körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2021.art07d
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Medien & Materialien: Margit Koemeda: Tanzen vor Freude, Zittern vor Wut. Sich von Gefühlen bewegen lassen
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Roland Brückl
Ein Selbsthilfebuch zum großen psychotherapeutischen Thema „Gefühle“ zu schreiben, ist ein gewagtes Vorhaben. Margit Koemeda ist dieses Wagnis eingegangen, und es hat sich gelohnt. Bei Selbsthilfebüchern geht es immer um die Qualitätsmarker Ausführlichkeit und Korrektheit, und in beiden Kategorien gelingt es der Autorin, den aktuellen Stand des Wissens für psychologische Laien und Betroffene lesbar und verständlich wiederzugeben. Sie weist mehrfach darauf hin, wo Selbsthilfe ihre Grenzen hat und professionelle therapeutische Unterstützung angesagt ist.[...]
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52 Medien & Materialien 1 | 2021 Margit Koemeda: Tanzen vor Freude, Zittern vor Wut. Sich von Gefühlen bewegen lassen Beltz-Verlag, 2019, Weinheim, 236 Seiten, 24,95 € E in Selbsthilfebuch zum großen psychotherapeutischen Thema „Gefühle“ zu schreiben, ist ein gewagtes Vorhaben. Margit Koemeda ist dieses Wagnis eingegangen, und es hat sich gelohnt. Bei Selbsthilfebüchern geht es immer um die Qualitätsmarker Ausführlichkeit und Korrektheit, und in beiden Kategorien gelingt es der Autorin, den aktuellen Stand des Wissens für psychologische Laien und Betroffene lesbar und verständlich wiederzugeben. Sie weist mehrfach darauf hin, wo Selbsthilfe ihre Grenzen hat und professionelle therapeutische Unterstützung angesagt ist. Das Buch spannt einen weiten Bogen von den Grundlagen über die Kapitel Emotionen und Körper, Stress und Erregung und Trauma zum Herzstück des Buchs, dem Umgang mit den Gefühlen Angst, Aggression, Liebe, Trauer, Scham, Schuld und Ekel. Ich habe bei den Grundlagen die Erwähnung von Antonio Damasio vermisst, aber halte das für verzeihbar, es handelt sich schließlich um ein Selbsthilfebuch und kein Fachbuch. Sehr erfreulich an diesem Werk ist für uns KörperpsychotherapeutInnen, dass Margit Koemeda den Hilfe und Unterstützung Suchenden Emotionen als leiblich wahrnehmbares Geschehen deutlich macht und auch die Bedeutung des emotionalen Ausdrucks über den Körper betont und mit prägnanten Fallvignetten illustriert. So bekommen die LeserInnen dieses Buchs lebendiges Wissen an die Hand, um sich besser zu spüren, und auch viele Anregungen für den Transfer in den Alltag. Ich muss allerdings kritisch anmerken, dass der größere Teil meiner PatientInnen in der psychosomatischen Fachklinik mit diesen Anregungen überfordert wäre. Die Autorin erwähnt immer wieder die Wichtigkeit von biografischen Erfahrungen, die Hilfestellungen sind jedoch sehr verhaltenstherapeutisch orientiert, dies zeigt sich besonders im angebotenen Online- Material mit Bögen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, Verhaltensanalysen, Problemlösestrategien und Expositionsübungen. Diese sind alle gut für Menschen geeignet, die eine gewisse Reflektionsfähigkeit und psychische Stabilität mitbringen. Margit Koemeda bereichert ihr Buch- - und das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal-- mit der Beschreibung von 68 Körperübungen, die den Umgang und den Ausdruck von Emotionen erleichtern oder möglich machen können. Diese kommen aus der Bioenergetik, der Achtsamkeit oder dem Yoga. Alle sind gut beschrieben und zum Teil illustriert, die meisten sind gut nachvollziehbar, bei einigen erschließt sich mir die Verbindung der Übungen zum angestrebten Ziel leider nicht wirklich. Wenn es an dem Buch etwas zu kritisieren gibt, dann betrifft es nicht die Autorin, sondern den Verlag und das Lektorat. Es gibt zwar ein allgemeines Literaturkapitel, aber es wird kein Bezug zu den entsprechenden Kapiteln und Textstellen im Buch hergestellt. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten: Ich finde den Titel etwas befremdlich, eigentlich hüpft man vor Freude und bebt vor Wut. Das Coverbild finde ich komplett unpassend, es würde besser zu einem Wellnessartikel passen als zu diesem hilfreichen und seriösen Buch. Margit Koemeda ist ein Highlight im Genre der Selbsthilfeliteratur gelungen, dem viele LeserInnen zu wünschen sind. Roland Brückl DOI 10.2378 / ktb2021.art07d
