eJournals körper tanz bewegung 9/4

körper tanz bewegung
9
2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2021.art30d
101
2021
94

Aktuelle randomisierte und kontrollierte Tanzbewegungstherapie ­ Studien zu Mutter-Kind-Gruppen, ­Depression und Demenz

101
2021
Iris Bräuninger
Vorgestellt werden drei RCTs zur Tanzbewegungstherapie (DMT) mit unterschiedlichen Altersgruppen: Kedem und KollegInnen (2021) untersuchten die Wirkung der DMT auf Selbstwahrnehmung und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und die Mutter-Kind-Bindung in einer Mutter-Kind-Gruppe im Vergleich zu einer Gruppe nur mit Kindern. Hyvönen und KollegInnen (2020) verglichen die Auswirkung von DMT und TAU (Treatment As Usual) mit ausschließlich TAU auf die depressive Symptomatik bei Erwachsenen. Ho und KollegInnen (2020) führten einen dreiarmigen RCT durch, welcher die Wirksamkeit einer DMT-Gruppe mit einer Trainingsintervention und einer Wartelisten-Kontrollgruppe bei älteren Menschen mit milder Demenz verglich. [...]
9_009_2021_4_0008
Aktuelles aus der Forschung 209 körper-- tanz-- bewegung 9. Jg., S. 209-211 (2021) DOI 10.2378/ ktb2021.art30d © Ernst Reinhardt Verlag Aktuelle randomisierte und kontrollierte Tanzbewegungstherapie- Studien zu Mutter-Kind-Gruppen, Depression und Demenz Iris Bräuninger V orgestellt werden drei RCTs zur Tanzbewegungstherapie (DMT) mit unterschiedlichen Altersgruppen: Kedem und KollegInnen (2021) untersuchten die Wirkung der DMT auf Selbstwahrnehmung und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und die Mutter-Kind-Bindung in einer Mutter-Kind- Gruppe im Vergleich zu einer Gruppe nur mit Kindern. Hyvönen und KollegInnen (2020) verglichen die Auswirkung von DMT und TAU (Treatment As Usual) mit ausschließlich TAU auf die depressive Symptomatik bei Erwachsenen. Ho und KollegInnen (2020) führten einen dreiarmigen RCT durch, welcher die Wirksamkeit einer DMT-Gruppe mit einer Trainingsintervention und einer Wartelisten-Kontrollgruppe bei älteren Menschen mit milder Demenz verglich. Wirksamkeit auf Selbstwahrnehmung und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und ihrer Mutter-Kind- Beziehung I n einem RCT wurden zwei DMT-Interventionen miteinander verglichen: eine Mutter- Kind-Gruppenintervention (PCDMT, n=40) mit einer Kinder-Gruppenintervention (DMT, n=40) (Kedem et al. 2021). Die 80 teilnehmenden Regelschulkinder (Alter 5-7) wurden aus verschiedenen Gründen zur Therapie angemeldet (59 % wegen emotionaler Regulation und 23 % wegen Verhaltensauffälligkeiten). Im Vor- und Nachtest füllten die Kinder mit Hilfe der Therapeut*innen den Fragebogen zur Selbstwahrnehmung aus (PSPCSA). Die Mütter füllten drei Fragebögen aus: a) Fragebogen zur Einschätzung des Kindesverhaltens (CBCL); b) Fragebogen zur Wahrnehmung der Beziehung zwischen Eltern und Kindern (RFMQ) und c) Fragebogen zur eigenen psychopathologischen Belastung (BSI). Die TherapeutInnen (n=11) füllten den Therapie-Bewertungsfragebogen aus (TSR). Die Gruppenintervention (mit je 3-4 Kindern) fand 16-mal statt. Überprüft wurden zwei Hypothesen: 1. Beide Gruppen PCDMT und DMT verbessern sich, wobei sich die Gruppe PCDMT mehr als die Gruppe DMT verbessert. 2. Die TherapeutInnen stellen eine signifikante Verbesserung in den Behandlungsergebnissen im Nachtest im Vergleich zum Vortest bei den Kindern und den Müttern fest. Die Ergebnisse bestätigten beide Hypothesen: Ergebnisse bezüglich Hypothese 1: Die Ergebnisse der multivariaten Varianzanalyse von 210 4 | 2021 Iris Bräuninger Evaluation-Outcome-Measure (CORE-OM) und die Symptom-Check-List-90 (SCL-90) eingesetzt. Beim Vortest bestand beim BDI, CORE- OM und SCL-90 kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen, lediglich war die DMT- Gruppe durchschnittlich etwa fünf Jahre älter. Im Vergleich Vortest und 3-monatige Katamnese konnte ein signifikanter Unterschied zwischen der Behandlungs- und Kontrollgruppe beim BDI, CORE-OM und SCL-90 nachgewiesen werden. Dies bedeutet, dass sich die depressive Symptomatik in der DMT-Gruppe reduzierte, hingegen nicht in der Kontrollgruppe, und dieser Effekt auch drei Monate nach der Behandlung anhielt. Psychophysiologische Wirksamkeit bei älteren Erwachsenen mit Demenz Der dreiarmig verblindete RCT verglich die Wirksamkeit einer DMT-Gruppe mit einer Sportgruppe und einer Wartelisten-Kontrollgruppe auf die kognitiven, täglichen, psychosozialen und neuroendokrinen Bereiche von älteren Menschen mit Demenz (N = 204) (Ho et al. 2020). Die DMT- und Sportgruppen erhielten zweimal pro Woche über 12 Wochen insgesamt 24 Gruppensessions. Alle Personen wurden zu vier Messzeitpunkten untersucht: zum Studienbeginn, nach drei Monaten (Interventionsende) und zu zwei Follow-Up-Untersuchungen (nach sechs und 12 Monaten), füllten Fragebögen zum psychosozialen Wohlbefinden, zu Alltagsfunktionen und zu neurokognitiven Assessments aus und erhielten Speichelkortisolmessungen. Die Ergebnisse wiesen in der DMT-Gruppe eine signifikante Reduktion der Depression, Einsamkeit und negativen Stimmung nach (d = 0,33-0,42, p < 0,05) sowie eine Verbesserung der Alltagsfunktionen (d = 0,40, p < 0,01) und Steigerung des Kortisolspiegels (d = 0,30, p < 0,01). Die positiven Ergebnisse auf Alltagsfunktion und Kortisol-Steigerung blieben auch bei der 1-Jahres-Follow-up-Unter- MANOVA zeigten eine Verbesserung der Selbstwahrnehmung der Kinder in beiden Gruppen, wobei die Ergebnisse der Mutter-Kind-Gruppe (PCDMT) besser waren als die der Gruppe mit nur Kindern (DMT) [F(1,39) = 9.74, p < 0.01, η2 = 0.15]. Die Ergebnisse belegten außerdem eine signifikante Reduktion der kindlichen Verhaltensprobleme in beiden Gruppen mit marginal besseren Werten in der PCDMT gegenüber der DMT [F (1,39) = 3.36, p = 0.07, η2 = 0.14]. Die Mütter der Experimentalgruppe berichteten von einer größeren Verbesserung der Mutter-Kind-Beziehung verglichen zur Kontrollgruppe [F(1,39) = 3,54, p = 0,06, η2 = 0,43]. Die psychische Gesundheit der Mütter beider Gruppen verbesserte sich [F(1,39) = 4,93, p < 0,05, η2 = 0,06] ohne Unterschied zwischen den Gruppen, was bedeutet, dass beide Gruppen das mütterliche psychische Wohlbefinden steigerten. Ergebnisse bezüglich Hypothese 2: Die Einschätzung der TherapeutInnen belegten sowohl bei den Kindern [F(1,39) = 41.27, p < 0.01, η2 = 0.51] als auch ihren Müttern [F(1,39) = 38.42, p < 0.01, η2 = 0.49] eine deutliche Verbesserung des therapeutischen Prozesses im Vergleich vom ersten Trimester zum letzten Trimester. Wirksamkeit bei Erwachsenen mit Depression Der multizentrische RCT bei Personen mit Depression (N = 109, Durchschnittsalter 39 Jahre (18-64), davon 96 % weiblich) verglich eine DMT-Interventionsgruppe (n = 52, zweimal pro Woche über 10 Wochen, insgesamt 20 Gruppensessions), welche auch TAU erhielt, mit einer Kontrollgruppe (n = 57), welche nur TAU bekam (Hyvönen et al. 2020). Beide Gruppen wurden zu drei Zeitpunkten getestet (Vortest, Nachtest, 3-monatige Katamnese). Als Messinstrumente wurde das Beck Depression Inventory (BDI), das Clinical-Outcomes-in Routine- 4 | 2021 211 Aktuelles aus der Forschung suchung erhalten. Im Vergleich zeigten sich weder in der Sportgruppe noch in der Wartekontrollgruppe positive Veränderungen in den psychophysiologischen Bereichen. Schlussfolgerung Die drei RCTs weisen auf kurzfristig positive Effekte von Kurzzeit-DMT auf die Selbstwahrnehmung und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und deren Mutter-Kind-Beziehung (Kedem et al. 2021), Reduktion depressiver Symptomatik von Erwachsenen (Hyvönen et al. 2020) und Verbesserung psychophysiologischer Funktionen von älteren Menschen mit milder Demenz hin (Reduktion der Depression, von Einsamkeit und negativer Stimmung, Verbesserung der Alltagsfunktionen und der neuroendokrinen Funktionsweise) (Ho et al. 2020). Zukünftige Studien könnten prüfen, ob sich längere Interventionszeiträume und/ oder höhere Behandlungshäufigkeit positiv auf die Langzeitwirkung von DMT in unterschiedlichen Bereichen auswirkt. Literatur Ho, R. T., Fong, T. C., Chan, W. C., Kwan, J. S., Chiu, P. K., Yau, J. C., Lam, L. C. (2020): Psychophysiological effects of dance movement therapy and physical exercise on older adults with mild dementia: a randomized controlled trial. The Journals of Gerontology: Series B 75, 560-570 Hyvönen, K., Pylvänäinen, P., Muotka, J., Lappalainen, R. (2020): The effects of dance movement therapy in the treatment of depression: a multicenter, randomized controlled trial in Finland. Frontiers in psychology 11, 1687 Kedem, D., Regev, D., Guttmann, J. (2021): Moving together: Assessing the effectiveness of group mother-child dance and movement therapy. The Arts in Psychotherapy 74, 101803 Dr. Iris Bräuninger Senior Researcher & Co-Leiterin Studiengang Psychomotoriktherapie (Hochschule für Heilpädagogik Zürich IVE), Dozentin MA Tanztherapie UAB Barcelona, BTD-Supervisorin / Ausbilderin / Lehrtherapeutin, KMP-Notatorin, Praxis Tanztherapie Supervision Bodensee. ✉ Dr. Iris Bräuninger dancetherapy@mac.com oder iris.braeuninger@hfh.ch