körper tanz bewegung
9
2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
11
2023
111
Fachbeitrag: Der Körper in der Verhaltenstherapie
11
2023
Gerd Zimmek
Die Verhaltenstherapie hat sich im Laufe der Zeit bezüglich des Fokus ihrer theoretischen Konzepte und Interventionen gewandelt, beginnend mit dem beobachtbaren Verhalten, über Kognitionen, hin zu Emotionen. Der Körper spielte bislang eine untergeordnete Rolle und kam eher nebenbei statt gezielt zum Einsatz. Die Wichtigkeit des Einbezugs des Körpers in die Verhaltenstherapie soll in diesem Artikel verdeutlicht und erste Behandlungsansätze vorgestellt werden.
9_011_2023_001_0003
Fachbeitrag 3 körper-- tanz-- bewegung 11. Jg., S. 3-9 (2023) DOI 10.2378/ ktb2023.art02d © Ernst Reinhardt Verlag Der Körper in der Verhaltenstherapie Gerd Zimmek und Kati Juraschek Die Verhaltenstherapie hat sich im Laufe der Zeit bezüglich des Fokus ihrer theoretischen Konzepte und Interventionen gewandelt, beginnend mit dem beobachtbaren Verhalten, über Kognitionen, hin zu Emotionen. Der Körper spielte bislang eine untergeordnete Rolle und kam eher nebenbei statt gezielt zum Einsatz. Die Wichtigkeit des Einbezugs des Körpers in die Verhaltenstherapie soll in diesem Artikel verdeutlicht und erste Behandlungsansätze vorgestellt werden. Schlüsselbegriffe Verhaltenstherapie, Körperpsychotherapie, Schematherapie The Body in Behavioral Therapy Behavioral therapy has changed over time regarding the focus of its theories and interventions, starting with observable behavior, through cognitions, to emotions. So far, the body has played a subordinate role and was used more incidentally than specifically. In this article, the importance of including the body in behavioral therapy is to be clarified and initial treatment approaches are introduced. Key words behavioral therapy, body psychotherapy, schema therapy Geschichte des Körpers in der Verhaltenstherapie V erhaltenstherapie (VT) kann in Anlehnung an Margraf/ Schneider (2009) als eine auf der empirischen Psychologie basierende psychotherapeutische Grundorientierung verstanden werden. Sie umfasst störungsspezifische und -unspezifische Therapieverfahren, die aufgrund von möglichst hinreichend überprüftem Störungswissen und psychologischem Änderungswissen eine systematische Besserung der zu behandelnden Problematik anstreben. Wichtigste theoretische und praktische Basis der VT ist die Lerntheorie, obwohl die VT das Wissen unterschiedlicher psychologischer Disziplinen und Nachbardisziplinen (z. B. Kognitionspsychologie, Neurophysiologie, Physiologie usw.) systematisch nutzt, um pathologisches Verhalten zu verändern und zu verstehen (Margraf/ Schneider 2009). Moderne VT kann als offenes Therapiesystem aufgefasst werden. Ihre Interventionen verfolgen konkrete und operationalisierte Ziele auf verschiedenen Ebenen des Erlebens und Verhaltens. Diese Ziele leiten sich aus einer Störungsdiagnostik und individuellen Problemanalysen ab und setzen an prädisponierenden, auslösenden und / oder aufrechterhaltenden Problembedingungen an. Bereits seit ihren Anfängen hat sich die VT mit körperbezogenen Aspekten des Erlebens und Verhaltens beschäftigt. Einen zentralen Einfluss hatten hierbei die Beobachtungen 4 Zimmek, Juraschek 1 | 2023 Reichs (1925), dass Abwehrprozesse mit bestimmten Körperhaltungen einhergehen. Darüber hat die Körperpsychotherapie ihre Wurzeln in den Werken einiger weiterer Personen (z. B. Boadella 1991; Boyesen 1987; Downing 1996; Lowen 1988; Pesso 1986). Körperprozesse wurden zunehmend in die theoretischen und interventionellen Konzepte der VT einbezogen (Sulz 2005). Dieser Einbezug geschah allerdings eher beiläufig, ohne dass der Körper einen dezidierten Fokus der therapeutischen Arbeit bildete. So kann die sehr gut beforschte Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson (1990) als körperpsychotherapeutische Technik verstanden werden: Durch An- und Entspannung diverser Muskelgruppen und die nachfolgende Kontrastierung, d. h. die Wahrnehmung des Spannungsunterschieds in der Muskulatur, erfolgt eine Aktivierung des parasympathischen Nervensystems, wodurch eine Entspannungsreaktion im Organismus ausgelöst wird. Die PMR bildet dabei lediglich einen Baustein in größeren Interventionszusammenhängen, z. B. als Teil der sogenannten systematischen Desensibilisierung bei Angsterkrankungen sowie bei der Behandlung chronischer Schmerzen, Insomnie oder weiteren psychosomatischen Symptomen. In jeder verhaltenstherapeutischen Analyse problematischen Erlebens und Verhaltens findet neben Kognitionen und Emotionen der Körper Erwähnung. Basis hierzu ist das sogenannte SORKC-Modell (Kanfer / Saslow 1974). Dieses Schema, das nachfolgend vereinfacht dargestellt wird, gilt in der VT sowohl in ätiologischer Hinsicht für die Erklärung des Zustandekommens psychopathologischen Verhaltens als auch bezüglich des Beschreibens von Verhalten in konkreten Situationen als Standard. Aus dieser Verhaltensanalyse können dann konkrete Interventionen oder Interventionsstrategien abgeleitet werden. S steht dabei für die situativen Bedingungen eines Problemverhaltens (Stimulusbedingungen), also äußere oder innere Reize. Ein Beispiel hierfür ist, dass eine Person eine Spinne sieht oder auch nur an sie denkt. Die Stimuli können ebenfalls interozeptive Reize, wie plötzlich auftretender Schwindel, Papilationen oder eine bestimmte Körperhaltung, sein, die dann beispielsweise eine Panikattacke auslösen können. O steht in dem Modell für die Organismusvariable. Sie bezieht sich auf die individuellen biologischen und lerngeschichtlichen Ausgangsbedingungen bzw. Charakteristika der Person. Teil der Organismusvariable können sowohl Grundüberzeugungen, Denkstile oder Einstellungen sein, aber auch körperliche Besonderheiten der Person wie Krankheiten oder genetische Dispositionen, aus denen sich bestimmte psychische Erkrankungen entwickeln. Diese Variable kann um eine Vielzahl weiterer Aspekte, wie etwa chronische Körperhaltungen oder Verspannungen, erweitert werden. Beispielhaft können für die Organismusvariable unsichere Bindungserfahrungen in der Kindheit sowie das Vorliegen einer Schilddrüsenunterfunktion genannt werden. R beschreibt die Reaktionen des Individuums auf S unter Einfluss von O. Unterschieden werden dabei die folgenden vier Ebenen, wobei bei drei Ebenen der Körper eine zentrale oder mindestens bedeutsame Rolle spielt: 1. R(kognitiv): Was wird gedacht? Beispielsweise denkt eine Person: „Die Spinne ist hinterhältig und bewegt sich auf mich zu.“ 2. R(physiologisch): Was macht der Körper? Beispiele hierfür sind Händezittern, schwitzige Hände oder Herzklopfen. Die in der Verhaltensanalyse gesammelten Körperreaktionen können im Verlauf als Ausgangspunkt für etwaige Interventionen dienen. 3. R(emotional): Was wird gefühlt? Beispielsweise können die Emotionen Ekel, Angst oder das Gefühl von Ohnmacht genannt werden. Anzumerken ist, dass sich die emotionale und die physiologische Ebene nicht voneinander trennen lassen, da Emotionen immer mit kör- Der Körper in der Verhaltenstherapie 1 | 2023 5 perlichen Reaktionen einhergehen. Die Beeinflussung von Emotionen kann somit im Rahmen der Behandlung zu einer Veränderung körperlicher Reaktionen führen. 4. R(motorisch): Was wird getan? Welches konkrete Verhalten folgt auf S unter Einfluss von O? Am Beispiel der Spinne könnte dies sein zu schreien, wegzulaufen oder nicht mehr in den Keller zu gehen. Auch hier ist R stets verkörpert: Interventionen können insofern die körperliche Ebene betreffen, als dass beispielsweise Vermeidungsverhalten durch Expositionstraining unterlassen werden soll, um sich stattdessen der vermeintlichen Gefahr auszusetzen. K bezeichnet den raumzeitlichen Zusammenhang (Kontingenz) des Problemverhaltens R und der darauffolgenden Konsequenzen (C). Gemeint ist, wie häufig und mit welchem zeitlichen Abstand C auf R folgt. Die Konsequenzen (C) werden im SORKC-Modell entsprechend der operanten Konditionierung unterteilt in das Ausbleiben oder das Auftreten positiver oder negativer Konsequenzen. Zudem kann unterschieden werden, ob diese Konsequenzen kurz- oder langfristig auftreten. Ein mögliches Beispiel für das Ausbleiben negativer Konsequenzen ist eine kurzfristige Entlastung durch die Vermeidung einer Spinne. Sozialer Rückzug oder eine depressive Entwicklung sind mögliche auftretende langfristige negative Konsequenzen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass im SORKC-Modell körperliche Aspekte Berücksichtigung finden, wobei es wünschenswert wäre, dass der Körper weniger als notwendiges Instrument für Verhalten, sondern als wesentlicher Ansatzpunkt für Interventionen betrachtet wird. Obwohl der Körper nämlich jahrzehntelang für die Initiierung von Veränderungsprozessen auch in der theoretischen Konzeption der VT zur Verfügung stand, wurde dieser Steinbruch an potenziellem Wissen nicht genutzt. Das lag vor allem am theoretischen Verständnis der VT und ihrer historischen Entwicklung, die hauptsächlich im akademischen Umfeld stattfand, wohingegen Körperpsychotherapie(n) hauptsächlich außerhalb der Universitäten entwickelt wurde und häufig mit psychodynamischen Verfahren verschwistert war. Entsprechende Schulenrivalitäten standen einer Offenheit gegenüber der Körperpsychotherapie im Weg, so dass die VT zu einer körperlosen Psychotherapie mit selbstverständlichem Einsatz des Körpers, im Sinne einer Veränderung von Verhalten, resultierte. Betrachtet man die historische Entwicklung der VT, so kann ihre Entwicklung wellenförmig beschrieben werden. Mit jeder Welle wurde der Fokus auf einen ergänzenden Aspekt menschlichen Erlebens und Verhaltens gerichtet, weshalb heute kaum noch von der einen VT die Rede sein kann. Die erste Welle der VT adressierte ausschließlich das beobachtbare Verhalten des Menschen, wie Bewegungen und Handlungen, und vernachlässigte innere, nicht sichtbare Prozesse (Sulz 2010). Basis ist die Annahme, dass psychisch kranke Personen Reaktionen gelernt haben, die irgendwann einmal hilfreich waren, dies nun jedoch nicht mehr sind, weshalb die Vermittlung eines adaptiven Verhaltensrepertoires notwendig ist (Beesdo-Baum / Wittchen 2011). Der Körper spielt hierbei insofern eine Rolle, als dass der Körper für die Ausübung von Verhalten eine notwendige Bedingung darstellt, um etwa durch den Aufbau von Aktivitäten einer depressiven Symptomatik entgegenzuwirken. In der zweiten Welle der VT (ab den 1960er Jahren) wird bewussten und unbewussten Kognitionen für die Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Erkrankungen sowie deren Behandlung ein wesentlicher Einfluss zugeschrieben (Sulz 2010). In dieser Phase wurde der Körper als Beobachtungsebene aus der Therapie ausgeklammert bzw. ist lediglich für die Beschreibung der Symptome (z. B. Zittern, Händewaschen bei Waschzwang) und 6 Zimmek, Juraschek 1 | 2023 ihrer Konsequenzen (z. B. sozialer Rückzug, Vermeidungsverhalten) oder die Messung der Symptomveränderung (z. B. Aktivitätenaufbau) von Bedeutung. Da die kognitiv-behaviorale Arbeit bei einigen Patientengruppen an ihre Grenzen stieß, kam es in den 1990er Jahren zu einigen Neuentwicklungen innerhalb der VT, die unterschiedliche Gesichtspunkte des Erlebens und Verhaltens in den Mittelpunkt rückten. Die Vertreter dieser sogenannten dritten Welle der VT fokussierten nun Aspekte wie Emotionen (Emotionsfokussierte Therapie (EFT), Greenberg et al. 1993), Achtsamkeit (Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR), Kabat-Zinn 1990), Akzeptanz (Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT), Hayes et al. 1999; Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), Linehan 1993) oder Bedürfnisse (Schematherapie, Young 1990). Einen lesenswerten Überblick über die unterschiedlichen Verfahren der dritten Welle der VT liefern Heidenreich und Michalak (2013). Auch während dieser Entwicklung der VT stellt der Körper lediglich eine notwendige Bedingung dar, statt als zentraler Ansatzpunkt für Interventionen genutzt zu werden. Mit zunehmender Berücksichtigung und Einbezug des Körpers bildet sich nach und nach eine weitere Welle der VT: die körperorientierte Welle. Eine Neuerung ist dabei, dass Körper, Mimik und Gestik das Fühlen und Denken beeinflussen. Dementsprechend wird der Körper bewusst für Veränderungsprozesse genutzt, um Selbst- und Emotionsregulationsprozesse zu verbessern (Hauke / Lohr 2020). Eine Grundlage für körperorientierte Verfahren wurde durch die Forschung zu Basisemotionen von Bloch (1993) geschaffen, in der das Zusammenspiel von Fühlen, Denken und dem Körperausdruck zentral ist. Es wird deutlich, dass die sich immer weiter ausbreitende Methodenvielfalt in der VT durch die große Offenheit gegenüber der Integration bestehender und neuer Verfahren ermöglicht wird. Relevanz der Berücksichtigung des Körpers Revenstorf (2013) kritisiert das Vernachlässigen des Körpers in der Psychotherapie als unverantwortlich und zählt eine Vielzahl von Gründen dafür auf. Unter anderem benennt er die Tatsache, dass für alle Erfahrungen und jedes Verhalten der Körper unverzichtbar ist. Zudem ist das Gedächtnis zu großen Teilen durch körperliche Erfahrung gebildet (episodisch, prozedural, autobiografisch). Des Weiteren sind alle Emotionen mit Körperempfindungen oder -reaktionen verbunden, zum Beispiel Tränen bei Trauer, Herzrasen bei Angst oder die aufrechte Haltung bei Stolz. Vor allem bei psychosomatischen Erkrankungen liegt ein starker und offensichtlicher Zusammenhang zwischen Psyche und Körper vor. Vier Gründe sprechen für die wachsende Bedeutung des Körpers im Rahmen der Erweiterungen und Neukonzeptionen innerhalb der VT. 1. Die Entdeckung von Gefühlen und Bedürfnissen: War die Veränderung von Emotionen zuvor kein dezidierter Ansatzpunkt der Behandlung, sondern lediglich eine Konsequenz aus der Arbeit mit den als auslösend betrachteten Kognitionen, so wurde schnell deutlich, dass Gefühle untrennbar mit körperlichen Prozessen verbunden sind- - denn ohne Körper keine Gefühle. Das brachte ForscherInnen und PraktikerInnen dazu, immer mehr auf körperliche Prozesse im Rahmen emotionsfokussierter Arbeit zu achten, bzw. es wurde sehr bald deutlich, dass auch emotionales Erleben über körperliche Erfahrung aktiviert werden kann, z. B. durch bestimmte Atemmuster oder Körperhaltungen. 2. Akzeptanz und Achtsamkeit: Untrennbar verwoben mit der Akzeptanz ist die dafür benötigte Achtsamkeit hinsichtlich Gedanken, Gefühlen und körperlicher Empfindungen. Damit ist eine Aufmerksamkeitslenkung auf das Hier und Jetzt gemeint, indem lediglich das innere Der Körper in der Verhaltenstherapie 1 | 2023 7 Erleben des aktuellen Moments wahrgenommen wird (Heidenreich et al. 2007). Hierbei spielt der Körper insofern eine Rolle, als dass die Wahrnehmung von Körperempfindungen einen Zugang zur Emotionswahrnehmung verschaffen kann. So kann ein Kloß im Hals Hinweise auf die Emotion Trauer liefern oder eine starke Anspannung auf die Emotion Ärger. 3. Mehr „Tiefe“ durch Körpereinsatz: Die moderne Therapieforschung mit bildgebenden Verfahren zeigt: Je mehr Sinneskanäle im Erleben während des therapeutischen Prozesses beteiligt sind, umso schneller ist das Lernen und umso nachhaltiger ist das Verankern des erlernten Materials (Sulz et al. 2005). Da die Lerntheorie das wichtigste theoretische und praktische Fundament der VT bildet, ist die zusätzliche Berücksichtigung des Erlebens des Körpers für schnelleres und besseres Lernen unerlässlich. In den letzten 25 Jahren hat es im deutschen Sprachraum bereits einige produktive Integrationsversuche körperbezogener Arbeit innerhalb der VT gegeben (z. B. Görlitz 2013, 2014; Miethge 2002; Sulz et al. 2005; Klinkenberg 2007; Langlotz-Weis 2020; Henn-Mertens / Zimmek 2021). Görlitz (2013, 2014) veröffentlichte eine umfangreiche Sammlung körperbezogener Übungen, die sich leicht in die einzel- und gruppentherapeutische Praxis integrieren ließen. Später fand durch Görlitz (2022) eine Zuordnung dieser Übungen zur Affektiv-Kognitiven VT von Sulz und Hauke (2009) statt. Nach diesem Ansatz, in welchen Ergebnisse aus der Hirn- und Embodimentforschung integriert werden, gilt der Körper als Bühne des Gefühls und des Bewusstseins. Die Transformation der Kognitionen findet unter ausdrücklicher Einbeziehung des Körpers statt, z. B. wird der Patient ermuntert, Körperhaltungen einzunehmen, die mit einer funktionalen Kognition einhergehen. Langlotz-Weis (2020) stellt ebenfalls ein Set von körperpsychotherapeutischen Übungen zusammen, wobei ihr Grundkonzept verhaltenstherapeutisch ausgerichtet ist. Die behandelten affektiven Schemata, deren Aktivierung durch körperbezogene Techniken frühes Material aus der Biografie der PatientInnen zu Tage bringen kann, basieren auf der Bioenergetik (Lowen 1988), der Biosynthese (Boadella 1991) sowie der tiefenpsychologischen Theorie von Downing (1996). Henn-Mertens und Zimmek (2021) haben den Dritte-Welle-Ansatz der Schematherapie mit körperorientierter Arbeit verbunden. Basis ist ein achtsamkeitsbasiertes Vorgehen, um Schemata zu aktivieren und das bestehende Set an schematherapeutischen Techniken (Imaginationen, Stuhlarbeit) zu erweitern. Dabei werden PatientInnen unter anderem angehalten, Auslösebedingungen von Schemata über den Körper zu erfahren und auch hier adaptivere Körperhaltungen einzunehmen, die den (maladaptiven) Schemata entgegengesetzt sind. Über den Körper können die PatientInnen korrigierende Erfahrungen machen und über dieses erleichterte Vorgehen lernen, besser für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Beispielsweise können eigene Grenzen der PatientInnen als Kreis mit einem Seil auf den Boden repräsentiert werden. Die PatientInnen stellen sich in diesen Kreis, während die TherapeutInnen das Seil verschieben oder den Kreis verkleinern. Der Patient erfährt, was es in ihm auslöst, wenn seine Grenzen nicht wahr- oder ernstgenommen werden. In einem zweiten Durchgang soll der Patient für sich einstehen, verbal klar sowie mit Bewegungen oder Körperhaltungen deutlich machen, dass er nicht möchte, dass seine Grenzen überschritten werden, um zu erfahren, wie es sich anfühlt, für sich zu sorgen. Übungen wie diese finden sich bereits in der Bioenergetik, wo dem Affekt durch den Körper Ausdruck gegeben werden soll (Lowen / Lowen 1979). Insgesamt bleibt zu wünschen, dass die körperbezogene Arbeit mit und an psychischen Prozessen noch mehr in der VT Einzug findet. Künftige Forschung im akademischen 8 Zimmek, Juraschek 1 | 2023 Umfeld würde einen wertvollen Beitrag zur Veränderung (dysfunktionalen) Erlebens und Verhaltens leisten, wenn der Rolle des Körpers eine erhöhte Beachtung geschenkt würde. So könnten körperpsychotherapeutische Annahmen mittels empirischer Studien noch besser geprüft und das noch lückenhafte Verständnis des Körpers in der VT erweitert werden. Literatur Beesdo-Baum, K., Wittchen, H. U. (2011): Depressive Störungen: Major Depression und Dysthymie. In: Wittchen, H.-U., Hoyer, J. (Hrsg.): Klinische Psychologie & Psychotherapie. Springer, Berlin / Heidelberg, 879-914, https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-642-13018-2_40 Bloch, S. (1993): Alba emoting: A psychophysiological technique to help actors create and control real emotions. Theatre Topics 3 (2), 121- 138, https: / / doi.org/ 10.1353/ TT.2010.0017 Boadella, D. (1991): Befreite Lebensenergie. Einführung in die Biosynthese. Kösel, München Boyesen, G. (1987): Über den Körper die Seele heilen. Biodynamische Psychologie und Psychotherapie. Eine Einführung. Kösel, München Downing, G. (1996): Körper und Wort in der Psychotherapie: Leitlinien für die Praxis. Kösel, München Görlitz, G. (2022): Von Sigmund Freud zur Verhaltenstherapie mit Körper und Gefühl. Psychotherapie 27 (1), 27-50, https: / / doi. org/ 10.30820/ 2364-1517-2022-1-27 Görlitz, G. (2014): Körper und Gefühl in der Psychotherapie. Basisübungen. 7. durchges. Aufl. Klett-Cotta, Stuttgart Görlitz, G. (2013): Körper und Gefühl in der Psychotherapie. Aufbauübungen. 5. Aufl. Klett- Cotta, Stuttgart Greenberg, L. S., Ford, C. L., Alden, L. S., Johnson, S. M. (1993): In-session change in emotionally focused therapy. Journal of Consulting and Clinical Psychology 61 (1), 78-84, https: / / doi. org/ 10.1037/ 0022-006X.61.1.78 Hauke, G., Lohr, C. (2020): Emotionale Aktivierungstherapie (EAT): Embodiment in Aktion. Klett-Cotta, Stuttgart Hayes, S. C., Strosahl, K. D., Wilson, K. G. (1999): Acceptance and commitment therapy: An experiential approach to behavior change. Guilford Press, New York Heidenreich, T., Michalak, J. (Hrsg.) (2013): Die „dritte Welle“ der Verhaltenstherapie: Grundlagen und Praxis. Beltz, Weinheim Heidenreich, T., Michalak, J., Eifert, G. (2007): Balance von Veränderung und achtsamer Akzeptanz: die dritte Welle der Verhaltenstherapie. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie 57 (12), 475-486, https: / / doi.org/ 10.1055/ s-2007-986290 Henn-Mertens, G., Zimmek, G. (2021): Körperorientierte Techniken in der Schematherapie. Beltz, Weinheim Jacobson, E. (1990): Entspannung als Therapie. Progressive Muskelrelaxation in Theorie und Praxis. Klett-Cotta, Stuttgart Kabat-Zinn, J. (1990): Full catastrophe living: The program of the Stress Reduction Clinic at the University of Massachusetts Medical Center. New York, NY: Delta. Kanfer, F., Saslow, G. (1974): Verhaltenstheoretische Diagnostik. In: Schulte, D. (Hrsg.): Diagnostik in der Verhaltenstherapie. Urban und Schwarzenberg, München Klinkenberg, N. (2007): Achtsamkeit in der Körperverhaltenstherapie: ein Arbeitsbuch mit 20-Probiersituationen aus der Jacoby / Gindler- Arbeit (Vol. 197). Klett-Cotta, Stuttgart Langlotz-Weis, M. (2020): Körperorientierte Verhaltenstherapie. Ernst Reinhardt Verlag, München Linehan, M. M. (1993): Cognitive-behavioral treatment of borderline personality disorder. Guildford Press, New York Lowen, A. (1988): Körperausdruck und Persönlichkeit: Grundlagen und Praxis der Bioenergetik. Kösel, München Lowen, A., Lowen, L. (1979): Bioenergetik für Jeden. Das vollständige Übungshandbuch. Peter Kirchheim, München Margraf, J., Schneider, S. (2009): Lehrbuch der Verhaltenstherapie. 3. Aufl. Springer, Heidelberg, https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-540- 79543-8_1 Miethge, W. (2002): Heilsame Gefühle. Trainingshandbuch für die Arbeit mit Emotionen. CIP-Medien, München Der Körper in der Verhaltenstherapie 1 | 2023 9 Pesso, A. (1986): Dramaturgie des Unbewussten. Eine Einführung in die psychomotorische Therapie. Klett-Cotta, Stuttgart Reich, W. (1925): Der triebhafte Charakter. Frühe Schriften. Band 1. Kiepenheuer & Witsch, Köln Revenstorf, D. (2013): Körperpsychotherapie und die Integration in der Psychotherapie. In: Thielen, M. (Hrsg.): Körper-- Gruppe-- Gesellschaft. Neue Entwicklungen in der Körperpsychotherapie. Psychosozial-Verlag, Gießen, 175-190, https: / / doi.org/ 10.30820/ 9783837966787-175 Sulz, S. K. D. (2010): Verhaltenstherapie mit Leib und Seele. In: Künzler, A., Böttcher, C., Hartmann, R., Nussbaum, M.-H. (Hrsg.): Körperzentrierte Psychotherapie im Dialog. Grundlagen, Anwendungen, Integration. Der IKP-Ansatz von Yvonne Maurer. Springer, Berlin / Heidelberg, 321-333, https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-642- 01060-6_25 Sulz, S. K. D. (2005): Die Psychotherapie entdeckt den Körper. CIP-Medien, München Sulz, S. K D., Hauke, G. (2009): Strategisch-Behaviorale Therapie SBT: Theorie und Praxis eines innovativen Psychotherapieansatzes. CIP- Medien, München. Sulz, S. K. D., Schrenker, L., Schricker, C. (2005): Die Psychotherapie entdeckt den Körper. Oder: Keine Psychotherapie ohne Körperarbeit. CIP-Medien, München Young, J. E. (1990): Cognitive therapy for personality disorders: A schema-focused approach. Professional Resources Press, Sarasota Dipl.-Psych. Gerd F. Zimmek Psychologischer Psychotherapeut mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie, bei mehreren Ausbildungsinstituten als Dozent, Supervisor und Selbsterfahrungsleiter tätig. M. Sc. Kati Juraschek Psychologin, in Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie. ✉ Praxis zimmek & kolleg: innen Adenauerplatz 2 | D-41061 Mönchengladbach
