körper tanz bewegung
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2195-4909
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/ktb2025.art18d
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Fachbeitrag: Objekt-Installationen zur Förderung der Persönlichkeitsintegration bei Dissoziativen Identitätsstörungen in der Tanztherapie/Körperpsychotherapie
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Marianne Eberhard-Kaechele
Wenn die Möglichkeiten der Körper- und Bewegungsarbeit bei Menschen mit einer dissoziativen Identitätsstörung (DIS) aufgrund von Körperdissoziationsphänomenen eingeschränkt sind, ermöglicht die Gestaltung mit Objekten, die Integration der Persönlichkeitszustände zu fördern. Nach einer kurzen Einführung in das Störungsbild wird die Arbeit mit Objekt-Installationen in dem Interventionskanon bei DIS eingeordnet, definiert und die Wirkfaktoren erläutert. Schließlich werden Prozessschritte der Integration von Persönlichkeitszuständen mit Beispielen zu Objekt-Installationen sowie Hinweise zur verbalen Begleitung beschrieben.
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Fachbeitrag 116 körper-- tanz-- bewegung 13. Jg., S. 116-129 (2025) DOI 10.2378/ ktb2025.art18d © Ernst Reinhardt Verlag Objekt-Installationen zur Förderung der Persönlichkeitsintegration bei Dissoziativen Identitätsstörungen in der Tanztherapie / Körperpsychotherapie Marianne Eberhard-Kaechele Wenn die Möglichkeiten der Körper- und Bewegungsarbeit bei Menschen mit einer dissoziativen Identitätsstörung (DIS) aufgrund von Körperdissoziationsphänomenen eingeschränkt sind, ermöglicht die Gestaltung mit Objekten, die Integration der Persönlichkeitszustände zu fördern. Nach einer kurzen Einführung in das Störungsbild wird die Arbeit mit Objekt- Installationen in dem Interventionskanon bei DIS eingeordnet, definiert und die Wirkfaktoren erläutert. Schließlich werden Prozessschritte der Integration von Persönlichkeitszuständen mit Beispielen zu Objekt-Installationen sowie Hinweise zur verbalen Begleitung beschrieben. Schlüsselbegriffe Dissoziative Identitätsstörung, Objekte, Installation, Aufstellung, Integration der Persönlichkeit, Künstlerische Therapie Object Installations to Promote Personality Integration in Dissociative Identity Disorders in Dance Therapy / Body Psychotherapy If the possibilities of body and movement work in people with dissociative identity disorder (DID) are limited due to body dissociation phenomena, working with objects makes it possible to promote the integration of personality states. After a short introduction to the disorder, the work with object installations is classified in the canon of interventions for DIS, defined, and the active factors explicated. Finally, steps of the process of the integration of personality states with examples for object installations, and suggestions for verbal accompaniment are described. Key words dissociative identity disorder, objects, installation, setup, integration of the personality, creative arts therapy 117 3 | 2025 Objekt-Installationen zur Förderung der Persönlichkeitsintegration Annäherung an die Dissoziative Identitätsstörung Im Licht oder Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit D ie Relevanz der Dissoziative Identitätsstörung (DIS) im Gesundheitswesen nimmt stetig zu- - wegen der besseren Bildung von Therapeut: innen bezüglich des Störungsbildes, der besseren Diagnostikmethoden, der Validierung der Diagnose durch Forschung und internationalen Austausch (Gast/ Wirtz 2022) und wegen dem schweren Leid der Betroffenen. Die DIS ist nicht so selten wie häufig angenommen. Studien schätzen die Prävalenz ähnlich wie die der Schizophrenie oder der Boderline-Persönlichkeitsstörung ein: auf 0,5 bis 1 Prozent in der Gesamtbevölkerung und 5 Prozent bei stationären psychiatrischen Populationen (DeGPT 2022). Doch die Skepsis gegenüber der Validität der Diagnose in Fachkreisen, den Medien und in der Gesellschaft flammt immer wieder auf-- zuletzt durch mehrere Artikel im Spiegel (z. B. Lakotta / Piltz 2023) und Konflikte zwischen Rechtspsycholog: innen und Traumatherapeut: innen (Gast 2024, 11). Zudem sind die Symptome für die meisten Patient: innen hochgradig verstörend und beschämend, so dass sie diese dementsprechend verbergen und verschweigen, wodurch die DIS oft übersehen oder falsch eingeschätzt wird. Patient: innen, die ihre Störung offensiv nach außen tragen, sind deutlich in der Minderzahl (DeGPT 2022). Definition Dissoziation beschreibt einen Prozess, bei dem Elemente einer Ganzheit voneinander dis-assoziiert, un-verbunden, un-koordiniert werden, oder den Zustand, der als Ergebnis dieses Prozesses vorliegt: dissoziierte, unverbundene, unkoordinierte Teile eines Ganzen (Nijenhuis 2019). Angelehnt an die ICD-11 erleben Patient: innen bei der partiellen Dissoziativen Identitätsstörung (pDIS) eine im Alltag agierende Teilidentität im Vordergrund, während eine oder mehrere Teilidentität/ en traumatischen Ursprungs die Alltagspersönlichkeit mit ihren Erinnerungen und spezifischen Bewältigungsstrategien (ver)stören (Huber 2021, 286). Bei der Dissoziativen Identitätsstörung (DIS) erleben es Patient: innen so, als würden abwechselnd mehrere autonome Teilpersönlichkeiten die Kontrolle über das Bewusstsein und den Körper übernehmen, um den Alltag zu bewältigen. Zusätzlich erleben Patient: innen, dass mehrere Trauma-gebundene Teilidentitäten die Alltagspersönlichkeiten mit ihren Wahrnehmungen, Erinnerungen oder Handlungsstrategien (ver)stören (Huber 2021, 286). Im klinischen Setting haben die Bezeichnungen der beiden Typen von Persönlichkeitszuständen nach Van der Hart et al. (2008), die anscheinend normale Persönlichkeit (ANP) und die emotionale Persönlichkeit (EP), eine breite Akzeptanz. ANPs fokussieren auf die Gegenwart und vermeiden alles, was sie an das Trauma erinnern könnte, während EPs ihre Aufmerksamkeit auf Gefahr und Bedrohung richten und auf traumatische Erfahrungen fixiert sind. Diese konträren Überlebensstrategien führen dazu, dass Phobien der Teilidentitäten voreinander die Dissoziation der Persönlichkeit aufrechterhalten (Mattheß/ Nijenhuis 2013). Ursachen der DIS Die meisten Experten sehen schwere frühkindliche Traumatisierung durch sexuelle, physische und psychische Gewalt als wichtigsten Faktor für die Entstehung der DIS (Gast 2024; Matthess/ Sack 2010; Nijenhuis 2018). Die Erkrankung geht weniger zurück auf die Fragmentierung eines vormals Ganzen, sondern ist vielmehr das Resultat einer beeinträchtigten Entwicklung, bei der einzelne Aspekte der Persönlichkeit nicht integriert werden konnten. Genetische Faktoren, die Intensität und Dauer traumatischer Erfahrung, mehrere Täter, desorganisierte Bindungserfahrungen, der Erfolg von 118 3 | 2025 Marianne Eberhard-Kaechele dissoziativem Verhalten als Überlebensstrategie und soziale / kulturelle Überzeugungen sind einige weitere Einflussgrößen (Gast/ Wirtz 2022). Als wissenschaftlich nicht haltbar gilt die populäre Vorstellung, dass die DIS durch Suggestion, unsachgemäße Therapie, Medienberichte oder übertriebene Fantasie erzeugt werden könnte (Piedfort-Marin et al. 2021; DeGPT 2022). Behandlungsziele Grundlage und erstes Ziel ist die Etablierung einer therapeutischen Allianz, die bei der DIS eine besondere Herausforderung sein kann. Mehr hierzu ist bei Jakob-Krieger in diesem Heft zu lesen. Des Weiteren sind allgemeine Ziele bei Traumafolgestörung relevant, wie die Entwicklung von Kompetenzen der Selbstberuhigung und Selbstfürsorge, Ressourcenstärkung sowie Verbesserung der Emotions- und Beziehungsregulation (Wöller 2013). Da diese Themen jedoch die emotionalen Teilidentitäten mit ihren konträren Überlebensstrategien aktivieren, müssen parallel störungsspezifische Interventionen, die die Integration der Persönlichkeit zum Ziel haben, eingesetzt werden. Dieses Ziel der Reassoziation, Akzeptanz und Koordination der Persönlichkeitszustände ist der Fokus dieses Artikels, und die dazugehörigen Teilziele werden unten im praktischen Teil genauer erläutert. Dabei soll die Rolle des erwachsenen Persönlichkeitszustandes im Verhältnis zu kindlichen Zuständen gestärkt werden. Hierzu gibt es verschiedene Ansätze, wovon eines die Stärkung der ANP beim zuvor genannten Ansatz der Strukturellen Dissoziation ist (Nijenhuis 2018). Ein weiterer Ansatz, der des inneren Familiensystems nach Schwarz (2022), postuliert, dass ein Kern-Selbst trotz Fragmentierungsvorgängen durch Traumata erhalten bleibt und gestärkt werden sollte, um dissoziierte Persönlichkeitszustände zu koordinieren und ggf. zu integrieren. Ich erläutere beide Ansätze den Patient: innen und lasse sie wählen, welches sie nutzen möchten. Körperdissoziation als Hindernis bei der Körperpsychotherapie Patient: innen mit einer DIS leiden unter einer Vielzahl von körperlichen Symptomen wie z. B. dissoziative Krampfanfälle, körperliche Intrusionen wie dissoziative Schmerzen, Parästhesien, Hyperästhesien, Anästhesie, Analgesie, Seh- und Hörminderung, Aphonie, Dysphonie und motorischer Hemmung (Gysi 2025). Sie suchen meine Praxis auf mit der Begründung, sie möchten den Körper in ihren Genesungsprozess einbeziehen. Sie stützen sich dabei auf gute Erfahrungen in der stationären Therapie, Empfehlungen von Bekannten oder Therapeut: innen, oder sie kommen mit verbaler Psychotherapie allein nicht weiter. Ihre Möglichkeiten, mit dem Körper zu arbeiten, sind jedoch durch ihre dissoziative Symptomatik deutlich eingeschränkt. Oft erleben sie den Körper selbst als einen abgespaltenen Persönlichkeitszustand. Gründe für die Dissoziation des Körpers sind vielfältig. Boon, Steele und Van der Hart (2013) nennen z. B. folgende: 1. Fehlende Körperwahrnehmung von Primärbedürfnissen als Folge von Vernachlässigung 2. Ausblenden der Körperwahrnehmung als Folge physischer Gewalt 3. Vermeidung von negativen Emotionen wie Hass, Ekel, Scham und Verachtung bezogen auf den Körper, der Auslöser für oder Beteiligter an traumatischen Erlebnissen war (bei sexueller oder körperlicher Gewalt) 4. Die Verknüpfung von Körperempfindungen wie Spannungszustände, Atemmuster, Herzklopfen, Schmerzen usw. mit traumatischen Erlebnissen kann zur Vermeidung von Bewegung oder zu besonders empfindlichen oder empfindungslosen Körperpartien führen. 5. Im Zuge der strukturellen Dissoziation können Teilidentitäten sich sehr unterschiedlich auf den Körper beziehen: von positivem Ressourcenerleben bis zur vollkommenen Abneigung und Abspaltung. 119 3 | 2025 Objekt-Installationen zur Förderung der Persönlichkeitsintegration Diese Gründe für Körperdissoziation möchte ich durch drei weitere ergänzen, die ich in der Praxis regelmäßig beobachtet habe: 6. Patient: innen ertragen keine Wahrnehmung von körperlichen Schäden und Alterungsprozessen, die sie daran hindern könnten, ihren mangelnden Selbstwert durch Leistungsbereitschaft zu kompensieren (meist bis zur Selbstschädigung). Zum Zeitpunkt der Behandlung ist der Körper jedoch meist beschädigt und weniger leistungsfähig, also wird er abgespalten. 7. Patient: innen, die für Selbstbehauptung, Autonomiestreben oder den Nutzen ihrer Ressourcen für sich selbst massiv bestraft wurden, dissoziieren oft einzelne Körperteile (z. B. die Knie werden weich und sie fallen), um solche verbotenen Handlungsimpulse zu verhindern. 8. Entspannung und Ruhepausen werden durch Dissoziation gemieden, weil traumatische Erinnerungen oder belastende Emotionen, die sonst durch Ablenkung und Aktivität unterdrückt werden, hochkommen könnten. Die Körperdissoziation bewirkt, dass die Patient: innen sich entweder nicht bewegen wollen, erstarren, erschlaffen oder sich geistesabwesend im dissoziierten Zustand bewegen. Einige Patient: innen haben eine Teilidentität, die sich Bewegungsaktivität wünscht, aber die Dissoziation anderer Teilidentitäten hindert die Übertragung der positiven Auswirkung dieser Bewegungserfahrung auf die Gesamtpersönlichkeit. Ein weniger belastender, modifizierter Zugang zum Körper und zur Integration der Persönlichkeitszustände ist die Arbeit mit Objekten in Rauminstallationen. Als Brücke zur Überwindung der Körperdissoziation kann sie mit Kleinstbewegungen Entwicklungschancen und Selbstwirksamkeit in der Bewegung eröffnen. Praktisches Herangehen mittels Objektinstallationen Methoden der Erforschung des Persönlichkeitssystems bei DIS In der Therapie der DIS sind Methoden Standard, die es ermöglichen, die Elemente der Persönlichkeit zu erfassen und deren Beziehung zueinander zu erforschen. Hierzu gehören imaginative Techniken wie Frasers „Dissociative Table Technique“, in der die Teilidentitäten sich imaginär um einen Tisch versammeln (Fritzsche / Hartmann 2023); kunsttherapeutische Zugänge, bei denen ein Abbild des Persönlichkeitssystems gestaltet wird, z. B. als Landkarte oder verschiedene Blumen in einer Vase (Huber 2021); Watkins und Watkins’ (2008) „Nichthypnotische Technik mithilfe von Stühlen“, bei der die Patient: innen sich in diverse Zustände einfühlen können, indem sie auf verschiedenen Stühle Platz nehmen, sowie systemische Figurenaufstellungen, bei denen Figuren als Visualisierung und Verkörperung von Persönlichkeitszuständen und der distanzierten Betrachtung dieser dienen (Lindemann 2023). Mit letzterer Methode verwandt ist die in diesem Artikel darzustellende Methode der Installationstechnik. Installationstechnik Installationstechnik in der Körperarbeit erlernte ich in den 1990er Jahren während meiner Ausbildung in Creative Arts Therapy an der European Graduate School von Geoffrey Scott- Alexander. Installationskunst als Kunstform experimentiert mit Raum und Objekten mit dem Ziel, neue Wahrnehmungen zu erzeugen. Dabei kann das Publikum einer Ausstellung Teil der Gestaltung werden und sich und die Objekte darin bewegen (Rosenthal 2003). Dies hat Implikationen für die therapeutische Nutzung der Installationstechnik. In Anlehnung an die Differenzierung von Installationssparten nach Rosenthal (2003) unterscheide ich zwei wesentliche Formen der therapeutischen Arbeit mit Installationen: 120 3 | 2025 Marianne Eberhard-Kaechele ● Raum-im-Raum-Installation: Es wird eine räumliche Eingrenzung eines Areals, ein Raum im Raum gestaltet, der für die Gesamtpersönlichkeit steht. Die Beziehung von Teilidentitäten untereinander steht primär im Fokus. ● Immersive Installation: Einzelne Teilidentitäten werden frei im Raum aufgestellt. Die Wände des Raumes sind der Rahmen der Gestaltung, und die Patient: in ist ein Teil dieser. Die Beziehung zwischen der Kernpersönlichkeit und einzelnen Teilidentitäten im Kontext einer bestimmten Thematik ist der Fokus. Nach klinischem Erfahrungswissen gilt die Maßgabe: Je fragiler die innere psychische Struktur der Patient: innen, umso klarer sollte die äußere Strukturierung eines therapeutischen Angebots sein. Daher ist für fragile Patient: innen die Raum-im-Raum-Installation besser geeignet. Die Technik kann als Hauptintervention zur Erforschung des Persönlichkeitssystems, d. h. das Gesamtbild der Teilidentitäten oder Relationen zwischen verschiedenen Teilidentitäten, eingesetzt werden oder als Unterstützung, um Körperdissoziation zu überwinden. In meiner Arbeit mit Menschen mit DIS hat sich gezeigt, dass es nicht nur einen Bedarf für figurenartiges Material gibt, sondern auch für Gefäße und Material zur Gestaltung von Grenzen, um die unterschiedlichen Arten und Grade der Dissoziation von Persönlichkeitszuständen zu symbolisieren. Abb. 1 zeigt eine Sammlung von beispielhaften Figuren und Abgrenzungsgestaltungen. Es ist eine Raum-im-Raum-Installation, bei der sich ein Teil außerhalb des Raumdefinierenden Seils befindet. Neben Seilen sind diverse Rahmen-gebende Materialien einsetzbar: Tücher, die in Falten geworfen die Persönlichkeitszustände trennen; ein Sitzsack, der Persönlichkeitszustände in Mulden und Falten verstecken kann; eine Schachtel, ein Tisch oder ein Yogakissen. Um Verbindungen oder Verstrickungen über räumliche Positionierung hinaus zu verdeutlichen eigenen sich Wollfäden, Ketten, Seile, Stöckchen, Gummibänder oder Tücher. Installation im Vergleich zu anderen Methoden Imaginationen haben den Vorteil, dass sie keines Materials bedürfen, und den Nachteil, dass die Therapeut: innen nicht sehen können, was die Patient: innen sehen. Bildnerische Gestaltungen haben den Vorteil, dass sie bleibende Dokumente sind, die später einen Entwicklungsprozess veranschaulichen können. Das Bleibende, Statische ist gleichzeitig ihr Nachteil. Seit Patient: innen Smartphones mit Kamera besitzen, sind Installationen leicht dokumentierbar und doch sehr flexibel. Die Stühle-Technik ist der immersiven Installation ähnlich, in- Abb. 1: Raum-im-Raum-Installation mit beispielhaften Figuren und Abgrenzungsgestaltungen (alle Fotos: Marianne Eberhard-Kaechele) 121 3 | 2025 Objekt-Installationen zur Förderung der Persönlichkeitsintegration sofern als die Patient: innen Teil der Gestaltung sind, die Bewegung beschränkt sich dabei auf das Wechseln von Stuhl zu Stuhl und mögliche Gestik auf dem Stuhl. Bei der immersiven Installation wird eine dynamische Ganzkörper-Begegnung mit Stellvertretern von Zuständen ermöglicht, um Interaktionsmuster zu erforschen und zu transformieren. Systemische Figurenaufstellungen und Raum-im-Raum-Installationen sind im Wesentlichen gleich. Beide ermöglichen ein Abbild einer Konstellation, das auch die Therapeut: innen sehen können und das sich spontan weiterentwickeln lässt. Beide lassen sich gut kontrollieren, weil die Bewegung der Patient: innen sich auf die Hände / Arme beschränkt und er/ sie die Distanz zur Gestaltung selbst bestimmen kann. Wirkfaktoren Das Verständnis der Wirkweise einer Intervention ist nicht nur für die Therapeut: innen von Bedeutung. Sie können zentrale Wirkfaktoren in die Psychoedukation der Patient: innen einfließen lassen, um deren Mitwirkung und somit die Effektivität der Intervention zu verbessern. Zudem können sie diese Wirkfaktoren im interdisziplinären Austausch nutzen, um ihr Vorgehen fachlich fundiert zu erläutern. In einem Scoping Review untersuchten De Witte et al. (2021) die Literatur zu Wirkfaktoren und Veränderungsmechanismen der Künstlerischen Therapien und fanden 19 Domänen von Wirkfaktoren, von denen drei spezifisch für die Künstlerischen Therapie sind: Embodiment, Konkretisierung (Externalisierung) und Symbolisierung / Metapher. Diese Faktoren werden im Folgenden in Bezug auf die Installationstechnik erläutert. Embodiment Der Akt der Gestaltung und Transformation der Installation ist ein physikalischer. Er wird durch Handlung mit dem Körper vollzogen und ist eingebettet in einen größeren sozialen Kontext. Die Künste stimulieren die Sinne (wie Sehen, Hören, Tasten, Propriozeption) und erreichen somit nonverbale Erfahrungsebenen, die in Form von Bildern, Geräuschen oder Körperempfindungen statt Worten gespeichert sind. Sie bringen diese Erfahrungen wiederum in eine sinnlich wahrnehmbare Gestalt. In einer Teilidentitäten-Installation wird einem Teil der Person eine Form gegeben, die die körperliche Erfahrung dieses Persönlichkeitszustandes widerspiegelt, und Eigenschaften dieses Teils werden sichtbar gemacht. Die Teilidentität bekommt einen „Körper“ in Form eines Gegenstandes als Übergang zum Embodiment und zur Beheimatung im Körper der Patient: innen. Es werden im Sinne des Enactments Erkenntnisse bzgl. der Zusammenhänge zwischen Teilidentitäten durch körperliche Handlungen vollzogen, die neue Erfahrungen ermöglichen. Konkretisierung / Externalisierung Konkretisierung betont die sichtbare / spürbare Gestaltung von inneren Prozessen wie Persönlichkeitszustände, Gedanken oder Gefühle und ermöglicht Reflexion, Selbsterkenntnis und Verfügbarkeit für eine Resonanz von den Therapeut: innen. Die Ressource der Kreativität wird aktiviert, und weitere Ressourcen können bewusst werden (De Witte et al. 2021). Externalisierung betont das Projizieren von inneren Prozessen nach außen, um sie besser zu kontrollieren und zu verarbeiten, und eröffnet neue Denk- und Handlungsmöglichkeiten aus der distanzierten Perspektive (Ebel 2020). Dieser Wirkfaktor etabliert eine Beobachterposition, stärkt die realitätsnahe und erwachsene Teilidentität und verringert dessen Überwältigung durch EPs. Symbolisierung und Metapher Bei der Symbolisierung steht das Objekt für einen Anteil, ohne dass es zwingend eine wesenhafte Ähnlichkeit zwischen dem Anteil und dem Objekt gibt. Das Symbol ermöglicht es, 122 3 | 2025 Marianne Eberhard-Kaechele Beziehungskonstellationen zu erkennen und Probehandlungen auszuführen. Der Fokus liegt auf den Handlungen der Person mit dem Objekt. Das Objekt, das eine externalisierte Teilidentität darstellt, kann jedoch mehr als nur ein Platzhalter sein. Es kann gleichzeitig eine Metapher für Eigenschaften dieses Teils darstellen (Lindemann 2023). Bei der Metapher wird das Objekt einer Teilidentität gleichgesetzt (z. B. „Der depressive Zustand ist ein riesiges schwarzes Tuch.“) und eröffnet neue Perspektiven auf die Eigenschaften des Zustands, die denen des Objekts ähneln (z. B. „Der depressive Zustand ist flexibel und veränderbar, er kann sich über alles ausbreiten und es bedecken oder sich in ein kleineres Knäul zurücknehmen.“). Der Fokus liegt auf dem Objekt, wie es aussieht, was es macht, wie es reagieren kann auf „zufällige“ Ereignisse, die bei der Installation geschehen, z. B. wenn etwas umfällt, auf ein anderes Objekt zurollt usw. (siehe das Fallbeispiel unten). Prozessschritte zur Förderung der Integration bei DIS mit Installationen Der therapeutische Prozess folgt Teilschritten auf dem Weg zur Integration, die nicht strikt geordnet, sondern auch parallel oder in anderer Reihenfolge verlaufen können, um dem individuellen Bedarf der Patient: innen zu entsprechen (Fritzsche / Hartmann 2023). Die folgenden Schritte entsprechen meiner Arbeitsweise im Kontext der Tanz- und Ausdruckstherapie / Körperpsychotherapie und orientieren sich an Nijenhuis 2018, Fritzsche / Hartmann 2023 und Fritzsche 2024. Sie werden illustriert durch Beispiele. Um die Privatsphäre der Patient: innen zu schützen, sind die Fallvignetten sogenannte synthetische Fälle, d. h. sie stellen keine einzelne, reale Person dar, sondern wurden zusammengesetzt aus Elementen von mehreren Fällen, um datengeschützt typische Phänomene darzustellen. Bei den zwei Fällen, zu denen Fotografien inkludiert sind, wurden die Patientinnen um ihre Zustimmung zur abgewandelten Darstellung ihres Falles gebeten, da die Patientinnen ihre Installationen wiedererkennen würden. Wahrnehmung der Existenz von Teilidentitäten und Positionierung im Raum Durch einen Gegenstand-- z. B. ein Kissen, ein Stein, eine Figur- - wird eine Teilidentität, die zunächst innerlich spürbar wurde, externalisiert. Bei dieser immersiven Installation interagieren die Patient: innen direkt mit dem Objekt als „Gegenüber“. Der Fokus liegt zu dieser Zeit auf der Kommunikation der ANP mit dem / der Therapierenden darüber, wie die ANP die EP erlebt. Hier können durchlässige Grenzen des Raumes an Türen oder Fenstern genutzt werden, um Dissoziationsgrade zu verdeutlichen: Wird das Objekt in einem anderen Zimmer erlebt? Oder als ob es zum Fenster hineinschaut? Patient: innen berichten, dass dies erheblich dazu beiträgt, realisieren zu können, dass diese Teilidentität existiert, wenn sie eine sinnlich-erlebte („greifbare“) Form bekommt und Patient: innen zunächst auf Distanz dazu gehen können. Annäherung und Kommunikation zwischen Persönlichkeitszuständen Da die ANP die Existenz der EPs geleugnet hatte, um den Alltag zu bewältigen, besteht am Anfang häufig eine starke Aversion oder Phobie gegen z. B. „das verletzte Kind“ oder „den unerbittlichen Kritiker“ bzw. gegen EPs untereinander. Im Sinne einer systematischen Desensibilisierung erproben die Patient: innen nun verschiedene Abstände, räumliche Bezüge (wie vor, neben oder hinter sich) und Verbindungen mit Medien oder Berührung. Stimmungswechsel und eventuelle Wortmeldungen im Inneren bei jeder neuen Installation werden nachgespürt. 123 3 | 2025 Objekt-Installationen zur Förderung der Persönlichkeitsintegration Beispiel: Frau A. setzt sich mit einem Stein und einer Feder in je einer Hand hin und breitet ihre Arme weit aus. Sie muss den Kopf drehen, um eine Teilidentität zu sehen, die andere Teilidentität sieht sie dabei nicht. Allmählich bewegt sie ihre Hände aufeinander zu, bis sie beide Teile gleichzeitig sehen kann, und lässt diese Konstellation auf sich und die beiden Teilidentitäten wirken. Sie meldet eine zunehmende Angstlinderung. Raum-im-Raum-Installationen, in denen ein Objekt für die ANP mit einem oder mehreren Objekten als EP interagiert, fördern eine direkte Kommunikation zwischen Persönlichkeitszuständen und gleichzeitig eine Beobachterposition bzw. Kern-Selbstempfinden. Hierbei stehen oft die Grenzen zwischen Gruppen oder einzelnen Teilidentitäten im Vordergrund, die bewegt, verstärkt oder abgebaut werden. In dieser Phase kann die Beziehung unter Persönlichkeitszuständen gefördert werden, in dem ANP und EP oder EPs untereinander abwechselnd gefragt werden, wie sie sich gegenüber der jeweils anderen erleben. Daran wird erkennbar, ob eine vollständige Aversion oder Phobie weiter besteht, sich eine Ambivalenz als Übergang zur Akzeptanz einstellt oder sogar Interesse und Bereitschaft zur Begegnung gewachsen sind (Schwartz 2022). Verstehen der Funktion des Persönlichkeitszustandes In diesem Prozessschritt wird die Kommunikation der Patient: innen mit dem Persönlichkeitszustand gefördert. Dabei nehmen die Therapeut: innen die Haltung ein, dass kein Zustand schlecht ist, sondern alle entstanden sind, um das Leben oder die Integrität der Person zu schützen (Schwartz 2022), und behandelt alle Persönlichkeitszustände mit Respekt und Interesse für ihre Anliegen. Beispiel: Frau B. stellt einen inneren Zustand dar, den sie als Monster erlebt, der sie in ihrer Autonomie und Handlungsfreiheit einschränkt, indem es sie mit einer Schlinge um den Hals „an der kurzen Leine“ hält (Abb. 2). Wir reflektieren, woher das Monster dieses Verhalten gelernt haben könnte. Die Patientin erinnert sich, dass ihre Mutter jeden Versuch der Tochter, sich selbständig oder gar rebellisch zu verhalten, mit Gewalt bestraft hat. Frau B. kann nachvollziehen, dass das Monster lernte, sie in vorauseilendem Gehorsam zu zügeln, damit ihr die Gewalt der Mutter erspart blieb. Entwicklung von Empathie Die Entwicklung von Empathie für die Persönlichkeitszustände, die negative Erfahrungen als Opfer und (z. B. bei organisierter Gewalt) als Täter gespeichert haben, ist der Schlüssel zur künftigen Integration. Wichtig ist dabei, dass die Patient: innen nicht vollständig vom belasteten EP beherrscht werden, sondern eine du- Abb. 2: Installation zum gewaltvollen Verhältnis zwischen einer ANP (menschliche Figur) und einer EP (Monster-Figur) 124 3 | 2025 Marianne Eberhard-Kaechele ale Wahrnehmung von EP und ANP bzw. Kern- Selbst aufrechterhalten werden kann. Oft ist es erforderlich, dass die Therapeut: innen als Modell fungieren, die Perspektive des Anteils erforschen und ihm Mitgefühl zukommen lassen, bevor die Patient: innen Nähe und Empathie mit dem Anteil zulassen können. Beispiel: Frau C. wollte Mitgefühl mit einem inneren verletzten Kindzustand erarbeiten, das Erfahrungen der Einsamkeit und Verlassenheit gespeichert hatte. Als sie einen Stein ergriff, um dem Zustand eine Form zu geben, ließ sie den Stein vor Schreck sofort wieder fallen. Die Kälte des Steins war ihr zu bedrohlich und versetzte sie in eine Angst-Erstarrung. Die Therapeutin nahm den Stein und fragte die Patientin, was der Persönlichkeitszustand erlebt hatte. Frau C. schilderte, wie der Zustand regelmäßig tagelang in einem kalten, dunklen Keller eingesperrt wurde und sich nach Wärme und Schutz sehnte. Der Stein wurde in den Händen der Therapeutin allmählich wärmer, worauf sie Frau C. aufmerksam machte und ihr anbot, nun selbst die Erwärmung des Steins zu übernehmen. Mit dieser Starthilfe gelang es Frau C., den Stein zu sich zu nehmen, ihn weiter zu erwärmen, und Empathie zu empfinden, ohne dass sie vom Leid des Persönlichkeitszustands überwältigt wurde. Später übte sie, auch mit einem kalten Stein umzugehen. Transformation der Funktionsweise hin zu kooperativer Aktivität Häufig verhindern bei DIS-Patient: innen Persönlichkeitszustände wie das Monster bei Frau B. expressive oder expansive Bewegung. Hier hat sich bewährt, dem Zustand eine Form zu geben, um dessen Kontrolle über die Person zu begrenzen, ihm einen attraktiven Aussichtspunkt auf den Bewegungsraum zu geben und ihn dazu einzuladen, der Bewegung für eine begrenzte Zeit nur zuzuschauen, ohne hindernd einzugreifen. Anschließend wird der Anteil eingeladen, seine Meinung zu der Aktivität einzubringen. Je mehr die EPs realisieren, dass die Gegenwart relativ sicher ist, können sie ihre positiven Schutzfunktionen in einer weniger gewaltvollen Form in die Lebensbewältigung der ANP / des Kern-Selbst einbringen. Beispiel: Frau B. kommunizierte mit dem Monsterzustand, der sie an der Leine hielt, über die heutige, sichere Lebenssituation, fern der gewalttätigen Mutter. Sie vereinbarten, dass die ANP sich freier verhalten durfte, aber weiterhin die Schlinge in der Hand halten würde, damit das Monster sich mit einem Zug an der Leine melden konnte, wenn Gefahr bestand, die gegenwärtige soziale Umwelt zu verärgern. Umgekehrt konnte die ANP das Schutzmonster zurückhalten und regulieren. Anschließend erprobten Frau B. und die Therapeutin gegenseitige Regulierung mit einem Seil in Bewegung. Hierbei wurde deutlich, dass Frau B. zuvor gefürchtet hatte, dass auch die Therapeutin sich als Monster entpuppen und sie bestrafen könnte und sie dabei ohnmächtig wäre. In der Bewegung spürte sie aber ihre Wirksamkeit. Abb. 3: Installation zum kooperativen Verhältnis zwischen einer ANP (menschliche Figur) und einer EP (Monster-Figur) 125 3 | 2025 Objekt-Installationen zur Förderung der Persönlichkeitsintegration Differenzierung zwischen Täter-identifizierten Zuständen und realem Täter Bei organisierter oder ritueller Gewalt wird den Betroffenen oft von den Tätern suggeriert, dass sie „programmiert“ worden sind oder Gedankenkontrolle über sie ausgeübt wird. Verhaltensweisen wie automatisches Reagieren auf besondere Termine oder Wörter können als Konditionierung entmystifiziert werden, aber sachliche Erklärungen erreichen oft nicht die emotionalen Wunden und die Alarmfunktionen im Stammhirn. Von der Bezeichnung „Introjekt“ für diese Zustände wird daher abgeraten, weil es diesen Eindruck der Patient: innen zementieren kann (Mattheß/ Sack 2010). Das stellvertretende Embodiment in der Objekt-Installation ermöglicht Patient: innen, das Fremde außerhalb von sich zu positionieren und ihre eigene Integrität zu realisieren. Nach organisierter Gewalterfahrung in der Kindheit und Jugend war Frau D. überzeugt, dass der Haupttäter einen Teil von sich in sie implantiert hatte, welcher ihr Verhalten bis heute kontrollierte. Psychoedukation dahingehend, dass dieser kontrollierende Teil zu ihr selbst gehörte und sich ausgebildet hatte, um größeren Qualen durch Anpassung an den Täter zu entgehen, konnte die Patientin nur kognitiv nachvollziehen. Emotional und physisch fühlte sie sich weiterhin fremdgesteuert, und die Therapie stagnierte. Die Therapeutin bat Frau D., ihr Erleben als Installation zu gestalten. Die Patientin suchte eine Rattenfigur als Täter und eine Matrioschka für sich selbst aus. Beim Vorgang, die Ratte in die Matrioschka zu platzieren, musste sie die Puppe öffnen und die innenliegenden Püppchen entfernen. Diese Ereignisse spiegelten für die Patientin ihre Erfahrung wider: „Er hat mich mit Folter ‚aufgebrochen‘, alles, was zu mir gehörte, entfernt, und sich an dessen Stelle platziert.“ Die Folter wurde nicht inszeniert, aber die bei der Installation sich ereigneten Folgen reichten aus, um schonend eine Selbst- und Fremdvalidierung der Empfindung der Patientin zu ermöglichen (siehe Abb. 4). Die Therapeutin ermutigte die Patientin nun, die alternative Sichtweise zu gestalten: eine eigene Teilidentität, die das Verhalten des Täters nachahmt. Sie wählte eine Maus und setzte diese in eine stellvertretende Matrioschka- Hülle. Die Gegenüberstellung der beiden Objekte und das eigene Handeln vermittelten ihr ein Gefühl von Selbstwirksamkeit, auch für die Kindheitssituation: Sie hatte sich so gut es ging geschützt. Nun hatte sie den Drang, die Ratte in ein sicheres Behältnis zu transferieren und die Maus in die ursprüngliche Hülle zu setzen. Dies war noch nicht in der gleichen Sitzung möglich, wurde aber im Laufe der Zeit umgesetzt. Dabei ergänzte sie eine Murmel für ihr Kern-Selbst, das die Gewalt überlebt hatte, und ein kleines Matrioschka-Püppchen für den verletzten Kindzustand. Die sinnlich wahrnehmbare Installation half ihr, dem Narrativ des Täters, dass sie ihm gehöre, zu widersprechen. Ko-bewusstheit und funktionales, integriertes Handeln An dieser Stelle der Therapie ist die Installation weniger vonnöten, und Bewegung kann mehr in den Vordergrund treten. Ein hilfreiches Ritual zur Förderung des Bewusstseins für integriertes Handeln ist eine Aufwärmübung, die darin besteht, die Bewegung von Füßen, Händen und Wirbelsäule mit einer Narration zu begleiten, die hervorhebt, wie diese Körperteile, die sich aus vielen kleinen Knochen und Gelenken zusammensetzen, koordiniert zusammenarbeiten können mit ganzheitlichem, zielgerichtetem Handeln. Diese Übung kann früher durchgeführt werden, um die Integration anzubahnen, aber es sollte so begleitet werden, dass Patient: innen sich wiedererkennen („Wir entdecken die Hände, die Wirbelsäule neu- …“ oder „Wir erkennen, wo Körperteile im Verhältnis zueinanderstehen, und spielen damit- …“) und nicht den Eindruck bekommen, ihnen wird eine Integration aufgezwungen. 126 3 | 2025 Marianne Eberhard-Kaechele Abb. 4 (1-6): Beispiel-Sequenz der Differenzierung zwischen einem Täter-identifizierten Persönlichkeitszustand und einem realen Täter 127 3 | 2025 Objekt-Installationen zur Förderung der Persönlichkeitsintegration Hinweise zur verbalen Begleitung von Installationen bei der DIS Bezeichnungen für Persönlichkeitszustände (und den steuernden Teil) der Persönlichkeit Es wird empfohlen, die Sprache der DIS-Patient: innen für ihre Persönlichkeitszustände zu übernehmen, solange es Spaltung nicht verstärkt (Gast/ Wirtz 2022). Zum Beispiel ist es nicht sinnvoll, die Patient: innen in der Mehrzahl anzusprechen, auch wenn sie es selbst tun (Mattheß/ Nijenhuis 2013). Begriffe für das Phänomen wie Anteil, Persönlichkeit, Zustand, Modus; für Altersklassen wie die 8-Jährige; oder für Eigenschaften wie das Schatten-Kind, der Beschützer etc. sind geeignet, weil sie alle implizieren, dass diese Elemente Teil eines Ganzen sind. Die Verwendung von Eigennamen wie Natalie, Karl usw. ist weniger geeignet, weil sie eine getrennte Person impliziert und, außer vielleicht ein Geschlecht, keinen Informationsgehalt transportiert. Gast und Wirtz (2022) warnen davor, Persönlichkeitszustände rein zum Zweck der Erstellung einer inneren „Landkarte“ hervorzulocken und zu identifizieren: „Es kann eine potenziell destabilisierende und kontratherapeutische Wirkung haben, Patient(inn)en dazu aufzufordern, Persönlichkeitszustände preiszugeben, bevor sie psychologisch drauf vorbereitet sind.“ (S. 64). Stattdessen sollte die Initiative zur Präsentation von Zuständen von den Patient: innen ausgehen. Falls Patient: innen während der Therapie innehalten und innere Dialoge führen, ist es wichtig, selbst innezuhalten und ihnen dafür Zeit zu lassen. Gleichzeitig sollte die Verbindung zur ANP gehalten und, wenn die Pause länger dauert, nachgefragt werden, z. B. „Darf ich fragen, welches Thema Sie gerade im Inneren besprechen? “ Zuhören statt Interpretieren Es gibt diverse Quellen für Gesprächsführung bei der Begleitung einer Installation zum Persönlichkeitssystem (z. B. Lindemann 2023; Fritzsche / Hartman 2023; Tompkins / Lawley 1997). Wichtig ist die Unterlassung von Interpretationen oder Vorschlägen, die eine Spaltung der Persönlichkeit verstärken oder die wahre Bedeutung einer Teilidentität überdecken könnten. Da die meisten DIS-Patient: innen sich als Überlebensstrategie an Autoritätspersonen anpassen mussten, kommt es häufig vor, dass sie die Therapeut: innen nicht korrigieren, wenn diese daneben liegen. Die Therapeut: innen entfernen sich dann zunehmend vom Erleben der Patient: innen, die sich nicht verstanden fühlen. Beispiele für „saubere Sprache“ zu Installationen bei DIS P: „Der Dunkle Anteil ist viel größer als die anderen“ T: „Und der Dunkle ist viel größer.“ (Spiegeln) P: „Komisch, wenn Sie das sagen, wird er ganz traurig, er fühlt sich innen klein an! “ P: „Ich fühle mich gerade taub, wenn ich auf diese Figuren schaue.“ T: „Und was ist das für eine Art von Taubheit? “ oder „Und erzählen Sie bitte noch mehr über diese Taubheit! “ (Elaborieren) 128 3 | 2025 Marianne Eberhard-Kaechele Besonders zu empfehlen ist daher das vom neuseeländischen Trauma-Therapeuten David Grove entwickelte Prinzip Clean Language = saubere Sprache (publiziert von Tompkins / Lawley 1997 unter www.cleanlanguage.com). Clean Language vermeidet, Inhalte in das Gespräch einzuführen, die nicht vom Gedankengut der Klient: innen stammen, sondern wiederholt das Gesagte (Spiegeln) oder erfragt mehr Information (Elaboration). Grove leitete seine Interventionen mit einem „und“ ein, weil er feststellte, dass dies den Redefluss der Patient: innen unterstützt. Abschließende Hinweise Seien Sie stets aufmerksam für Belastungssignale. Melden Sie sofort Ihre Beobachtung (Erblassen, Zittern, rote Flecken usw.), und unterstützen Sie die Stabilisierung der Patient: innen, ggf. durch Unterbrechung der Installation. Die Bedeckung der Installation mit einem großen Tuch kann manchmal ausreichen. Halten Sie in Ihrer Ausstrahlung die Balance zwischen Standfestigkeit (ruhig, entspannt, unerschrocken) und gemäßigter Resonanz (überrascht, betroffen, erheitert). Die Patient: innen möchten das Gefühl haben, die Therapeut: innen können der Auseinandersetzung mit Zuständen Stand halten, aber sie möchten auch ein Mitschwingen mit ihrer eigenen Bewegtheit in der Begegnung mit Persönlichkeitszuständen spüren. Halten Sie die Balance zwischen dem Verfolgen eines gemeinsam ersonnenen Plans, um sich nicht in Chaos oder Vermeidung zu verlieren, und den spontanen Eingebungen der Patient: innen, um nicht eine Täter-ähnliche Rigidität an den Tag zu legen. Planen Sie Wiederholungen ein. Neu auftauchende Teilidentitäten müssen von vorne anfangen dürfen. Nach und nach werden immer mehr EPs im Sinne der Präsentifikation (Realisieren der heutigen Bedingungen, Nijenhuis 2018) und Nachreifung auf dem aktuellen Stand ihres Potentials in der Gegenwart ankommen und die ANP(s) deren Beitrag zum Überleben wertschätzen und für die Gegenwart zu nutzen verstehen. Setzen Sie bescheidene Ziele. Die Quote der bei Therapieende vollkommen integrierten DIS-Patient: innen liegt bei unter 30 % (Gast/ Wirtz 2022), und viele Patient: innen streben diese gar nicht an. Doch bereits eine Teilintegration ermöglicht eine erhebliche Steigerung der Lebensqualität, zu der die Arbeit mit dem Körper und Objekt-Installationen beitragen können. Literatur Boon, S., Steele, K., Van der Hart, O. (2013): Traumabedingte Dissoziation bewältigen. Junfermann, Paderborn Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotrauma tologie (DeGPT) (2022): Psychotraumatologie: Häufig gestellte Fragen (Q & A). Evidenzbasierte Antworten auf die wichtigsten Fragen. Annex 2: Dissoziative Identitätsstörung. In: https: / / www.degpt.de/ archiv/ upload/ DeGPT-Dateien/ QA%20Psychotraumatologie_annex2.pdf, 31.1.2025 De Witte, M., Orkibi, H., Zarate, R., Karkou, V., Sajnani, N., Malhotra, B., Ho, R. T. H., Kaimal, G., Baker, F. A., Koch, S. C. (2021): From therapeutic factors to mechanisms of change in the creative arts therapies: A scoping review. Frontiers in Psychology 12, 678397, https: / / doi. org/ 10.3389/ fpsyg.2021.678397 Ebel, P. (2020): Externalisierung. 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Marianne Eberhard-Kaechele Ausbilderin, Supervisorin und Lehrtherapeutin BTD. Expressive Arts Therapist. Lehrbeauftragte der Deutschen Sporthochschule Köln am Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation. Eigene Praxis für Tanz- und Ausdruckstherapie. ✉ mail@marianne-eberhard.de
