körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Forum: Nachruf zum Tod von Janet Adler
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Susanne Bender
Janet Adler (1941–2023) ist am 19. Juli 2023 in ihrem Zuhause auf Galiano Island, Kanada, gestorben. In ihrem Übergang war sie umgeben und begleitet von ihrer Familie, und ich bin sicher, dass ihr Leben bis zum Schluss selbstbestimmt war und in Übereinstimmung mit ihrer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Sie wurde von Marian Chace und Mary Whitehouse ausgebildet, zwei Begründerinnen der Tanztherapie.
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36 körper-- tanz-- bewegung 12. Jg., S. 36-37 (2024) DOI 10.2378/ ktb2024.art06d © Ernst Reinhardt Verlag Forum: Nachruf Nachruf zum Tod von Janet Adler J anet Adler (1941-2023) ist am 19. Juli 2023 in ihrem Zuhause auf Galiano Island, Kanada, gestorben. In ihrem Übergang war sie umgeben und begleitet von ihrer Familie, und ich bin sicher, dass ihr Leben bis zum Schluss selbstbestimmt war und in Übereinstimmung mit ihrer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Sie wurde von Marian Chace und Mary Whitehouse ausgebildet, zwei Begründerinnen der Tanztherapie. Zusammen mit Joan Chodorow und Zoe Avstreih hat sie die Arbeit von Mary Whitehouse fortgesetzt, die ihre Arbeit zunächst Movement in Depth nannte und die von den Nachfolgerinnen in den Begriff „Authentische Bewegung“ umgewandelt wurde. Janets Erfahrung als Tanztherapeutin umfasste die Arbeit in der Kindertagesstätte des Gallaudet College, dem ersten College für gehörlose StudentInnen in den Vereinigten Staaten, die Arbeit mit psychotischen jungen Erwachsenen am Austin Riggs Center unter der Leitung von Erik und Joan Erikson in Stockbridge, MA, und die Arbeit mit autistischen Kindern am Western Psychiatric Institute and Clinic an der Universität von Pittsburgh. Die phänomenologische Forschung mit autistischen Kindern an diesem Institut ist in ihrem Film „Looking for Me“ (1968) dokumentiert. Hier verdeutlicht sie bereits die Bedeutung des freien Bewegungsausdrucks und die Notwendigkeit der Einstimmung auf einen Menschen durch das Spiegeln. Seit 1969 erforschte sie authentische Bewegung in Anwesenheit einer Zeugin (meist waren es nur Frauen) und entdeckte dabei eine inhärente Ordnung in der Entwicklung des Bewusstseins des Bewegenden, des ZeugInnenbewusstseins und der Beziehung zwischen beiden. Zu ihrer Lehrtätigkeit in Northampton, Massachusetts (1971-1987) gehörte ihre Arbeit als Gründerin und Leiterin des Mary Starks Whitehouse Institute, der ersten Schule, die sich dem Studium und der Praxis der authentischen Bewegung widmete. Ich lernte sie 1982 kennen. Sie leitete an meiner Universität in San Francisco einen Intensivkurs in Authentischer Bewegung. In diesem Kurs war sie die einzige Zeugin und die StudentInnen die Bewegenden. Diese „ground form“ wurde später erweitert zum „big circle“, wo alle in einem großen Kreis sitzen und jemand einem Bewegungsimpuls folgend in die Kreismitte geht, während die anderen diesen Prozess bezeugen. In der dyadischen Arbeit ist eine Person die Bewegerin und die andere die Zeugin. 1988 produzierte und führte Janet Regie bei „Still Looking“, einem Film über den Stand ihrer damaligen Arbeit. Immer auf der Suche nach ihrem eigenen authentischen Weg promovierte Janet 1992 in Mystischen Studien. Sie war schon immer von den Welten zwischen den Welten besonders fasziniert. Aus diesen Erfahrungen entwickelte sie schließlich die „Disziplin der Authentischen Bewegung“. Während dieser Jahre reiste sie auch zu ihren Schülerinnen in europäische Länder (1992- 2001), wo sie auch im EZETTHERA in Köln unterrichtete. Seit 2006 empfing sie in ihrem Kiva-Studio auf Galiano Island, BC, Kanada, Menschen aus aller Welt für ein fortgeschrittenes Studium und die Praxis der Disziplin der Authentischen Bewegung. Im Jahr 2013 gründete sie Nachruf zum Tod von Janet Adler 1 | 2024 37 Circles of Four, ein Postgraduiertenprogramm für Menschen, die die Disziplin der Authentischen Bewegung unterrichten möchten. Janet ist die Autorin vieler Bücher und Artikel, in denen sie immer wieder ihre tiefen Gedanken und ihre Sprachbegabung unter Beweis gestellt hat. Ihr Archiv wird in der New York Public Library for the Performing Arts aufbewahrt und zugänglich gemacht. Für ihre letzte Veröffentlichung „Intimacy in Emptiness: An Evolution of Embodied Consciousness“ hatte sie sich schon Unterstützung geholt und so dafür gesorgt, dass ihre Gedanken und ihr liebevoller Umgang mit den Menschen und ihren Abgründen in die nächste Generation weitergegeben werden. Dies wird auch in dem letzten Film über sie, „Into the Light“, deutlich. 2009 hat sie auf der amerikanischen Tanztherapiekonferenz davon berichtet, wie ihre Mutter sich zum Fastensterben entschieden hat und sie sie bei diesem letzten Weg spirituell begleitet hat. Ich erinnere mich noch gut an die Stimmung im Saal. Man hätte eine Stecknadel fallen hören, so gebannt hingen wir an ihren Lippen. Sie verstand es immer wieder, dieses so ernste Thema mit Humor und Leichtigkeit erträglich zu machen. 14 Jahre später hat sie sich für denselben Weg entschieden. Susanne Bender
