eJournals körper tanz bewegung 10/4

körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2022.art24d
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Aktuelle Studien mit unterschiedlichen Designs (qualitativ, quantitativ) zur Förderung motorischer, sozialer oder emotionaler Kompetenz von Kindern

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Iris Bräuninger
Die hier vorgestellten Studien setzen sich mit Möglichkeiten der Förderung motorischer, sozialer oder emotionaler Kompetenz von Kindern auseinander: Der Systematische Review von Moschos und Pollatou (2022) und der Scoping Review von Frazão, Santos und Lebre (2021) beschäftigten sich mit Psychomotorik-Interventionen. Die partizipative Studie von Moula, Powell und Karkou (2022) und die teilnehmende Beobachtungsstudie von Nardi, Bat Or und Shuper Engelhard (2022) evaluierten tanz-, bewegungstherapeutische Interventionen mit qualitativen Designs.
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Aktuelles aus der Forschung 169 körper-- tanz-- bewegung 10. Jg., S. 169-172 (2022) DOI 10.2378/ ktb2022.art24d © Ernst Reinhardt Verlag Aktuelle Studien mit unterschiedlichen Designs (qualitativ, quantitativ) zur Förderung motorischer, sozialer oder emotionaler Kompetenz von Kindern Iris Bräuninger D ie hier vorgestellten Studien setzen sich mit Möglichkeiten der Förderung motorischer, sozialer oder emotionaler Kompetenz von Kindern auseinander: Der Systematische Review von Moschos und Pollatou (2022) und der Scoping Review von Fraz-o, Santos und Lebre (2021) beschäftigten sich mit Psychomotorik-Interventionen. Die partizipative Studie von Moula, Powell und Karkou (2022) und die teilnehmende Beobachtungsstudie von Nardi, Bat Or und Shuper Engelhard (2022) evaluierten tanz-, bewegungstherapeutische Interventionen mit qualitativen Designs. Psychomotorische Interventionsprogramme für Kinder von 3 bis 10-Jahren (Systematischer Review) Der Systematische Review von Moschos und Pollatou (2022) untersuchte die Wirkung von Psychomotorischen Interventionsprogrammen (PIP). Einschlusskriterien waren Studien zwischen 2008 und 2020 mit Kindern von 3 bis 10 Jahren ohne neurologische, sensorische oder motorische Probleme. Aus den 1489 Suchergebnissen und nach Entfernung der Duplikate ergab die gezielte Suchbegriffskombination 56 Artikel. Nach Sicht der Titel und Abstracts entsprachen acht den Einschlusskriterien. Im nächsten Schritt durchsuchten die AutorInnen im Schneeballsystem die Literaturlisten dieser Artikel und recherchierten nach weiteren Publikationen der AutorInnen. Vier weitere Artikel wurden identifiziert, und schlussendlich gingen 12 Artikel in die Analyse ein. Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass sich PIP positiv auf die motorischen, sozialen und emotionalen Kompetenzen auszuwirken scheint, insbesondere bei Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter. Die AutorInnen weisen der PIP eine wichtige Rolle zur Förderung motorischer, sozialer und emotionaler Kompetenzen zu und empfehlen die Integration von PIP im Kindergarten. Psychomotorische Intervention für Kinder mit ASD von 3 bis 6 Jahren (Scoping Review) Fraz-o und KollegInnen (2021) überprüften in einem Scoping Review die Wirkung psychomotorischer Interventionen bei Kindern (3-6 Jahre) mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Die Einschlusskriterien orientierten sich an den PICOS-Elementen: P: Kinder mit ASD im Alter von 3-6 Jahren; I Psychomotorik-Inter- 170 4 | 2022 Iris Bräuninger vention (Einzel- oder Gruppensetting); C: Interventionsstudie (mit oder ohne Kontrollbedingung); O: psychomotorische, soziale und / oder emotionale Fähigkeiten und / oder Verhaltensweisen als Outcome; S: experimentelles, quasi-experimentelles Beobachtungs- und / oder deskriptives Studientyp-Design. Die zeitlich unbegrenzte Datenbanksuche erfolgte in Web of Science, Pub-Med, B-on, Scielo, EBSCO discovery service und Science Direct Databases. Von 1351 Studien in portugiesischer, englischer, französischer oder spanischer Sprache wurden 24 Treffer im Volltext bewertet. Hiervon entsprachen 14 Studien den Einschlusskriterien, welche anhand des jeweiligen Studientyps mit dem entsprechenden JBI Critical Appraisal Tool bewertet wurden (https: / / jbi. global/ critical-appraisal-tools). Die AutorInnen identifizierten sieben psychomotorische Interventionsbereiche (Psychomotorik, eingeschränkte und sich wiederholende Verhaltensmuster, soziale Entwicklung und Interaktion mit Gleichaltrigen, Kommunikation, Spiel und Freizeit, Aktivitäten des täglichen Lebens und sensorische Verarbeitung) und beschrieben bei mehr als der Hälfte positive Auswirkungen (v. a. auf die Grobmotorik und die verbale Kommunikation). Identifizierung der Rahmenbedingungen für künstlerische Gruppentherapie mit Kindern (partizipative Forschung) Moula und Kolleginnen (2022) untersuchten im qualitativen Teil ihrer Mixed-Methods-Studie mit RCT (siehe körper- - tanz- - bewegung 2/ 2021) die Wirkung einer achtwöchigen Gruppenintervention mit künstlerischen Therapien (Kunst-, Musik-, Tanzbewegungs- oder Theatertherapie) auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von 62 Kindern (7- 10 Jahre) mit leichten emotionalen Problemen und Verhaltensschwierigkeiten. Die teilnehmenden Kinder wurden anhand eines Screenings mit dem SDQ (Strength and Difficulty Questionnaire) durch die Lehrpersonen identifiziert. Die Kinder wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten (vor, während, nach der Intervention) zu folgenden Fragen interviewt: 1. Was empfanden die Kinder als hilfreich / nicht hilfreich? 2. Was haben sie genossen / nicht genossen? 3. Was waren die herausragendsten Erinnerungen? 4. Haben sie eine der Aktivitäten / Techniken in das tägliche Leben integriert? Außerdem wurde die künstlerische Arbeit der Kinder in einer Vor- und Nachbewertung auf Veränderungen im emotionalen Ausdruck untersucht. Als hilfreich erlebten die Kinder die positiven Veränderungen ihrer psychischen Gesundheit und ihres Wohlbefindens, beispielsweise in verbesserter Selbstdarstellung, im Sicherheitsempfinden, in der Selbstbestimmung, in der Hoffnung, im Optimismus und im nonverbalen Ausdruck durch die künstlerische Tätigkeit. Als weniger hilfreich wurde die zu große Gruppengröße (mit n = 8 resp. 7) und die zu geringe Anzahl der Lektionen (8x) genannt. Spiegelnde und bewegungsbasierte Interventionen in der Behandlung von Angststörungen bei Kindern (teilnehmende Beobachtungsstudie) Die teilnehmende Beobachtungsstudie von Nardi, Bat Or und Shuper Engelhard (2022) beabsichtigte, DMT-Techniken und -Interventionen anhand von Therapieprotokollen zu identifizieren und abzubilden, um ein Modell für die DMT-Behandlung von Kindern mit Angststörungen vorzuschlagen. Hierzu wurden die Bewegungs- und verbalen Therapieprotokollinhalte von acht Grundschulkindern mit Angstsymptomen (8-11 Jahre, davon fünf Mädchen) anhand der induktiven Datenanalyse nach der 4 | 2022 171 Aktuelles aus der Forschung hermeneutischen Methode der konsensualen qualitativen Forschung (CQR) ausgewertet. Die Kinder nahmen an 25-40 therapeutischen Einzellektionen zu 45 Minuten im Rahmen des Schulsettings teil. Einmal pro Monat fand ein Elterntraining statt. Die Hälfte der Kinder war am Ende der Behandlung symptomfrei, die andere Hälfte zeigte teilweise verbesserte Symptome. Es wurden vier Achsen der therapeutischen Prozesse bei der Angstbewältigung von Kindern identifiziert: 1. handlungsfördernde Interventionen 2. trennungsfördernde Interventionen 3. Interventionen zur Stärkung des Selbstgefühls 4. integrationsfördernde Interventionen Verschiedene Interventionstypen konnten diesen Achsen zugeordnet werden, wobei einige Interventionstypen in allen Achsen, andere nur in einer Achse vertreten waren: sieben Typen von Spiegelungen, acht Typen von „Bewegungssequenzen zwischen den Polen“ und drei Typen von „Fokussierung zur Sensibilisierung“. Die Autorinnen postulieren ein therapeutisches Modell mit verschiedenen spiegelnden Interventionen als Grundlage für die Gestaltung der therapeutischen Beziehung und bewegungsbasierten Interventionen. Schlussfolgerung Aufgrund fehlender Verfügbarkeit berücksichtigte sowohl der Systematische Review (Moschos/ Pollatou, 2022) als auch der Scoping Review (Fraz-o et al. 2021) eine Vielzahl an Studiendesigns mit methodischen Defiziten, die nicht dem Goldstandard entsprechen: Der Systematische Review von Moschos und Pollatou (2022) schloss Interventionsstudien mit Vortest-Nachtest-Design (teilweise mit standardisierten Testinstrumenten) ein, der Scoping Review (Fraz-o et al. 2021) berücksichtigte eine Vielzahl an Studiendesigns ohne statistisch signifikante Ergebnisse. Zum aktuellen Zeitpunkt können deshalb keine Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Psychomotorischen Interventionen bei Kindern mit ASS und Kindern ohne neurologische, sensorische oder motorische Probleme gezogen werden. Dennoch ermutigen die Übersichtsarbeiten und die beschriebenen vorläufig positiven Ergebnisse, weitere Studien in Angriff zu nehmen und methodisch hochwertigere Designs zu planen. Die qualitative Studie von Moula und Kolleginnen (2022) integrierte einen partizipativen Ansatz mit Kindern und lässt wichtige Schlüsse zu, welche Rahmenbedingungen für eine künstlerische Gruppentherapie aus Sicht der Kinder notwendig erscheinen, damit sie sich sicher fühlen und Empowerment erleben. Das therapeutische Modell von Nardi und Kolleginnen (2022) betont die Bedeutung spiegelnder und bewegungsbasierter Interventionen als Grundlage der therapeutischen Beziehung in der Behandlung von Angststörungen bei Kindern. Literatur Fraz-o, A., Santos, S., Lebre, P. (2021): Psychomotor intervention practices for children with autism spectrum disorder: a scoping review. Review Journal of Autism and Developmental Disorders, 1-18, https: / / doi.org/ 10.1007/ s40489-021-00295-2 Moschos, G., Pollatou, E. (2022): The effect of a psychomotor intervention program in children 3-10 years of age: a systematic review. Body, Movement and Dance in Psychotherapy, 1-16, https: / / doi.org/ 10.1080/ 17432979.2022.207 8406 Moula, Z., Powell, J., Karkou, V. (2022): Qualitative and arts-based evidence from children participating in a pilot randomised controlled study of school-based arts therapies. Children 9 (6), 890, https: / / doi.org/ 10.3390/ children 9060890 Nardi, B. A., Bat Or, M., Shuper Engelhard, E. (2022): Dance movement therapy processes and interventions in the treatment of children 172 4 | 2022 Iris Bräuninger Dr. Iris Bräuninger Senior Researcher & Co-Leiterin Studiengang Psychomotoriktherapie (Hochschule für Heilpädagogik Zürich IVE), Dozentin MA Tanztherapie UAB Barcelona, BTD-Supervisorin / Ausbilderin / Lehrtherapeutin, KMP-Notatorin, Praxis Tanztherapie Supervision Bodensee. ✉ Dr. Iris Bräuninger dancetherapy@mac.com oder iris.braeuninger@hfh.ch with anxiety disorders derived from therapy logs. The Arts in Psychotherapy 80, 101951, https: / / doi.org/ 10.1016/ j.aip.2022.101951