größeres Areal im Motorkortex im Vergleich zu dem, was bei der Beobachtung von Freude- 22 Tal Shafir 1 | 2021 Abb. 1: Veränderung der affektiven Einschätzung zwischen Prä- und Post-Aufgabenperformanz, jeweils nach Aufgaben zur Bewegungsausführung (obere Grafik), Bewegungsbeobachtung (mittlere Grafik) und Bewegungsimagination (untere Grafik). Säulen mit positiven Werten zeigen eine Zunahme der Emotionsintensitäten, Säulen mit negativen Werten zeigen eine Abnahme der Emotionsintensität an. Einheiten basieren auf visuell analogen Zahlenwerten für die Einschätzung von Freude, Stolz, Trauer, Angst, Scham und neutrale Empfindungen sowie Ergebnisse für die positive und negative affektive Einschätzung des PANAS-Fragebogens. In jeder Grafik stellt die linke Säulengruppe die Effekte der Freude-Bewegungen auf die affektive Einschätzung jeder Emotion dar. D. h. in der oberen Grafik meint die linke Säulengruppe die Effekte der Ausführung von Freudebewegungen, in der mittleren Grafik die Effekte der Beobachtung von Freudebewegungen und in der unteren Grafik die Effekte einer Imagination der Ausführung von Freudebewegungen. Die mittlere Säulengruppe in jeder Grafik zeigt die Effekte der Trauer-Bewegungen (ausführen, beobachten, imaginieren), und die rechte Säulengruppe zeigt die Effekte der Angst-Bewegungen. Die weiße Säule repräsentiert neutrale Emotion. Neurophysiologie in der Bewegung-Emotion-Interaktion 23 1 | 2021 und Trauerbewegungen aktiviert wurde. Der parietale Kortex spielt eine Rolle bei der räumlichen Orientierung. In Kombination mit der gesteigerten Motorkortex-Aktivierung bereitet dieses Aktionsmuster vermutlich Flucht- oder Kampfverhalten vor: Die Quelle einer Bedrohung wird lokalisiert und die Richtung eines Fluchtweges eruiert. Schließlich erzeugte die Beobachtung trauriger Bewegungen eine allgemein sehr niedrige Hirnaktivierung in Übereinstimmung mit geringer Reagibilität, Passivität und Inaktivität, die oft Begleiterscheinungen von Trauer sind. Studie 2: Bewegungscharakteristika und Emotionen In den oben beschriebenen Experimenten wurde aufgezeigt, dass der Vollzug oder die Beobachtung bestimmter Bewegungen, zum Beispiel freudige Bewegungen, die korrespondierenden Emotionen und Gefühle intensivieren können, in diesem Fall Freude. Wir wissen jedoch, dass verschiedene Menschen Freude in etwas unterschiedlicher Art und Weise ausdrücken, und so treten nicht immer die genau gleichen Bewegungen auf, die in meinem Experiment genutzt wurden, um Freude zu erzeugen. Doch es ist eindeutig, dass sie Freude und keiner anderen Emotion ausdrücken. Diese Feststellung führte mich zu der Hypothese, dass es nicht spezifische Bewegungen, sondern Bewegungscharakteristika sind, die im Gehirn mit spezifischen Emotionen verbunden werden. Solange eine Bewegung die Bewegungscharakteristika, die mit einer spezifischen Emotion verknüpft sind, enthält, intensiviert sie diese Emotion und wird als Ausdruck für diese Emotion wahrgenommen. Folglich war das Ziel meiner zweiten Studie, diese Hypothese zu prüfen und herauszufinden, welche Bewegungscharakteristika mit den vier Grundemotionen Wut, Angst, Trauer und Freude verbunden sind. Als Methode zur Charakterisierung der Bewegung wählte ich die Laban / Bartenieff-Bewegungsanalyse (LBBA), weil es ein renommiertes und elaboriertes Bewegungsanalyse-System ist, das bereits in Studien verschiedener Disziplinen angewendet wurde. Es ist ein Werkzeug, das in der TBT-Ausbildung vermittelt wird und häufig von TherapeutInnen genutzt wird. Es bedient sich einer Sprache, die jeder verstehen kann, und ist verhältnismäßig einfach für KlientInnen zu verstehen und anzuwenden. In diesem zweiten Experiment, dessen Ergebnisse 2016 (Shafir et al. 2016) und dessen detaillierte Methodologie 2019 (Tsachor / Shafir 2019) veröffentlicht wurden, ermittelten wir LBBA-Bewegungskomponenten, die zu den Emotionen in den Atkinson-Filmen passten. Aus diesen Komponenten gestalteten wir diverse Kombinationen, wobei jede Kombination Bewegungskomponenten der Emotionen Wut, Angst, Trauer oder Freude enthielt. Anschließend wurden LBBA-ExpertInnen gebeten, diese Bewegungskombinationen auszuführen und zu beurteilen, welche der vier Emotionen in ihnen durch die Bewegung hervorgerufen wurde. Der Vorteil der Anwendung von Bewegungskomponenten im Gegensatz zu spezifischen Bewegungen war, dass jede Person ihre eigenen authentischen, ungehinderten Bewegungen ausführen konnte, sie mussten nur den vorgegebenen Bewegungskomponenten entsprechen. Unsere statistische Analyse zeigte, dass bestimmte Bewegungskomponenten das Erleben bestimmter Gefühle voraussagten (Abb. 2): Wut wurde durch Bewegungen, die den Kraftantrieb stark, den Zeitantrieb schnell, den Raumantrieb direkt und die Form vorrücken enthielten, intensiviert. Zurückziehende und einschließende Formen, gebundener Flussantrieb und schrumpfender Formfluss intensivierten Angstgefühle. Passive, schwere Bewegungen, die Arme zum Oberkörper (Brustkorb, Schultern oder Gesicht) zu führen, sinkendes Formen und den Kopf hängen zu lassen, intensivierten Trauer, während Freude durch Sprin- 24 Tal Shafir 1 | 2021 gen, steigendes und ausbreitendes Formen, Richtungsbewegungen aufwärts, freien Fluss, leichten Kraftantrieb und rhythmische Bewegungen intensiviert wurde. Diese Studie bestätigte empirisch die Annahme der TBT, dass Affekte durch die Veränderung von Bewegungscharakteristika beeinflusst werden können. D. h. die Veränderung der Qualität einer nicht näher bestimmten Bewegung wirkt, nicht nur die Ausführung der spezifischen Bewegungen aus den Atkinsons- Filmen. Außerdem wurde durch die Studie herausgefunden, welche Laban-Bewegungskomponenten von TherapeutInnen genutzt werden können, um jede der vier Emotionen zu fördern. Abb. 2: Bewegungskomponenten, die mit den Emotionen Wut, Angst, Trauer und Freude verbunden werden. Jedes Bild zeigt eine Bewegung, welche die Kombination der Komponenten, die unter dem Bild genannt werden, enthielt. Neurophysiologie in der Bewegung-Emotion-Interaktion 25 1 | 2021 Studie 3: Körperlicher Emotionsausdruck und mit Emotionen verbundene Bewegungskomponenten Um die Verbindung zwischen bestimmten Bewegungscharakteristika und spezifischen Emotionen im Gehirn zu untermauern, wollte ich untersuchen, ob die Bewegungsqualitäten, die bei ihrer Ausführung von außen nach innen eine bestimmte Emotion intensivieren, die gleichen Bewegungsqualitäten sind, die Menschen nutzen, wenn sie eine Emotion von innen nach außen zum Ausdruck bringen. Um dies zu zeigen baten wir ProbandInnen, 1. sich an ein freudvolles Ereignis in ihrem Leben zu erinnern, 2. einen kurzen Text über dieses Ereignis zu schreiben, 3. dem Versuchsleiter das Ereignis zu schildern, der sondierende Fragen zum emotionalen Erleben während des Ereignisses stellte, um die emotionale Erinnerung lebendiger werden zu lassen, 4. sich so zu bewegen wie sie es bei dem Ereignis taten, oder in Bewegung auszudrücken, was sie in Schritt 3 empfunden hatten, 5. die Intensität ihres Gefühls bei der Bewegung in Schritt 4 zu beurteilen. Das gleiche Vorgehen wurde mit der Erinnerung an ein trauriges Ereignis und dem Ausdruck von Trauer in Bewegung wiederholt. Anschließend analysierten wir mit LBBA die Bewegungen der ProbandInnen, und zwar während dem Interview (Schritt 3) und während dem emotionalen Bewegungsausdruck (Schritt 4). Anschließend verglichen wir die Ergebnisse mit den emotionalen Intensitätsergebnissen von Schritt 5, um zu erforschen, welche der Laban-Bewegungskomponenten mit welcher Emotion signifikant korrelierten. Die statistische Analyse dieses Experiments (Gilor et al. 2017) zeigte, dass der Ausdruck von Freude die exakt gleichen Bewegungskomponenten beinhaltete wie die Bewegungskombinationen der vorherigen Studie. Außerdem fanden wir zwei weitere Komponenten: schneller Zeitantrieb und Rotation. Der Bewegungsausdruck bei Trauer beinhaltete ebenfalls die gleichen Bewegungskomponenten wie im vorherigen Experiment und ergab zwei zusätzliche Komponenten: enge Kinesphäre und Stille. Das Entdecken weiterer Komponenten kann durch den Umstand erklärt werden, dass diese Studie auf den Bewegungen von 60 verschiedenen Menschen basiert, die sich für einige Minuten authentisch und uneingeschränkt bewegten, während Atkinsons Filme, aus dem die ursprünglichen Bewegungskomponenten extrahiert wurden, auf Bewegungen von wenigen Schauspielern mit vermutlich den typischsten emotionalen Ausdrucksweisen mit nur 4 bis 6 Sekunden Länge basierten. Demnach ist es möglich, dass diese wenigen Schauspieler nicht alle emotionalen Bewegungscharakteristika zur Freude und Trauer in ihrem Bewegungsrepertoire nutzten. Studie 4: Emotionserkennung durch spezifische Bewegungskomponenten In den vorherigen Studien wurde gezeigt, dass die Ausführung spezifischer Bewegungskomponenten die mit ihnen verbundenen Emotionen intensivieren und dass Bewegungen, die zum Ausdruck dieser Emotionen spontan genutzt werden, durch die gleichen Bewegungskomponenten charakterisiert sind. Der nächste Schritt sollte die Validierung der internalen Assoziationen zwischen Bewegungscharakteristika und den verbundenen Emotionen vollenden. So untersuchten wir, ob Bewegungen, die aus solchen Charakteristika bestehen, durch andere als passender Emotionsausdruck wahrgenommen und erkannt werden. Hierfür generierten wir neue unterschiedliche Kombinationen von 2-4 Laban-Bewegungskomponenten, wobei jede Kombination aus Komponenten bestand, die wir zuvor als prädiktiv für eine be- 26 Tal Shafir 1 | 2021 stimmte Emotion identifiziert hatten. Insgesamt gab es 53 Kombinationen: 11 Kombinationen, zur Wut, 11 zur Angst, 11 zur Trauer und 20 zur Freude (Freude hatte mehr Kombinationen, da wir mehr mit Freude verbundene Bewegungskomponenten identifiziert hatten). Anschließend baten wir sechs Certified Movement Analysts (CMAs), sich mit diesen Kombinationen jeweils etwa 4 bis 10 Sekunden zu bewegen, und machten davon Videoaufnahmen. Da es typisch für normale Bewegung ist, Bewegungsqualitäten zu mischen, ist es sehr schwierig, nur ein paar spezielle Bewegungskomponenten präzise durchzuführen, und den CMAs ist dies nicht immer gelungen: Manchmal ergänzten sie eine Komponente oder ließen eine aus. Um dieses Forschungsproblem zu überwinden, baten wir andere CMAs, die Videofilme zu analysieren und jeweils drei Sekunden zu extrahieren, in denen die Bewegung exakt der intendierten Kombination entsprach. Diese Ausschnitte enthielten also alle erforderlichen Komponenten und keine zusätzlichen. Aus den hunderten von Filmen, die wir erstellt hatten, ergaben sich 113 präzise Kurzfilme. In diesen Filmen machten wir die Gesichter unkenntlich. Wichtig zu erwähnen ist, dass die CMAs, die in den Filmen zu sehen waren, nicht gebeten wurden, eine Emotion auszudrücken, sondern lediglich eine Kombination von Bewegungskomponenten auszuführen. Sie waren weder über die Intention der Studie noch über die Ergebnisse der vorangegangenen Studien und die hypothetischen Verbindungen zwischen den Bewegungskomponenten und Emotionen informiert. In unserem nächsten Experiment (Melzer et al. 2019) baten wir ProbandInnen, diese Filme anzuschauen und die wahrgenommene Emotion zu benennen. Wie in Abb. 3 zu sehen ist, wurden alle Emotionen in den Filmen oberhalb der Zufallsgrenze, welche durch eine dunkle Linie markiert ist, erkannt. Um sicherzustellen, dass alle ProbandInnen über übliche Fähigkeiten zur Emotionserkennung bei Bewegung verfügten, baten wir sie zusätzlich, die Emotionen in den Atkinson- Filmen zu erkennen. Der Vergleich der Emoti- Abb. 3: Prozentsatz korrekter Emotionserkennung von erwarteten Emotionen in Kurzfilmen mit emotionsassoziierten LBA-Komponenten inklusive Schwellenwert (schwarze Linie) für zufällige Erkennung (Melzer et al. 2019) Neurophysiologie in der Bewegung-Emotion-Interaktion 27 1 | 2021 onserkennung von unseren Kurzfilmen und den Filmen von Atkinson ergab für unsere Filme eine ebenso hohe Treffsicherheit wie bei den Atkinson-Filmen, obwohl die CMAs in unseren Filmen im Gegensatz zu den Schauspielern bei Atkinson nicht gebeten wurden, Emotionen auszudrücken (Abb. 4). Insgesamt habe ich mit dieser Reihe von Experimenten aufgezeigt, dass Bewegungsmerkmale, die beim Ausdruck einer bestimmten Emotion in Bewegung verwendet werden, diese Emotion erzeugen oder intensivieren, wenn eine Person sie ausführt. Außerdem können dieselben Emotionen bei Beobachtung dieser spezifischen Bewegungen erkannt werden. Darüber hinaus hat jede Emotion ein unterschiedliches und einzigartiges Set von Bewegungscharakteristika, die mit ihr verbunden werden. Dies untermauert die hypothetischen biologischen Mechanismen, welche der Bewegung-Emotion-Interaktion zugrunde liegen. Zusätzlich zur Darstellung des allgemeinen theoretischen Konstrukts erbrachte ich den Nachweis für spezifische, mit LBBA umschriebene Bewegungskomponenten, die mit den vier Grundemotionen Wut, Angst, Trauer und Freude verbunden sind. Implikationen und Anwendungen der Ergebnisse Die Wichtigkeit und Implikationen dieser Studienreihe sind nicht nur theoretischer, sondern auch praktischer Natur: Das Wissen, welche Bewegungseigenschaften mit welcher Emotion verbunden sind, hat vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis der TBT. TanztherapeutInnen können ihre KlientInnen mit den emotionsassoziierten Bewegungskomponenten vertraut machen, sie darin anleiten, jede Komponente korrekt auszuführen, und sie darin unterstützen, die emotionalen Effekte dieser Komponente während der Therapie zu erleben. Darüber hinaus können TherapeutInnen vermitteln, wie diese Erlebnisse Abb. 4: Vergleich des Prozentsatzes korrekter Emotionserkennung bei Kurzfilmen mit LBA-Komponenten (unifarbene Balken) und Atkinsons validierten Kurzfilmen mit emotionale Bewegungen (gestreifte Balken) (Melzer et al. 2019) 28 Tal Shafir 1 | 2021 in den Alltag integriert werden können, indem KlientInnen täglich mehr Bewegungskomponenten mit den passenden Emotionen anwenden, um diese Emotionen zu intensivieren. Auf der anderen Seite können sie Bewegungen reduzieren oder vermeiden, welche Bewegungskomponenten enthalten, die mit unerwünschten Emotionen zusammenhängen. Menschen mit einer Angststörung könnten Interesse daran haben, weniger ihren Körper einschließend und schrumpfend zu bewegen oder gebundenen Spannungsfluss im Alltag zu reduzieren, da diese Komponenten mit Angst verbunden sind. Und depressive Menschen möchten sich vielleicht weniger sinkend, mit passivem Gewicht und hängendem Kopf (traurige Komponenten) bewegen und z. B. auch weniger krumm vor dem Computer oder dem Fernseher sitzen. Beide Populationen können von einer aufrechten, offenen Haltung (steigen und ausbreiten sind freudige Komponenten) und einer täglichen Einheit rhythmischer Bewegung (freudige Komponente) profitieren. Mit solchem täglichen Üben kann KlientInnen ein leicht zugängliches Werkzeug zur emotionalen Selbstregulation an die Hand gegeben werden, durch das sie ihr Bewegungsverhalten kontrollieren oder beeinflussen und die emotionale Intensität oder die Symptomschwere psychischer Erkrankungen lindern können. Andererseits könnte das Erlernen und Üben spezifischer Bewegungsqualitäten KlientInnen unterstützen, die sich mit Emotionen auseinandersetzen möchten und Schwierigkeiten damit haben, wie etwa depressive KlientInnen, die keinen Zugang zu ihrer Wut haben, oder KlientInnen mit somatoformen Störungen, die von ihrer Trauer abgespalten sind oder Angst somatisieren statt sie zu erleben. TanztherapeutInnen können ihnen helfen, Zugang zu dieser Emotion zu finden und sie durchzuarbeiten. Dabei können sie mit LBBA- Komponenten wie z. B. stark, abrupt, direkt und vorrückend vorgehen, um Wut zu intensivieren und auszudrücken, oder sinkende, passive Bewegungen mit Neigung des Kopfes verwenden, um Zugang zu Trauer zu finden. Da die gewünschten Komponenten im Bewegungsrepertoire mancher KlientInnen eventuell nicht vorhanden sind und es nicht einfach ist, gewohnte Bewegungsmuster zu verändern, sollten die vorgeschlagenen Interventionen und die Veränderungen des Bewegungsverhaltens des Klienten vorsichtig und langsam erfolgen. Die Literatur zur LBA bietet drei leitende Prinzipien, um diesen Prozess sanft, aber effektiv und effizient zu vollziehen: 1. Der Verlauf der motorischen Entwicklung ist die beste und einfachste Reihenfolge zur Einführung neuer Bewegungskomponenten, um das Bewegungsrepertoire zu erweitern. 2. Labans Theorie der Affinitäten zwischen Antrieben / Dynamik, Raum und Form ist hilfreich, um das motorische Lernen neuer Komponenten zu erleichtern. 3. Labans Theorie des progressiven Wechsels zwischen Bewegungskomponenten kann die Bewegungsveränderung so strukturieren, dass es sich nicht abrupt oder künstlich anfühlt. Eine detaillierte Erläuterung und eine Beschreibung, wie diese Prinzipien bei der Transformation des Bewegungsverhaltens von KlientInnen helfen können, um die emotionale Resilienz zu steigern, geben wir in unserem Artikel aus dem Jahr 2017 (Tsachor / Shafir 2017). Literatur Atkinson, A. P., Dittrich, W. H., Gemmell, A. J., Young, A. W. (2004): Emotion perception from dynamic and static body expressions in pointlight and full-light displays. Perception 33 (6), 717-746, https: / / doi.org/ 10.1068/ p5096 Bernstein, B. (1995): Dancing beyond trauma: women survivors of sexual Abuse. In: Levy, F. (Hrsg.): Dance and other expressive art therapies: when words are not enough. Routledge, New York, 41-58 Neurophysiologie in der Bewegung-Emotion-Interaktion 29 1 | 2021 Carlson, C. R., Hoyle, R. H. (1993): Efficacy of abbreviated progressive muscle relaxation training: a quantitative review of behavioral medicine research. 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