körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2024.art16d
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Fachbeitrag: Subjektive Wirksamkeit der Emotionalkörper-Therapie (EKT) bei beruflichen und studiumsbezogenen Entscheidungsprozessen
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Lisa Pastoors
Friedrich Edelhäuser
Susanna Lübcke
Anne Söller
Melanie Neumann
Berufsbezogene Entscheidungen im Studium werden von Studierenden als sehr wichtig für eine erfolgreiche Zukunft angesehen und sind demnach äußerst relevant. Doch unter Studierenden herrschen große Unsicherheiten beim Fällen von Karriereentscheidungen. Die Emotionalkörper-Therapie (EKT) ist eine Therapieform, die sowohl Kognition als auch Emotion und Intuition miteinbezieht und in den Zusammenhang mit Entscheidungsprozessen bringt. Diese Methode wurde innerhalb einer Prä-Post-Interventionsstudie mit neun ProbandInnen qualitativ untersucht. Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese, dass die EKT als subjektiv wirksam bei beruflichen und studiumsbezogenen Entscheidungsprozessen empfunden wird und zu einer Belastungsreduktion führt.
9_012_2024_3_0003
Fachbeitrag 90 körper-- tanz-- bewegung 12. Jg., S. 90-103 (2024) DOI 10.2378/ ktb2024.art16d © Ernst Reinhardt Verlag Subjektive Wirksamkeit der Emotionalkörper-Therapie (EKT) bei beruflichen und studiumsbezogenen Entscheidungsprozessen Eine qualitative Prä-Post-Interventionsstudie mit Studierenden Lisa Pastoors, Friedrich Edelhäuser, Susanna Lübcke, Anne Söller, Melanie Neumann Berufsbezogene Entscheidungen im Studium werden von Studierenden als sehr wichtig für eine erfolgreiche Zukunft angesehen und sind demnach äußerst relevant. Doch unter Studierenden herrschen große Unsicherheiten beim Fällen von Karriereentscheidungen. Die Emotionalkörper-Therapie (EKT) ist eine Therapieform, die sowohl Kognition als auch Emotion und Intuition miteinbezieht und in den Zusammenhang mit Entscheidungsprozessen bringt. Diese Methode wurde innerhalb einer Prä-Post-Interventionsstudie mit neun ProbandInnen qualitativ untersucht. Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese, dass die EKT als subjektiv wirksam bei beruflichen und studiumsbezogenen Entscheidungsprozessen empfunden wird und zu einer Belastungsreduktion führt. Schlüsselbegriffe Entscheidungsprozesse, berufsbezogene Entscheidungen, studiumsbezogene Entscheidungen, Kognition, Emotionalkörper-Therapie (EKT) Subjective Effectiveness of Emotional Body Healing in Professional and Education-Related Decision-Making Processes. A Qualitative Pre-Post Intervention Study with Students Career-related decisions are seen by students as very important for a successful future and are therefore extremely relevant. However students have great uncertainties about making career decisions. Emotional body healing (EBH) is a form of therapy that incorporates cognition as well as emotion and intuition and brings them into connection with decision-making processes. This method was qualitatively investigated within a pre-post intervention study with nine test subjects. The results confirm the hypothesis that EBH is perceived as subjectively effective in career-related and studyrelated decision-making processes and thus leads to stress reduction. Key words decision-making processes, careerrelated decisions, study related decisions, cognition, emotional body healing (EBH) Emotionalkörper-Therapie bei Entscheidungsprozessen 91 3 | 2024 Berufliche und studiumsbezogene Entscheidungsfindung D ie heutige Multioptionsgesellschaft scheint grenzenlose Freiheit, Flexibilität und Wahlmöglichkeiten zu bieten. Beispielsweise stehen deutsche AbiturientInnen vor der Entscheidung, einen von 330 Ausbildungsberufen, eines von 9541 Studienfächern oder sonstige Möglichkeiten eines sogenannten „Gap-Years“ oder Bundesfreiwilligendienstes zu wählen (Hellie 2016). Es eröffnen sich zunehmend Wahlmöglichkeiten, wodurch Personen permanent Entscheidungen (Seilheimer 2001), insbesondere auch berufsbezogener Art, treffen müssen. Menschen werden zusätzlich durch mehr berufliche Übergänge herausgefordert (Kulcsar et al. 2019). Festhalten lässt sich als Definition für die Berufswahl, dass es sich um „einen begründeten Prozess handelt, an dessen Ende immer eine Entscheidung steht, die aus der Wahl zwischen Alternativen hervorgeht und Grundlage für nachfolgendes Verhalten ist“ (Forßbohm 2010, 3). Berufsbezogene Entscheidungen werden bei vielen Studierenden als Rückgrat für eine erfolgreiche Zukunft angesehen und sind demnach äußerst relevant (Afzal et al. 2013), obwohl bei vielen von ihnen Unsicherheit über ihre Karriereentscheidungen herrscht (Orndorff / Herr 1996). Die hohen Studiums-Abbruchquoten, die für deutsche Studierende an Universitäten im Bachelor im Jahr 2018 laut Bundesministerium für Bildung und Forschung bei 32 % lagen (Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung 2020), spiegeln diese berufsbezogenen Entscheidungsschwierigkeiten u. a. wider (Seilheimer 2001). Jedoch ist zu beachten, dass Menschen mit berufsbezogenen Entscheidungsschwierigkeiten besondere psychologische Merkmale aufweisen. Dazu zählen z. B. stärkere Ausprägungen an Neurotizismus, mangelnde Verträglichkeit, Perfektionismus und ein Bedürfnis nach kognitiver Geschlossenheit, also dem Gefühl der Dringlichkeit, sofortige Antworten und Klarheit über die Dinge in ihrem Leben zu erhalten, sowie ein geringeres Maß an Extraversion und Offenheit für neue Erfahrungen (Gati et al. 2011). Theorien zur Entscheidungsfindung Es existieren viele theoretische Ansätze, welche die o. g. Entwicklungen mit den zunehmenden Anforderungen des Entscheidungsdilemmas in unterschiedlichen Dimensionen erklären. Laut Zimolong und Rohrmann (1988, 625) wird eine Entscheidung dann als schwierig bewertet, „wenn die benötigten bzw. zu berücksichtigenden Informationen umfangreich und widersprüchlich sind, wenn Ungewissheit über die zu erwartenden Folgen besteht, [und] wenn der Entscheider sich über seine Ziele und Präferenzen unklar ist“. Ein alternatives Verständnis zu diesem kognitionspsychologischen Ansatz bietet Tölle mit dem Begriff des „Entscheidungskonflikts“ (1991, 41), der bei mindestens zwei widersprüchlichen Bestrebungen entsteht, die durch Entscheidungsdruck gekennzeichnet sind. Durch diesen Terminus wird deutlich, dass es sich um eine belastende Situation für den Entscheidenden handelt, die umso belastender wird, je weitreichender die Konsequenzen sind. Ferner wird durch den Begriff des Entscheidungskonflikts laut Hellberg (2009) deutlich, dass eine Bewältigung nicht allein aufgrund von rationalem Denken erfolgen kann, sondern vielmehr die Fertigkeit notwendig ist, verschiedenen Gedanken, Überlegungen und emotionalen Empfindungen bewusst zu werden, sie zu sortieren und miteinander in Verbindung zu setzen. Er merkt dazu kritisch die „Ignoranz der Entscheidungsforschung den Emotionen gegenüber“ an (Hellberg 2009, 36). Gigerenzer (2007) betont die Unterschätzung der Intuition bei der Entscheidungsfindung, die er als rasch ins Bewusstsein gelangende, 92 Pastoors, Edelhäuser, Lübcke, Söller, Neumann 3 | 2024 heuristische Prozesse bezeichnet. Bei beruflichen Entscheidungen sind die Risiken und Konsequenzen teilweise unbekannt, weshalb sie besser durch Intuition zu treffen sind (Gigerenzer 2013). Die Theorie dynamischer Systeme nach Araujo (2011) legt nahe, dass die Entscheidungsfindung nicht ausschließlich durch mentale Modelle, sondern auch durch verkörperte Kognition beeinflusst wird. So wird beispielsweise das Selbstwirksamkeitsniveau laut der Theorie der verkörperten Kognition aus der Interaktion zwischen Körper, Kognition und Umwelt kultiviert und nimmt eine prädiktive Rolle bei der Einstellung zu Berufswahlentscheidungen ein, die nachweislich wichtige Auswirkungen auf Karriereentscheidungsaktivitäten von College- Studierenden hat (Xingjuan / Yufei 2021). Zudem belegen weitere Theorien, dass emotionale Gefühlszustände aus physiologischen Veränderungen im Körper entstehen (Critchley/ Garfinkel 2017), die unter dem Begriff der „Interozeption“ zusammengefasst werden. Es wird vermutet, dass die viszerale Wahrnehmung, d. h. die Wahrnehmung innerer Organe, eine Rolle bei der Erfahrung der Intensität von Emotionen hat (Wiens et al. 2000; Fogel 2013). So kann bei Personen mit einer Major Depression eine gestörte Interozeption durch eine abweichende Aktivität der Insula, die ein Teil der Großhirnrinde zur Beteiligung an Bewusstsein und Emotionen ist, u. a. zu Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung führen (Eggart et al. 2019). Auch Menschen mit Angststörungen sind potenziell dem Einfluss kognitiver Verzerrungen angesichts denkbar aversiver Ergebnisse ausgeliefert (Hartley / Phelps 2012), und Ängstlichkeit ist mit einer ausgeprägten Neigung zu risikovermeidendem Entscheidungsverhalten verbunden (Maner et al. 2007). Untersuchungen bei Menschen mit Alexithymie (Gefühlsblindheit) ergaben im Kontext des pathologischen Spielens, dass die Schwere des Defizits an Entscheidungsfähigkeiten im Zusammenhang mit der Schwere der Alexithymie stand, selbst wenn die Auswirkungen von Angst und Depression kontrolliert wurden (Aïte et al. 2014). Diese Befunde erweitern die Annahme dahingehend, dass Gefühle einen maßgeblichen Einfluss auf unser Entscheidungsverhalten haben, jedoch im Umgang mit Entscheidungsschwierigkeiten selten hinreichende Berücksichtigung finden. Therapeutische Methoden bei Entscheidungsproblemen Unentschlossenheit bei berufsbezogenen Entscheidungen kann Betroffene so stark belasten, dass sie sich professionelle Unterstützung suchen. Mittlerweile gibt es einige therapeutische Methoden, um Entscheidungsproblemen zu begegnen. Studien belegen, dass die subjektiv empfundene Belastung durch Entscheidungsschwierigkeiten mithilfe verschiedener Interventionen reduziert werden kann (z. B. Xu / Tracey 2014; Baumgart et al. 2010; Rochat/ Rossier 2016). Eine psychotherapeutische Gesprächstechnik, die sich in einem Vier-Felder-Schema mit den Vor- und Nachteilen von zwei Entscheidungsoptionen beschäftigt, stellt das „Motivational Interviewing“ (MI) nach Miller und Rollnick (2015) dar. Beim MI wird davon ausgegangen, dass ein durch gemeinsame Exploration zu lösender Ambivalenz-Konflikt besteht (Miller / Rollnick 2015). Dabei werden offene Fragen gestellt, und Strategien wie aktives Zuhören, Würdigung und Wertschätzung kommen zum Einsatz, ähnlich wie in der humanistischen Psychotherapie (zur Einordnung der EKT in die psychotherapeutische Theorie siehe Neumann 2022). Eine Fallstudie konnte zeigen, dass der MI-Ansatz in eine Berufsberatungsintervention integriert werden und Studierenden helfen konnte, Karrieredilemmata zu überwinden (Rochat/ Rossier 2016). Anhand einer weiteren Studie wurde gezeigt, dass die Schwierigkeiten bei der Berufs- Emotionalkörper-Therapie bei Entscheidungsprozessen 93 3 | 2024 wahlentscheidung von College-Studierenden durch eine höhere Ambiguitätstoleranz, d. h. der Fähigkeit, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsweisen zu ertragen, moderiert werden (Xu / Tracey 2014). Diese Studie impliziert daher, dass es notwendig ist, KlientInnen dabei zu helfen, eine adaptive Bewältigungsstrategie für Inkonsistenz in der Berufsberatung zu finden. In einem anderen Ansatz versuchen Forschende, bei ProbandInnen mit psychischen Störungen (Depressionen und Angststörungen) gezielt die interozeptiven Fähigkeiten durch Achtsamkeitsmeditation und Massagen zu normalisieren (Baumgart et al. 2010), was u. a. auch zu einer verbesserten Entscheidungsfähigkeit beitragen kann. Die Ergebnisse anderer Studien deuten darauf hin, dass die Steifheit und mangelnde Elastizität im myofaszialen Gewebe Teil einer dysfunktionalen Körper-Geist-Dynamik sein könnte, die eine Depression aufrechterhält (Michalak et al. 2022). Es gibt zudem Hinweise, dass sowohl Yoga als auch Qi Gong unterstützende Wirkungen bei der Behandlung von Depressionen haben (z. B. Cramer et al. 2013). Ziel der vorliegenden Studie Es lässt sich festhalten, dass emotions- und intuitionsbasierte Strategien zur Unterstützung der Entscheidungsfindung, wie es u. a. Hellberg (2009) und Gigerenzer (2007) empfehlen, bislang nicht untersucht wurden. Eine solche Therapiemethode stellt die Emotionalkörper- Therapie (EKT) dar (Lübcke / Söller 2009, 2019). Ziel der vorliegenden qualitativen Prä-Post-Interventionsstudie ist es daher, die subjektive Wirksamkeit der EKT bei beruflichen Prozessen zur Entscheidungsfindung zu untersuchen, indem Studierende mit einem beruflichen und / oder studienbezogenen Entscheidungsproblem einmalig mit der EKT begleitet werden und die subjektive Wirksamkeit durch ein qualitatives Interview vor und nach der Begleitung untersucht wird. Die Emotionalkörper-Therapie (EKT) Die EKT stellt eine vor ca. 30 Jahren entwickelte emotions-, körper- und ressourcenorientierte Therapieform dar, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und als alleinigen Entscheidenden im Therapieprozess sieht (Lübcke / Söller 2009, 2019). In der EKT geht es primär um das tiefgehende Spüren und achtsame Annehmen aller Emotionen und Körperempfindungen (positive wie negative), was zur Verbesserung des psychischen und / oder physischen Zustandes sowie von Erkrankungen führen kann (Neumann 2022). Durch die verbale Kommunikation und das intensive Spüren der sich zeigenden (Körper-)Empfindungen können belastende Gefühle und Körperempfindungen bewusst transformiert werden (Lübcke / Söller 2009, 2019). Aufgrund der wechselseitigen Beziehung zwischen Emotionen und Körper wird angenommen, dass sich Veränderungen auf der emotionalen Ebene auch auf die körperliche Ebene auswirken können sowie umgekehrt (Neumann 2022). Die Haltung der EKT-TherapeutInnen ist offen, nicht direktiv und nicht zielorientiert (Neumann 2022). Diese Umgangsform erleichtert es den KlientInnen, sich auch mit unangenehmen (Körper-)Empfindungen vorurteilsfrei auseinanderzusetzen, da alles „da sein darf“ (Neumann 2022). Die Haltung während des gesamten Prozesses ist also vollkommen wertfrei, empathisch und respektvoll. Der Ablauf ist strukturiert und leicht verständlich, sodass KlientInnen volle Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit besitzen und EKT-TherapeutInnen den Prozess lediglich begleiten. Während einer EKT-Sitzung durchlebt die Person eine Reise in das eigene Innenleben (Lübcke / Söller 2009, 2019). Um in einen tiefen Entspannungszustand zu gelangen und 94 Pastoors, Edelhäuser, Lübcke, Söller, Neumann 3 | 2024 die Wahrnehmung auf den eigenen Körper richten zu können, wird zu Beginn einer EKT-Begleitung eine Atementspannung angeleitet. Mit der anschließenden Verbindung mit einer Kraftquelle und der Bitte um „Hilfe und Unterstützung“ beginnt die direkte innere und verbale Kommunikation der KlientInnen mit dem eigenen Innenleben. Die EKT-TherapeutInnen geben Raum für das, was in dem Moment in den KlientInnen vorgeht. Die in Kasten 1 beschriebenen vier Anwendungsschritte bilden das Kern-Gerüst der EKT: 1. Das Gefühl bzw. die Körperempfindung begrüßen / spüren, 2. dem Gefühl bzw. der Körperempfindung danken, 3. das Gefühl bzw. die Körperempfindung in Liebe annehmen / lieben und 4. das Gefühl bzw. die Körperempfindung fragen, ob man etwas für es tun kann. In einer EKT-Begleitung wiederholen sich diese vier Schritte bei jeder neuen (Körper-) Empfindung. Durch das Durchlaufen dieser Anwendungsschritte können tieferliegende und belastende (Körper-)Empfindungen ins Bewusstsein integriert und transformiert werden, sodass viele KlientInnen intuitiv Antworten aus dem Inneren auf die Fragen erhalten, die sie bewegen. Die KlientInnen können während einer EKT erfahren, dass sie sich keinem Gefühl ohnmächtig ausgeliefert fühlen müssen. Durch dieses Vorgehen wird dem Leidensdruck der begleiteten Person mit Zuwendung und Liebe begegnet. Die EKT kann therapeutisch mithilfe der Begleitung von EKT-TherapeutInnen durchgeführt oder in der therapeutischen Selbstanwendung sowie in der Meditation (als mp3, begleitet oder selbst angeleitet) erfahren werden (Details zur Anwendung der EKT siehe Neumann 2022, ein Beispiel für die Selbstanwendung der EKT siehe Plat et al. 2022). Ihre praktische Fundierung erhält die EKT aus den langjährigen Erfahrungen der Entwicklerinnen auf Basis der therapeutischen Praxis mit Erwachsenen, sowie Kindern und Jugendlichen (Lübcke / Söller 2009, 2019). Die Erfahrungen aus 30 Jahren EKT zeigen, dass sich diese Methode auf psychisch und physisch kranke, aber auch auf gesunde Menschen positiv auswirken kann, da sie z. B. auch als Entscheidungs- und Konflikthilfe oder persönliche Wachstumsanregung dienen kann (Lübcke / Söller 2009, 2019). Bislang wurde jedoch wissenschaftlich noch nicht untersucht, ob und inwiefern die EKT zu einer erfolgreichen Entscheidungsfindung beitragen kann. Methode Studiendesign Die vorliegende Studie ist qualitativ ausgerichtet und erfolgte in Form einer Prä-Post-Interventionsstudie. Dazu wurden zwei Interviewleitfäden für die Prä- und die Post-Befragung entwickelt sowie eine anschließende schriftliche Rückbefragung vier Wochen nach der Intervention via Email (Abb. 1). Im Fokus der Interviews lag das tiefergehende Verstehen der subjektiven Sichtweisen der befragten Personen und die Identifikation möglicher Ursachen für ihr Handeln und Denken (Patton 2002). Sampling und Stichprobenbeschreibung Einschlusskriterien für die Auswahl der ProbandInnen waren die Volljährigkeit und das Bevorstehen einer berufsbezogenen (z. B. Welches Stellenangebot nehme ich an? ) und / oder studienbezogenen Entscheidung (z. B. Gehe ich ein Semester ins Ausland? ) sowie ausreichende psychische und physische Belastbarkeit und die Einwilligung zur Teilnahme an der Studie mit Einverständnis zur Datenschutzerklärung. Die Stichprobe umfasste eine Größe von N = 9 Personen, davon acht Frauen und ein Mann im Alter zwischen 23 und 45 Jahren (Tab. 1). Fünf Teilnehmende studierten Psychologie, zwei Jura, eine Medizin, und eine Emotionalkörper-Therapie bei Entscheidungsprozessen 95 3 | 2024 Interview vor der EKT-Begleitung • Soziodemographische Variablen: Geschlecht, Alter, Studium, Semester • Was motiviert dich zur Teilnahme an dieser Studie? • Du hast dich gemeldet, weil du aktuell vor einer Entscheidung stehst. Um welches Thema geht es genau? • Auf einer Skala von 1-10, wenn 1 „gar nicht belastet“ und 10 „sehr belastet“: Wie sehr belastet dich die Entscheidung zum aktuellen Zeitpunkt? • Wie lange beschäftigst du dich bereits mit dieser Entscheidung? • Wie bist du bisher mit der Entscheidungsschwierigkeit umgegangen? Würdest du von dir behaupten, dass du eher ein Kopf- oder Bauchmensch bist? Oder beides? • Hast du seelisch-emotionale Beschwerden? • Hast du therapeutische und / oder Coaching-Erfahrung in Bezug auf diese Entscheidungsfindung? • Hast du Meditationserfahrung in Bezug auf diese Entscheidungsfindung? • Hast du generell therapeutische und / oder Meditationserfahrung? Wenn ja, welche? • Hast du irgendwomit mal schlechte Erfahrungen gemacht? • Haben dir Familie oder Freunde bzw. dein soziales Umfeld ggf. mal etwas geraten, wie du mit der Entscheidung umgehen sollst? • Was erwartest du dir konkret von der Begleitung mit der Emotionalkörper-Therapie? Interview nach der EKT-Begleitung • Wie hast du die EKT erlebt? • Wie hast du dich gefühlt während der EKT? • Gab es evtl. Schwierigkeiten für dich während der EKT? Wenn ja, wie bist du bzw. ist die EKT-Therapeutin damit umgegangen? • Welche Wahrnehmungen bzw. Erlebnisse hattest du während der EKT? • Wie ging es dir direkt nach der EKT? Welche Gefühle und / oder Körperempfindungen hattest du direkt danach? • Hast du irgendwelche Auswirkungen oder Veränderungen nach der EKT erlebt? • Welche Veränderungen hast du bei dir wahrgenommen bezüglich der beruflichen Entscheidungsfindung? • Hat sich dein Hin-und-hergerissen-Sein zwischen zwei Alternativen evtl. jetzt verändert? • Wie sieht es aus mit der Angst vor Fehlentscheidungen? Gab es Unterschiede im Vergleich zu ähnlichen Entscheidungsprozessen, die du ohne EKT getroffen hast? • Gibt es Gefühle oder ein bestimmtes Verhalten, das du sonst von dir bei sonstigen Entscheidungsprozessen kennst, mit denen du durch die EKT anders umgegangen bist? • Inwiefern hat sich dein Entscheidungsverhalten durch die EKT im Vergleich verändert? • Auf einer Skala von 1-10, wenn 1 „gar nicht belastet“ und 10 „sehr belastet“: Wie sehr belastet dich die Entscheidung zum aktuellen Zeitpunkt? • Bei weiteren Therapieerfahrungen: Wie erlebst du die EKT im Vergleich zu anderen Therapieerfahrungen? • Inwiefern haben sich deine zuvor gestellten Erwartungen erfüllt/ nicht erfüllt? • Würdest du die EKT ggf. einem Freund empfehlen? • Wäre es für deine Entscheidungsfindung hilfreich, wenn du noch weitere EKT-Begleitungen dazu erhalten würdest? D. h. hat dir die eine evtl. nicht ausgereicht? • Gibt es noch sonstige Anmerkungen oder Dinge, die du noch sagen möchtest? 4-6 Wochen später per E-Mail • Hat die EKT-Begleitung irgendwelche Auswirkungen für dich gehabt? • Wie geht es dir mit dem Entscheidungsprozess aktuell? Abb. 1: Interview-Leitfäden vor und nach der EKT-Begleitung 96 Pastoors, Edelhäuser, Lübcke, Söller, Neumann 3 | 2024 teilnehmende Person arbeitete im heilpädagogisch-therapeutischen Bereich. Datenerhebung Die Rekrutierung erfolgte mithilfe von zwei Flyern, die in digitalen Medien (Whatsapp, Instagram) verbreitet wurden. Die Rücklaufquote betrug ca. 16 % (Tab. 1). Vor Beginn der Studie erfolgte durch die Erstautorin eine ausführliche Aufklärung der ProbandInnen über den Inhalt, das Vorgehen und die Tragweite der Untersuchung schriftlich sowie mündlich, und die ProbandInnen gaben ihr schriftliches Einverständnis zur Studienteilnahme. Die Studie wurde zuvor von der Ethikkommission der Universität Witten / Herdecke genehmigt (Antrags-Nr. 41, 2021). Alle ProbandInnen wurden jeweils vor und nach der EKT-Begleitung einzeln durch die Erstautorin interviewt. Die Begleitungen wurden durch ausgebildete EKT-TherpeutInnen durchgeführt. Die teilstrukturierte Interviewtechnik nach dem Vorbild des Problemzentrierten Interviews (PZI) nach Witzel (2000) diente der systematischen, wertfreien und offenen Erfassung subjektiver Sichtweisen im Zusammenhang mit der Forschungsfrage. Die Interviews wurden im Zeitraum von April bis August 2021 aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zumeist digital via Zoom erhoben, und die Fragen bezogen sich auf demographische Variablen, die subjektive Entscheidungsfrage sowie die Erfahrungen und Erlebnisse mit der EKT im Hinblick auf die Entscheidung. Die Interviews wurden als Audiodatei aufgezeichnet und vollständig transkribiert. Vier bis sechs Wochen nach der einmaligen EKT-Begleitung wurde eine kurze Rückbefragung per E-Mail durchgeführt, die zwei Fragen beinhaltete (Abb. 1). Datenanalyse Die inhaltliche Auswertung der Interviews erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2000) auf induktiver Ebene, sodass die Entwicklung eines Kategoriensystems im Zentrum der Analyse stand (Mayring 2015). Die Kategorien wurden anhand des Datenmaterials entwickelt und passende Textpassagen aus dem Material herausgefiltert, die zusätzlich in Unterkategorien aufgeteilt wurden (Mayring 2015). Es wurden zu jeder Ka- Kategorie Maße Kontaktierte ProbandInnen 58 Teilnehmende ProbandInnen 9 Rücklaufquote 16 % Weiblich 89 % Männlich 11 % Altersdurchschnitt 29 Altersrange 20-43 Weiterempfehlung EKT 89 % Weitere Sitzung wäre hilfreich 56 % Skalenwerte zur Belastung (prä EKT) Ø 6,4 (Skala von 1-10) Skalenwerte zur Belastung (post EKT) Ø 4,0 (Skala von 1-10) Tab. 1: Überblick über ausgewählte demografische und weitere Merkmale der ProbandInnen Emotionalkörper-Therapie bei Entscheidungsprozessen 97 3 | 2024 tegorie Kodierregeln festgelegt, anhand derer Textstellen eindeutig zu den Kategorien zugeordnet und Probleme bezüglich der Abgrenzung zwischen den Kategorien vermieden werden konnten. Das Datenmaterial wurde offen und induktiv auf die Forschungsfrage der subjektiven Wirksamkeit hin ausgewertet (Gläser-Zikuda 2011). Das Kategoriensystem wurde im Anschluss von zwei KoautorInnen (MN, FE) überprüft, und alle kritischen Einwände wurden diskutiert und zufriedenstellend gelöst. Ergebnisse Die quantitativen Ergebnisse zeigen, das 89 % der befragten ProbandInnen die EKT in Bezug auf Entscheidungsschwierigkeiten weiterempfehlen würden. Es konnte zudem eine Belastungsreduktion erreicht werden: Die Belastung durch die Entscheidungsfindung vor Durchführung der EKT lag bei einem Skalenwert von 6,4, die Belastung nach der EKT bei 4,0 (die Skala reichte von 10 bis 1, 10 bedeutete stark belastet, 1 bedeutete wenig belastet). Zu den qualitativen Ergebnissen nach der Intervention mit einer EKT-Begleitung wurde ein Kategoriensystem mit zwei Hauptkategorien und jeweils weiteren Unterkategorien entwickelt. Therapeutische Wirkung der EKT Die Ergebnisse der Interviews vor Durchführung der EKT weisen auf viel Druck durch innere oder äußere Einflüsse in Bezug auf die Entscheidung und einen individuellen Umgang mit diesem hin. Viele ProbandInnen beschrieben die Vermeidung der Entscheidung oder suchten eine konfrontative Herangehensweise und Auseinandersetzung. Für die Mehrheit der ProbandInnen war die Begleitung mit der EKT dann hilfreich („Die EKT ist wie eine Entdeckungsreise durch sich selbst“) und konnte zu neuen Ansätzen führen („Endlich hat es sich so angefühlt, als würde ich nicht mehr steckenbleiben“). Bei einem Großteil der ProbandInnen wurden die zuvor gestellten Erwartungen erfüllt („Wenn die EKT ein Versprechen gewesen wäre, dann wurde es eingehalten“), und nach der Intervention mit der EKT konnte eine Belastungsreduktion festgestellt werden (Tab. 1). Gelassenheit, Sicherheit und zuversichtliche Zukunftsperspektive Die ProbandInnen berichteten von Gefühlen von Vertrauen und Zuversicht, unabhängig von der beruflichen Situation („Am Ende ging es ja wirklich […] darum, Zuversicht im Leben zu gewinnen, und ich glaube, da habe ich vielleicht wieder ein bisschen was […] dazugewonnen“). Auch eine gelassenere Haltung wird von vielen wahrgenommen („[die EKT] bringt mich wieder ein bisschen runter und zu einer gelasseneren Haltung“), die nachhaltig zu sein schien und viele Ängste durch eine neu gewonnene oder zurückeroberte Sicherheit in den Hintergrund stellte. Ein Teil der ProbandInnen beschrieb ein „Gefühl der Erdung“ und Verbundenheit mit sich, was zu einer höheren Sicherheit mit dem eigenen Weg führte, sowie ein verbessertes Aushalten einer noch offenen Entscheidung („Ich schwanke immer noch hin und her, aber auf einer ganz anderen Basis […], und es bereitet mir Freude, mich damit auseinanderzusetzen“). Einige ProbandInnen haben dadurch mehr Selbstvertrauen gewonnen und muten sich jetzt zu, auch größere Entscheidungen treffen zu können („Insofern habe ich tatsächlich das Vertrauen gewonnen, die kleinen Entscheidungen zu treffen, die dann auch später die großen [Entscheidungen] betreffen“). Viele TeilnehmerInnen beschrieben einen anderen Zugang zu Entscheidungen („so ein anderes Tor, das sich da jetzt geöffnet hat“), den sie jetzt leichter mit offenem Bewusstsein und einer gewissen Flexibilität wählen können. 98 Pastoors, Edelhäuser, Lübcke, Söller, Neumann 3 | 2024 Entwicklung von Selbstfokussierung und Körperbewusstsein Die EKT lieferte vielen ProbandInnen neue Ansätze („Es ist eine Erfahrung, die sich selbst näherbringt und bestimmte Prozesse ermöglicht, die man alleine nicht unbedingt so durchlaufen kann“). Diese andere Herangehensweise ging mit einer Fokusverschiebung auf sich selbst einher („[…] die Möglichkeit bekommen habe, den Blick in mich hinein zu wenden“). Durch die Selbstaufmerksamkeit kam es zumeist zu einem achtsamen Umgang mit sich selbst („Ich hab jetzt […] zum ersten Mal wahrgenommen, wie sich das auf meinen Körper auswirkt“). Diese Fokusverschiebung führte in der Regel auch zu einem hilfreichen Körperbewusstsein, das mit einer Wahrnehmung von Wärme und Kribbeln („Ich hätte nie gedacht, dass man das so spüren kann“) einherging. Viele ProbandInnen kamen ihren Gefühlen anhand der Anleitung einer Atemmeditation und Exploration eigener Körperempfindungen laut eigenen Aussagen näher, sodass sie zu Beginn der EKT häufig unangenehme und einnehmende Körperempfindungen, wie z. B. Enge- oder Druckgefühle in der Thorax- und Bauchumgebung, beschrieben („da habe ich ein starkes Engegefühl um den Bauch herum gespürt“), die im Laufe der Sitzung durch eine direkte Auseinandersetzung häufig aufgelöst werden konnten („[…] wo ich mich sehr hilflos gefühlt habe, und als ich davon erzählt hatte, konnte ich mehr erkennen, was das Gefühl braucht, und konnte auch mehr loslassen“). Durch das Hinspüren in den eigenen Körper kamen teilweise Gefühle hervor, die lange nicht zugelassen wurden. Der Versuch, dieser Körperempfindung und dem dahinterliegenden Gefühl das zu geben, was es braucht, führte dazu, dass die unangenehmen Empfindungen als nicht mehr so einnehmend empfunden wurden („[…] also irgendwie dramatisiere ich Gefühle nicht mehr so wie vorher“). Spannungsreduktion Zudem berichteten alle ProbandInnen von einer Spannungsreduktion durch die EKT. Sie verspürten zum Großteil nach der EKT eine Leichtigkeit und Entspannung sowie eine Art Schwerelosigkeit („[…] so eine Art Schwerelosigkeit, das war ganz verrückt“). Die Ambivalenz in Bezug auf die Entscheidung konnte durch die einmalige EKT-Begleitung nicht immer aufgelöst werden, aber der Druck zumeist genommen und der Mut gestärkt werden („[…] da jetzt so einen Mittelweg zu finden zwischen bewusstem Umgang mit mir selbst, aber auch einem gewissen Mut, Zuversicht und Naivität in bestimmte Richtungen“). Dieser Prozess wurde von einigen ProbandInnen als Veränderungsmoment („Das war eigentlich so die Wendung“) bezeichnet und durch das Ausrichten der Aufmerksamkeit auf diese unangenehmen Gefühle und das Schenken von Zuneigung an diese Gefühle oder Empfindungen häufig bereits erreicht. Steigerung von Akzeptanz Eine zentrale Rolle beim Auflösen dieser Gefühle und Empfindungen spielte die Akzeptanz von den Anteilen, die zu Problemen führen („[…], dass ich es trotzdem annehmen kann als einen Teil von mir, der für mich hilfreich war, den ich jetzt aber auch ein bisschen verändern darf und dann in veränderter Form mitnehmen kann“). Diese Akzeptanz konnte bei einer Person dadurch herbeigeführt werden, dass die positiven Seiten dieser unangenehmen Körperempfindung betrachtet wurden, sodass sich diese dann auflöste. Dieser Schritt geht häufig mit einer Erkenntnis einher („Es [das Gefühl] ist noch nicht ganz weg, aber ich weiß jetzt, was es braucht, und ich glaube, ich kann das dem jetzt auch geben“). Der Moment der Veränderung war meist auch mit neuen, intensiven Gefühlen verbunden („[…] und ab dem Moment kamen dann auch positive Gefühle mehr zum Vorschein“). Emotionalkörper-Therapie bei Entscheidungsprozessen 99 3 | 2024 Einflussfaktoren auf die therapeutische Wirkung Das Ausmaß der therapeutischen Wirkung der EKT wird sowohl von der therapeutischen Beziehung als auch von auftauchenden Schwierigkeiten während der Begleitung geprägt. Therapeutische Beziehung Der Erfolg dieser Intervention war maßgeblich abhängig von der therapeutischen Beziehung. Durch die dauerhafte Kommunikation während der Sitzung wurde ein Gefühl von Nähe zu den TherapeutInnen hergestellt („Sie ist sehr auf mich eingegangen, ich hab mich sehr wohlgefühlt, aufgehoben und irgendwie gehört gefühlt“). Viele ProbandInnen berichteten positiv von einer ruhigen und angenehmen Stimme sowie einem kompetenten Eindruck und der Partizipation im Prozess, was das Einlassen auf diesen erleichterte („Ich hatte wirklich das Gefühl, ich konnte mich komplett darauf einlassen […], weil sie so einen kompetenten Eindruck gemacht hat“). Auch das offene Nachfragen und das Beibehalten der Selbstbestimmung wurde als hilfreich beschrieben („[die EKT-Therapeutin war] auch sehr fragend und nicht viel interpretierend. Das fand ich ganz angenehm“). Ein Teil der ProbandInnen berichtete davon, sich gehört zu fühlen, sowie von einer Sympathie gegenüber den TherapeutInnen. Schwierigkeiten während des Begleitungsprozesses Der Erfolg der EKT war weiterhin beeinflusst durch aufkommende Schwierigkeiten während des Prozesses und dem Umgang mit diesen. Einige ProbandInnen fanden die Methode und das Setting zu Beginn ungewöhnlich und mussten sich zunächst selbst überzeugen und öffnen („Also ich glaub, für mich war es einfach sehr ungewöhnlich, und ich musste mich dazu überreden, mich darauf einlassen zu können“). Viele TeilnehmerInnen äußerten sich ebenfalls zu Schwierigkeiten durch gedankliches Abschweifen und Nachdenken („Also manchmal bin ich vielleicht doch wieder ein bisschen zu stark in meinen Kopf gegangen. Das ist automatisch passiert.“). Einige ProbandInnen berichteten auch von Schwierigkeiten beim Danken des „Sich-Zeigens“ der eigenen Probleme und dem Annehmen dieser sowie von Anstrengungen beim Nachspüren und Aushalten unangenehmer Gefühle („[…] das war halt nicht so angenehm, und dann hab ich auch schon gemerkt, dass ich da eigentlich nicht so gerne drin bin in dem Gefühl und da relativ schnell rausgehen wollte“). Die TeilnehmerInnen teilten mit, dass diese Schwierigkeiten durch einen konstruktiven Umgang und die Unterstützung durch die EKT-TherapeutInnen überwunden werden konnten und keine weiteren nachteiligen Effekte auf die Erfolge hatte. Lediglich eine teilnehmende Person bewertete die Methode als albern und nicht ernst zu nehmen, was sich entsprechend negativ auf den Erfolg der EKT ausgewirkt hat. Diskussion Die EKT stellt eine Form der Therapie dar, die durch ihre Bestandteile der dauerhaften verbalen und spürenden Kommunikation in Verbindung mit den meditativen Elementen und der offenen Haltung gegenüber der hilfesuchenden Person andere Ansätze im Vergleich zu herkömmlichen Therapieverfahren (Überblick bei Neumann 2022) verfolgt. Dabei ist die EKT eine in die Tiefe gehende, intensive Erfahrung der emotionalen und körperlichen Selbstbegegnung, die auf Dankbarkeit und Annahme ausgerichtet ist, wohingegen viele klassische Therapieverfahren bei Entscheidungsfindung mit kognitiver Klärung, Einsicht, Verstehen und Umgang arbeiten. Teilweise decken sich die Methoden der EKT mit anderen entscheidungskonfliktreduzierenden Therapieverfahren: So finden sich beispielsweise Wertschätzung und Offenheit in der EKT, ebenso wie im Motiva- 100 Pastoors, Edelhäuser, Lübcke, Söller, Neumann 3 | 2024 tional Interviewing nach Miller und Rollnick (2015). Baumgart und Kollegen (2010) versuchten, bei psychischen Störungen gezielt die interozeptiven Fähigkeiten u. a. durch Achtsamkeitsmeditation zu normalisieren, wobei Achtsamkeit sowohl ein Bestandteil der EKT (Neumann 2022) als auch ein Ergebnis der Begleitung ist, von dem die ProbandInnen berichteten. Die theoretischen Annahmen Tölles (1991) zum Entscheidungskonflikt, der durch Entscheidungsdruck gekennzeichnet ist, konnte in den Ergebnissen der vorliegenden Studie bestätigt und insofern erweitert werden, als dass ProbandInnen vor der Intervention mit der EKT verschiedene Arten des Umgangs (Entscheidungsvermeidung oder konfrontativere Herangehensweise) mit Entscheidungsdruck hatten. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen bisherige Befunde darin, dass Zusammenhänge von Angst und risikovermeidendem Entscheidungsverhalten (Maner et al. 2007) ebenfalls als eine Art des Umgangs mit dem Entscheidungsdruck vor Durchführung der EKT wiedergefunden werden konnten. Die Konfliktambivalenz nach Durchführung der EKT- Begleitung wird von ProbandInnen als nicht mehr so stark beschrieben, sodass man davon ausgehen kann, dass die EKT unter anderem auch die Ambiguitätstoleranz trainiert, was auch Xu und Tracey (2014) im Zusammenhang mit Selbstwirksamkeit in ihren Studienergebnissen zeigen konnten. Das Bedürfnis nach kognitiver Geschlossenheit wurde bei Menschen mit Entscheidungsdilemmata in erhöhter Ausprägung gefunden (Gati et al. 2011) und durch die Intervention mit einer EKT-Begleitung möglicherweise verbessert, sodass der Zustand des „Nicht-Wissens“ nach der Intervention besser ausgehalten werden konnte. Für die Annahme Hellbergs (2009), dass man sich bei einer Entscheidungsfindung seinen emotionalen Empfindungen bewusst werden sollte, ist die EKT eine ideale Methode Gefühle wahrzunehmen, körperlich zu verorten und ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Möglichkeiten und Grenzen der Studie Eine der wesentlichen Stärken der vorliegenden Studie ist das qualitative Design und die Möglichkeit, die subjektive Erfahrung der ProbandInnen im Detail sowie in Intensität und Tiefe zu untersuchen. Außerdem existieren bislang keine empirischen Untersuchungen zur Wirksamkeit der EKT in Bezug auf den Umgang mit der Entscheidungsfindung, sodass die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung weitreichende Implikationen für die theoretische und praktische Weiterentwicklung und Verbesserung der EKT haben könnten. Eine Limitation der Studie stellt die Homogenität und Selbstselektion der Stichprobe in Bezug auf die Bereitschaft, sich mit körperpsychotherapeutischen Verfahren auseinanderzusetzen, dar. Es ließe sich außerdem diskutieren, ob und inwiefern die Methodik der EKT speziell für Entscheidungsproblematiken angepasst werden könnte, damit der Bezug zu Entscheidungen noch mehr in die Methodik integriert werden kann. Eine weitere Einschränkung der Studienergebnisse besteht darin, dass die ProbandInnen jeweils nur eine EKT-Begleitung erhalten haben, weil weitere Begleitungen den finanziellen Studienrahmen gesprengt hätten. Der reguläre therapeutische Prozess in der EKT sieht häufig mehr als eine Begleitung vor. Außerdem wurden die ProbandInnen vor Durchführung der Intervention nicht auf Depression, Angststörungen und Alexythymie untersucht, was die Wirksamkeit der EKT-Begleitung und die anschließende Bewertung beeinflussen könnte, da solche ProbandInnen ggf. mehr Begleitungen bräuchten. Vor diesem Hintergrund sind die hier vorliegenden Ergebnisse als positiv für die EKT zu bewerten. Fazit und Ausblick Insgesamt zeigen diese ersten explorativen, qualitativen Studienergebnisse, dass schon eine EKT-Begleitung bei berufsbezogenen und studiumsbezogenen Entscheidungen bzw. Konflikten auf unterschiedlichen Ebenen als Emotionalkörper-Therapie bei Entscheidungsprozessen 101 3 | 2024 sehr wirksam und entlastend erlebt wird. Zukünftige Studien mit mehr ProbandInnen und einem Mixed-Method-Ansatz im quasiexperimentellen Design sollten die Ergebnisse der vorliegenden Studie validieren und eine Diagnostik in Bezug auf Depression, Angststörungen und Alexythymie vor der Intervention beinhalten, um auch Gruppeneffekte bei der Wirksamkeit der EKT zu messen. Literatur Aïte, A., Barrault, S., Cassotti, M., Borst, G., Bonnaire, C., Houdé, O., Varescon, I., Moutier, S. (2014): The impact of alexithymia on pathological gamblers’ decision making: a preliminary study of gamblers recruited in „sportsbook“ casinos. Cognitive and Behavioral Neurology 27 (2), 59-67, https: / / doi.org/ 10.1097/ WNN.0000000000000027 Afzal, A., Atta, M., Shujja, S. (2013): Emotional intelligence as predictor of career decision making among university undergraduates. 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Susanna Lübcke Ärztin, Entwicklerin der Emotionalkörper-Therapie und tätig in privater Online-Praxis im deutsch- und englischsprachigen Raum. Anne Söller Physiotherapeutin und Bobath- Lehrtherapeutin für Säuglinge, Kinder und Jugendliche, Autorin, Entwicklerin der Emotionalkörper-Therapie, die sie in Berlin und im deutschsprachigen Raum als Ausbildung und Therapie anbietet. Priv.-Doz. Dr. rer. med. Melanie Neumann Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Privaten Universität Witten / Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Department Humanmedizin. ✉ Lisa Pastoors Sprockhöveler Str. 129 | D-58455 Witten Lisa.Pastoors@uni-wh.de
