eJournals körper tanz bewegung 9/1

körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2021.art08d
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Aktuelles aus der Forschung: Aktuelle Tanztherapiestudien zu Autismus

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Iris Bräuninger
Vier aktuelle Studien zum Thema Autismus und Tanztherapie (TT) bilden den Schwerpunkt dieser Zusammenfassung: zwei systematische Reviews aus Brasilien und Japan (Menezes DeJesus et al. 2020; Takahashi et al. 2019) sowie zwei Studien aus Indien, wovon sich eine mit der Verbesserung der Kommunikation und Körperhaltung bei schwer autistischen Kindern befasst (Sengupta?/?Banerjee 2013) und die andere mit der Resilienzstärkung von Eltern (Aithal et al. 2020).
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Aktuelles aus der Forschung 53 körper-- tanz-- bewegung 9. Jg., S. 53-55 (2021) DOI 10.2378 / ktb2021.art08d © Ernst Reinhardt Verlag Aktuelle Tanztherapiestudien zu Autismus Iris Bräuninger Einführung V ier aktuelle Studien zum Thema Autismus und Tanztherapie (TT) bilden den Schwerpunkt dieser Zusammenfassung: zwei systematische Reviews aus Brasilien und Japan (Menezes DeJesus et al. 2020; Takahashi et al. 2019) sowie zwei Studien aus Indien, wovon sich eine mit der Verbesserung der Kommunikation und Körperhaltung bei schwer autistischen Kindern befasst (Sengupta/ Banerjee 2013) und die andere mit der Resilienzstärkung von Eltern (Aithal et al. 2020). Systematische Reviews Takahashi und KollegInnen (2019) führten in Übereinstimmung mit der PRISMA-Checkliste einen systematischen Review über die Wirksamkeit der Tanztherapie bei Autismus Spektrum Störung (ASS) durch. Die Datenbankrecherche erfolgte in Medline, Pubmed, Cinahl und Springer Link und schloss nur englischsprachige TT-Studien zwischen 1970 und 2018 zur Wirksamkeit von TT-Interventionen bei Personen mit ASS ein. Aus 3296 Treffern wurden 3284 Treffer ausgeschlossen. Nach Überprüfung von elf Abstracts gingen letztendlich sieben Studien in den Systematischen Review ein und wurden anhand der Levels of Evidence (LOE, Center for Evidence-based Medicine 2009) bewertet. Zwei Studien wurden mit 2b, drei Studien mit 3b und je eine mit 4 resp. 5 eingestuft. Vier der eingeschlossenen Studien berichteten über einen positiven Einfluss der TT auf die sozialen Fähigkeiten, einschließlich des Ausdrucks von Emotionen und der Synchronisation. Zwei der Studien berichteten von mentalen Verbesserungen sowie einer Verbesserung des Wohlbefindens und der Emotionen. Der systematische Review von Menezes De- Jesus und KollegInnen (2020) beschäftigt sich mit den positiven Wirkungen von Tanzinterventionen auf negative Symptome bei Autismus Spektrum Störung (ASS). Die Datenbankensuche (03 / 2019) in PubMed, Science Direct, Scopus, PsycInfo und Web of Science schloss klinische Studien zu Tanz, Tanztherapie, tanzbasierter Imitation und Synchronisation unter Anwendung der PICO-Strategie ein. Aus 9350 Treffern wurden 105 ausgewählt, wovon wiederum fünf Studien (mit insgesamt 266 Personen) in den systematischen Review eingingen, darunter drei TT-Studien und drei RCTs. Alle eingeschlossenen Studien betonten einen positiven Einfluss des Tanzes auf negative Symptome von ASS mit Wirkung auf Empathie, emotionalen Ausdruck, Körperbewusstsein, Verhalten, psychisches Wohlbefinden und soziale Fähigkeiten. Beide systematische Reviews schlossen vier identische Tanztherapie-Studien ein (Koch 54 1 | 2021 Aktuelles aus der Forschung et al. 2015; Koehne et al. 2016; Hildebrandt et al. 2016; Mastrominico et al. 2018), und die AutorInnen kamen jeweils zu dem Schluss, dass weitere TT-Studien zu ASS notwendig sind. Experimentelle Studie Sengupta und Kollegin (2020) führten eine experimentelle Interventionsstudie mit Prä-Test und drei Post-Test-Messungen zur Wirkung der Tanztherapie auf die Verbesserung der Kommunikation und Körperhaltung bei drei schwer autistischen Kindern durch (1. Kind: 3-5 J., 2. Kind: 6-8 J., 3. Kind: 9-11 J.). Neben der Childhood Autism Rating Scale (CARS) und dem Wessex Language Test wurde die Body Attitude Checklist von Sengupta und Banerjee (2013) eingesetzt. Die TT-Intervention beinhaltete Methoden der Spiegelung, Bartenieff- Grundlagen, „Comfort Touch“ (eine somatosensorische Methode zur Behandlung von Autismus) und Improvisation. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Kommunikation bei allen drei Kindern (nach 6 resp. 9 Monaten) durch die TT verbessern ließ und der Effekt bei Post II und III anhielt, wenn auch abgemildert. Ebenso ließ sich die Kommunikation bei allen drei Kindern vom Prä-Test zum Post-I-Test verbessern, der Effekt hielt nur bei den Kindern 1 und 3 über Post-Test II und III an. Bei Kind 2 war die Kommunikation bei Post-Test II und III ähnlich wie beim Prä-Test. Hermeneutisch-phänomenologische Studie zur Resilienzstärkung der Eltern Aithal und KollegInnen (2020) beschreiben in ihrer hermeneutisch-phänomenologischen Studie, wie die Resilienz bei Eltern von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) durch Tanztherapie verbessert werden kann. An der Studie nahmen sechs Mütter (Durchschnittsalter 29.6 J., vier Erstsprachen Kannada, Bengali, Malayalam, Hindi, alle mit grundlegenden Englischkenntnissen) von Kindern teil (Durchschnittsalter 7.2. J.). Alle Teilnehmenden wurden nach jeder der sechs tanztherapeutischen Gruppentherapie-Sitzungen einzeln in halb-offenen Interviews zu ihren persönlichen Erfahrungen und ihrer Entwicklung in der TT-Gruppe befragt. Insgesamt wurden 33 Interviews durchgeführt und transkribiert. Die Tanztherapeutin (= Erstautorin) führte außerdem ein „Post-Session Journal Writing“ durch. In die Ergebnisse flossen beide Datenquellen ein. Es wurden drei Hauptkategorien und mehrere Unterthemen identifiziert: a. die Reise-Entwicklung: Selbstfürsorge, Ausbruch von Emotionen, Bin-ich-bereit? , Enthüllung, Vermeidung, Balance finden, Wiedergeburt b. therapeutische Faktoren und kontextbezogene Ressourcen: Safe Space, Gruppen- und Peerunterstützung, kinästhetische Empathie, körperliches Engagement, mitgestaltete Choreografie, Musik und Requisiten, kontextbezogene Ressourcen, auf das Kind/ Familien / soziales Umfeld/ Politik bezogene Faktoren c. Ergebnisse zur Tanztherapie: Körperwahrnehmung, Bewusstsein von Stärken / Schwierigkeiten, Verbindungen, Körpererinnerungen, Entspannung (allgemeine Ergebnisse), Kognition, Emotion (spezifische Ergebnisse). Schlussfolgerung Tanztherapie in der Behandlung von Autismus gewinnt an empirischer Evidenz. Die Durchführung der Studien zeigt, dass der Anwendung von Tanztherapie und ihrer Evidenzüberprüfung bei ASS international eine wichtige Bedeutung eingeräumt wird. 1 | 2021 55 Aktuelles aus der Forschung Literatur Aithal, S., Karkou, V., Kuppusamy, G. (2020, in press): Resilience enhancement in parents of children with an autism spectrum disorder through dance movement psychotherapy. The Arts in Psychotherapy, 101708 Center for evidence-based medicine (Hrsg.) (2009): Oxford center for evidence-based medicine levels of evidence. In: www.cebm. ox.ac.uk/ resources/ levels-of-evidence/ oxfordcentre-for-evidence-based-medicine-levels-ofevidence-march-2009, 9.10.2020 Menezes DeJesus, B. M., Oliveira, R. C., de Carvalho, F. O., de Jesus Mari, J., Arida, R. M., Teixeira-Machado, L. (2020): Dance promotes positive benefits for negative symptoms in autism spectrum disorder (ASD): A systematic review. Complementary Therapies in Medicine 49, 102299 Sengupta, M., Banerjee, M. (2020): Effect of dance movement therapy on improving communication and body attitude of the persons with autism, an experimental approach. Body, Movement and Dance in Psychotherapy, 1-13 Sengupta, M., Banerjee, M. (2013): Body attitude and socialization of autism. Indian Journal of Developmental Disability 1(1), 50-54 Takahashi, H., Matsushima, K., Kato, T. (2019): The Effectiveness of dance/ movement therapy interventions for autism spectrum disorder: A systematic review. American Journal of Dance Therapy 41(1), 55-74 Dr. Iris Bräuninger Senior Researcher & Co-Leiterin Studiengang Psychomotoriktherapie (Hochschule für Heilpädagogik Zürich IVE), Dozentin MA Tanztherapie UAB Barcelona, BTD- Supervisorin / Ausbilderin / Lehrtherapeutin, KMP-Notatorin, Praxis Tanztherapie Supervision Bodensee. ✉ Dr. Iris Bräuninger dancetherapy@mac.com und iris.braeuninger@hfh.ch