körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2025.art07d
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Aktuelles aus der Forschung: Aktuelle Tanzstudien zur Messung von Therapieergebnissen und zur Wirksamkeit bei Stress und Depression
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Iris Bräuninger
Das Dunphy Outcomes Framework (DOF) wurde mit dem Ziel entwickelt, dem wachsenden Bedarf nachzukommen, Therapieergebnisse der Tanz-, Bewegungstherapie (TT) messbar zu machen (Dunphy et al. 2023). Es ist ein empirisch getestetes, zuverlässiges und gültiges Instrument zur Messung von Therapieergebnissen und weist eine gute Skalenkonsistenz und sehr gute Inter-Rater-Reliabilität auf. An der methodischen Entwicklung der sechs DOF-Domänen trugen 260 Kolleg:innen aus zwölf Ländern über den Zeitraum von 2016 bis 2020 in einem Delphi-ähnlichen Prozess bei, wobei die Teilnahme freiwillig und unentgeltlich war. An der Zuverlässigkeitsstudie nahmen 117 Teilnehmer:innen (95% Frauen) teil, von 112 flossen die Datensätze in die Studie ein. Die Aufgabe der Teilnehmer:innen bestand darin, sich ein 3-minütiges, im Web frei verfügbares YouTube-Video einer tanzenden Person anzuschauen und im Anschluss einen webbasierten Fragebogen auszufüllen, wobei sie ihre Beobachtungen anhand der 81 DOF-Items bewerteten. Mit dem DOF können die Interventionserfolge und Fortschritte der Klient:innen erfasst werden. Das DOF kann Therapeut:innen in der Therapieplanung, der Auswahl von Therapiezielen sowie der Rechtfertigung von Interventionen und Aktivitäten unterstützen. Da der Fachjargon im DOF minimiert wurde (Ausnahme: Die physische Domäne enthält LMA-basierte Elemente), kann das DOF durch Therapeut:innen, Personal und Angehörige in der TT, Psychomotoriktherapie und in den künstlerischen Therapien angewandt werden. Die Langversion DOF (81 Items), die Kurzversion DOF-BREVE (18 Items) und die Kurzversion als Selbstreport DOF-BREVE-SR (18 Items) existieren bislang nur auf Englisch. Alle drei Versionen umfassen sechs Domänen (physisch, kulturell, kognitiv, emotional, sozial und integrativ) mit Unterdomänen und Zielen. Das Modell beruht auf der Annahme, dass „alle Menschen dieselben Grundbedürfnisse und Bestrebungen haben zu wachsen und zu gedeihen und daher mit demselben Tool bewertet werden können, ungeachtet der Unterschiede, die sie derzeit in Bezug auf die Ergebnisse erleben könnten“ (S. 3, Übersetzung durch die Autorin). Diese Annahme ermögliche, dass das DOF bei allen Teilnehmer:innen, unabhängig von Diagnose, Alter, Geschlecht, kulturellem Hintergrund, Therapiekontext etc., angewandt werden kann.
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46 Aktuelles aus der Forschung körper-- tanz-- bewegung 13. Jg., S. 46-48 (2025) DOI 10.2378/ ktb2025.art07d © Ernst Reinhardt Verlag Aktuelle Tanzstudien zur Messung von Therapieergebnissen und zur Wirksamkeit bei Stress und Depression Iris Bräuninger Das Dunphy Outcomes Framework (DOF) D as Dunphy Outcomes Framework (DOF) wurde mit dem Ziel entwickelt, dem wachsenden Bedarf nachzukommen, Therapieergebnisse der Tanz-, Bewegungstherapie (TT) messbar zu machen (Dunphy et al. 2023). Es ist ein empirisch getestetes, zuverlässiges und gültiges Instrument zur Messung von Therapieergebnissen und weist eine gute Skalenkonsistenz und sehr gute Inter-Rater- Reliabilität auf. An der methodischen Entwicklung der sechs DOF-Domänen trugen 260 Kolleg: innen aus zwölf Ländern über den Zeitraum von 2016 bis 2020 in einem Delphi-ähnlichen Prozess bei, wobei die Teilnahme freiwillig und unentgeltlich war. An der Zuverlässigkeitsstudie nahmen 117 Teilnehmer: innen (95 % Frauen) teil, von 112 flossen die Datensätze in die Studie ein. Die Aufgabe der Teilnehmer: innen bestand darin, sich ein 3-minütiges, im Web frei verfügbares YouTube-Video einer tanzenden Person anzuschauen und im Anschluss einen webbasierten Fragebogen auszufüllen, wobei sie ihre Beobachtungen anhand der 81 DOF- Items bewerteten. Mit dem DOF können die Interventionserfolge und Fortschritte der Klient: innen erfasst werden. Das DOF kann Therapeut: innen in der Therapieplanung, der Auswahl von Therapiezielen sowie der Rechtfertigung von Interventionen und Aktivitäten unterstützen. Da der Fachjargon im DOF minimiert wurde (Ausnahme: Die physische Domäne enthält LMA-basierte Elemente), kann das DOF durch Therapeut: innen, Personal und Angehörige in der TT, Psychomotoriktherapie und in den künstlerischen Therapien angewandt werden. Die Langversion DOF (81 Items), die Kurzversion DOF-BREVE (18 Items) und die Kurzversion als Selbstreport DOF-BREVE-SR (18-Items) existieren bislang nur auf Englisch. Alle drei Versionen umfassen sechs Domänen (physisch, kulturell, kognitiv, emotional, sozial und integrativ) mit Unterdomänen und Zielen. Das Modell beruht auf der Annahme, dass „alle Menschen dieselben Grundbedürfnisse und Bestrebungen haben zu wachsen und zu gedeihen und daher mit demselben Tool bewertet werden können, ungeachtet der Unterschiede, die sie derzeit in Bezug auf die Ergebnisse erleben könnten“ (S. 3, Übersetzung durch die Autorin). Diese Annahme ermögliche, dass das DOF bei allen Teilnehmer: innen, unabhängig von Diagnose, Alter, Geschlecht, kulturellem Hintergrund, Therapiekontext etc., angewandt werden kann. 1 | 2025 47 Aktuelles aus der Forschung Systematischer Review mit Metaanalyse zu Tanztherapie bei Stress und Depression Der Systematische Review mit Metaanalyse von Christopher und Kolleginnen (2024) untersuchte die Wirksamkeit der Tanztherapie bei behandlungsresistenter Depression TRD (TRD: Zuordnung vorherrschender Symptomcluster in depressive und akute Belastungsstörungen). Folgende Forschungsfragen wurden untersucht: „Reduziert Tanztherapie 1. Stress bei Erwachsenen, die unter Depressionen leiden, 2. depressive Symptome bei Erwachsenen, die unter Depressionen leiden? 3. Welche gängigen Praktiken wenden Tanztherapeut: innen bei der Arbeit mit Erwachsenen an, die sowohl unter Stress als auch unter Depressionen leiden? “ (S. 3, Übersetzung durch die Autorin). Eingeschlossene Studien sollten folgende Voraussetzungen (PICO-Schema) mitbringen: P: Erwachsene aus allen klinischen Populationen, die unter Depressionen / Stress litten und an TT teilnahmen; I: TT-Intervention, die von Tanztherapeut: innen mit Universitätsausbildung geleitet wird; C: keine methodischen Einschränkungen; O: Quantitative Messung von Stress und Depression. Nach Abzug der sieben Duplikate wurden 61 Datensätze und drei weitere geprüft, davon wurden 59 ausgeschlossen, so dass fünf Studien in die Metaanalyse eingingen: N = 613, 91,2 % weiblich; Anzahl der Therapiestunden: 15-24, Dauer der TT-Intervention 3-12 Wochen. Die Autorinnen schlussfolgerten, dass die Ergebnisse eine Zunahme der Behandlungsstrategien ergab ohne Symptomreduktion und ohne statistisch signifikante Ergebnisse für Stress und Depression. Als gängige Tanztherapiepraktiken wurden Improvisation, gemeinsamer Rhythmus und strukturierte Bewegung angewandt. Zusammenfassung Die Autor: innen des DOF (Dunphy et al. 2023) betonen, dass das Instrument eine aussagekräftige Bewertung der TT-Ergebnisse ermögliche und eine zuverlässige Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit den Künstlerischen Therapien erlaube. Bleibt zu hoffen, dass die Gütekriterien der beiden Kurzversionen DOF-BREVE und DOF-BREVE-SR zeitnah anhand größerer Stichproben überprüft werden können, da sie für den therapeutischen Alltag äußerst praktikabel, ökonomisch und vielversprechend zu sein scheinen. Die Übersetzung ins Deutsche zumindest der beiden Kurzversionen wäre naheliegend und ist wünschenswert. Die Ergebnisse des Systematischen Reviews mit Metaanalyse (Christopher et al. 2024) zur Wirksamkeit der Tanztherapie bei behandlungsresistenter Depression TRD werfen Fragen auf, was die Überprüfung der definierten Einschlusskriterien anbelangt: Eine der eingeschlossenen RCTs (Bräuninger 2012) erfüllte mehrere der definierten Einschlusskriterien nicht vollständig: Gefordert waren klinische Populationen, was bei dieser Studie nicht zutraf. Auch verfügten die Studienteilnehmer: innen nicht über eine diagnostizierte Depression, sondern berichteten im Selbstreport über depressive Symptome und Stresserleben. Ferner verfügten die teilnehmenden Therapeut: innen über keinen TT-Uniabschluss, der zum Zeitpunkt des RCT in der BRD noch nicht möglich war. Die Rückschlüsse der Autorinnen, dass die Metanalyse keine statistisch signifikanten Ergebnisse für Stress und Depression ergaben, sollten deshalb mit Vorbehalt gelesen werden, da zumindest bei 157 der 613 in die Metaanalyse eingeschlossenen Personen keine klinische Depression vorlag. 48 1 | 2025 Iris Bräuninger Literatur Bräuninger, I. (2012): Dance movement therapy group intervention in stress treatment: A randomized controlled trial (RCT). The Arts in Psychotherapy 39 (5), 443-450, https: / / doi. org/ 10.1016/ j.aip.2012.07.002 Christopher, N., Dumaresq, E., Tamplin, J. (2024): Dance therapy as an intervention for stress and depression: a systematic review and meta-analysis. Body, Movement and Dance in Psychotherapy, https: / / doi.org/ 10.1080/ 17432979.20 24.2377389 Dunphy, K., Lebre, P., Dumaresq, E., Schoenenberger-Howie, S. A., Geipel, J., Koch, S. C. (2023). Reliability and short version of the Dunphy Outcomes Framework (DOF): Integrating the art and science of dance movement therapy. The Arts in Psychotherapy 85, 102063, https: / / doi. org/ 10.1016/ j.aip.2023.102063 Dr. Iris Bräuninger Senior Researcher (Hochschule für Heilpädagogik Zürich IVE), Dozentin MA Tanztherapie UAB Barcelona, BTD-Supervisorin/ Ausbilderin/ Lehrtherapeutin, KMP-Notatorin, Praxis Tanztherapie Supervision Bodensee. ✉ Dr. Iris Bräuninger dancetherapy@mac.com oder iris.braeuninger@hfh.ch
