körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Gabriela Wittmann/Ursula Schorn/Ronit Land: Anna Halprin. Tanz - Prozesse - Gestalten
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2022
Martina Piff
Es ist die dritte überarbeitete Auflage des Buches über das Leben und Werk der im Jahr 2021 in ihrem 100. Lebensjahr verstorbenen Choreografin, Pädagogin und Pionierin des kreativen Tanzes, Anna Halprin. Diese Auflage hat ein verändertes Vorwort, die vorherige, ohnehin schon sehr ausführliche Liste der Performances wurde erweitert und aktualisiert, zusätzlich wurden noch weitere Fotos hinzugefügt.
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Medien & Materialien 117 körper-- tanz-- bewegung 10. Jg., S. 117-120 (2022) © Ernst Reinhardt Verlag Gabriela Wittmann / Ursula Schorn / Ronit Land: Anna Halprin. Tanz-- Prozesse-- Gestalten K. Kieser, 3. akt. Aufl. 2021, München, 211 Seiten, 24,00 € (D) E s ist die dritte überarbeitete Auflage des Buches über das Leben und Werk der im Jahr 2021 in ihrem 100. Lebensjahr verstorbenen Choreografin, Pädagogin und Pionierin des kreativen Tanzes, Anna Halprin. Diese Auflage hat ein verändertes Vorwort, die vorherige, ohnehin schon sehr ausführliche Liste der Performances wurde erweitert und aktualisiert, zusätzlich wurden noch weitere Fotos hinzugefügt. Die drei Koautorinnen Gabriele Wittmann, Ulla Schorn und Ronit Land beschäftigen sich in ihrem Kapitel jeweils mit einem anderen Bereich, daraus ergeben sich verschiedene Blickwinkel auf das Leben und Schaffen von Anna Halprin. Zusätzlich beleuchten die drei Autorinnen in Dialogen die besondere Arbeitsweise von Anna Halprin und stellen so sehr gezielt und dezidiert die Vorteile und Hürden ihrer tänzerischen, tanzkünstlerischen und pädagogischen sowie der ans Therapeutische grenzenden Arbeit dar. Gabriele Wittmann beschreibt sehr ausführlich Halprins privaten und beruflichen Werdegang mit den unterschiedlichsten Stationen seit ihrer Ausbildung zur Tänzerin und Pädagogin und fügt dabei immer wieder englische Zitate von ihr ein. Auch der Einfluss von Halprins jüdischen Wurzeln und ihre Kontakte zu Menschen wie Moshe Feldenkrais, Fritz Perls oder den aus Deutschland emigrierten Mitgliedern des Weimarer Bauhauses werden ausführlich dargestellt. Einen großen und wichtigen Teil nimmt Halprins persönliche Tanzkarriere mit ihren vielen Solo- und Companystücken ein. Wittmann beschreibt sehr anschaulich, wie Anna ein Projekt nach dem anderen für sich selbst oder ihre Company „San Francisco Dancers’ Workshop“ entwickelte und wie sich innere und äußere Einflüsse in ihren Performances zeigten. Ulla Schorn beschäftigt sich intensiv mit den Möglichkeiten und Grenzen der von Halprin erfundenen und entwickelten Methoden: dem „Life Art Process“ als einem Baustein für kreatives Handeln sowie mit den drei Stufen des Movement Rituals, dem Five-Part-Process, dem RSVP Cycle und den Selbstporträt-Tänzen. Sie beleuchtet und hinterfragt die Methoden, um ihren Wert für kreative oder therapeutische Prozesse herauszuarbeiten und ihre Möglichkeiten und Grenzen aufzuzeigen. Zur Veranschaulichung führt sie mehrere Beispiele aus der Praxis an. Schorn verdeutlicht im Gespräch mit Wittmann ihre Haltung und zieht eine deutliche Grenze zwischen Pädagogik und Kreativität und therapeutischem Einsatz der Methoden von Anna Halprin. Sie unterstreicht, dass die Arbeit mit dem Life Art Process sehr schnell an und in tiefe Emotionen führen kann, deshalb hat sie sich selbst für eine zusätzliche fundierte therapeutische Ausbildung entschieden. Zusätzlich weist sie im Buch mehrfach deutlich darauf hin, dass Halprin sich selbst weder als Therapeutin noch als Heilerin sah, sondern immer wieder den Aspekt der persönlichen Intention und ihren Wunsch des persönlichen Erforschens und den tanzkünstlerischen Aspekt in den Vordergrund rückte. Ronit Land geht ausführlich auf die pädagogischen Aspekte der Arbeit von Anna Halprin ein. Sie veranschaulicht Halprins Herangehens- und Sichtweise sowie ihr pädagogisches Konzept. Dabei weist sie unter anderem 118 Medien & Materialien 3 | 2022 Benajir Wolf: Körperpsychotherapie. 75 Therapiekarten Beltz, 2022, Weinheim, 75 Therapiekarten mit 32-seitigem Booklet, 49,95 € (D) Benajir Wolf schreibt in ihrer Einführung zu dem hier zu besprechenden Werk, dass wissenschaftliche Erkenntnisse über die Bedeutung des Körpers in der Psychotherapie dazu geführt haben, dass in allen Therapierichtungen das Interesse daran wächst, den Körper in die Praxis einzubeziehen (S. 3). Das nun erschienene Kartenset kann als Beleg dafür gewertet werden, dass die Bedeutung der Körperpsychotherapie in der Praxis offensichtlich ist, trotz fehlender Anerkennung im Psychotherapeutengesetz. Benajir Wolf weist mit Recht darauf hin, dass Körperpsychotherapie nicht nur in psychosomatischen Kliniken ein zentraler Bestandteil des Behandlungskonzeptes ist; zudem gilt, dass bei allen psychischen Erkrankungen das Körpererleben beeinträchtigt ist und der Körper wirksame Wege der Heilung eröffnet. Die 75 Karten lassen sich zu zehn Modulen gruppieren, wobei das erste und das letzte speziell für die Anfangs- und Endphase einer Therapie gedacht sind. In ihrer Einführung betont Benajir Wolf, dass die Einbeziehung des Körpers in den Therapieprozess die Arbeitsweise, das Prozessgeschehen und auch die therapeutische Beziehung grundlegend verändert und mehr ist, als Psychotherapie einfach durch Körperübungen zu bereichern. Die Körperpsychotherapie betrachtet die ursprünglich in der Psychoanalyse entwickelten Konzepte von Übertragung und Gegenübertragung als eine wechselseitige Kommunikation von Körper zu Körper. Diese „leibliche Resonanz“ erfordert es, sich mit dem eigenen Körpererleben zur Verfügung zu stellen. Insofern sollte die Warnung von Benajir Wolf in der Einführung nicht überlesen werden: Das Kartenset ersetzt keine körperpsychotherapeutische Ausbildung. Für ausgebildete PsychotherapeutInnen können auf den Einfluss der frühen pädagogischen Wurzeln in der Tanzpädagogik durch ihre Arbeit mit Margaret H’Doubler hin. Land beleuchtet die wichtigsten Prinzipien in der von Anna Halprin angewendeten Methoden, so zum Beispiel das „Ich-Du-Wir-Prinzip“ sowie das „Hier-und-jetzt-Prinzip“. Auch Halprins großes Interesse am prozessorientierten Arbeiten und Handeln oder ihre Auseinandersetzung mit dem Neuen, Unbekannten werden anschaulich und nachvollziehbar dargestellt. Dabei findet ihr großes Interesse an Improvisation sowie die Wahrnehmung und Einbeziehung der Umgebung und die Reflexion des Erlebten besondere Beachtung. Tanz-- Prozesse-- Gestalten ist ein sehr informatives Buch, das die verschiedenen Aspekte des Lebens und das Schaffen von Anna Halprin ausgiebig aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Es stellt Tanz als künstlerische, ganzheitliche und sinnliche Erfahrung mit sich selbst, anderen und der Umwelt ganz in ihrem Sinne dar. Die fast 40 Seiten Anmerkungen, Quellenangaben sowie Bildnachweise und Erläuterungen ergänzen die inhaltlichen Kapitel. Martina Piff DOI 10.2378/ ktb2022.art17d
